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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Er war ein stattlicher Mann, von regelmäßigen und an-
sprechenden Gesichtszügen, in allen Leibesübungen und ritter-
lichen Künsten wohl erfahren, ein Meister im Fahren und
Fechten, im Schießen und Schwimmen, von gefälligen Formen
und bei den Frauen wohlgelitten. Er blieb bis zuletzt ein
"schöner Mann." Seltsamerweise haben ihm Neid und Uebel-
wollen auch diese Vorzüge der äußern Erscheinung absprechen
wollen. In den französisch geschriebenen Anmerkungen zu den
"Geheimen Briefen" wird er einfach als eine "traurige Figur"
(figure triste) bezeichnet. Der Schreiber jener Zeilen kann ihn
nie gesehen haben. Der erst 1858 gestorbene Sohn Bischofs-
werders, eine ächte Garde du Corps-Erscheinung (eine Truppe,
in der er auch seine militärische Laufbahn begann) war das Ab-
bild des Vaters und übernahm noch nachträglich eine Art Be-
weisführung für die Stattlichkeit des "Günstling-Generals."

Der oft versuchten Schilderung seines Charakters sind im
Großen und Ganzen die Urtheile der "Vertrauten Briefe,"
der "Geheimen Briefe," der "Anmerkungen" zu den Geheimen
Briefen und die Briefe Mirabeau's zu Grunde gelegt worden.
Es steht aber wohl nach gerade fest, daß alle diese Briefe unend-
lich wenig Werth als historische Documente haben und daß sie
durch Uebelwollen, Parteiverblendung oder bare Unkenntniß
dictirt wurden; in letzterem Falle bloß das Tagesgeschwätz
wiedergebend, das kritiklose Geplauder einer scandalsüchtigen und
medisanten Gesellschaft. So heißt es in den "Vertrauten Brie-
fen" des Herrn v. Cöllen: "Bischofswerder war ein ganz
gewöhnlicher Kopf. Sein Gemüth war den äußeren Eindrücken
zu sehr offen, woraus eine große Schwäche des Willens ent-
stand. Ganz gemein aber war er nicht." Diese letzte halbe
Zeile, in ihrem Anlauf zu einer Ehrenrettung, ist besonders
bösartig, weil sie sich das Ansehen einer gewissen Unparteilich-
keit giebt. Weit hinaus aber über das Uebelwollen der "Ver-
trauten
Briefe," die an einzelnen Stellen immerhin das Rich-
tige treffen mögen, gehen die "Anmerkungen" zu den Ge-
heimen
Briefen, in denen wir folgendem Passus begegnen:

Er war ein ſtattlicher Mann, von regelmäßigen und an-
ſprechenden Geſichtszügen, in allen Leibesübungen und ritter-
lichen Künſten wohl erfahren, ein Meiſter im Fahren und
Fechten, im Schießen und Schwimmen, von gefälligen Formen
und bei den Frauen wohlgelitten. Er blieb bis zuletzt ein
„ſchöner Mann.“ Seltſamerweiſe haben ihm Neid und Uebel-
wollen auch dieſe Vorzüge der äußern Erſcheinung abſprechen
wollen. In den franzöſiſch geſchriebenen Anmerkungen zu den
„Geheimen Briefen“ wird er einfach als eine „traurige Figur“
(figure triste) bezeichnet. Der Schreiber jener Zeilen kann ihn
nie geſehen haben. Der erſt 1858 geſtorbene Sohn Biſchofs-
werders, eine ächte Garde du Corps-Erſcheinung (eine Truppe,
in der er auch ſeine militäriſche Laufbahn begann) war das Ab-
bild des Vaters und übernahm noch nachträglich eine Art Be-
weisführung für die Stattlichkeit des „Günſtling-Generals.“

Der oft verſuchten Schilderung ſeines Charakters ſind im
Großen und Ganzen die Urtheile der „Vertrauten Briefe,“
der „Geheimen Briefe,“ der „Anmerkungen“ zu den Geheimen
Briefen und die Briefe Mirabeau’s zu Grunde gelegt worden.
Es ſteht aber wohl nach gerade feſt, daß alle dieſe Briefe unend-
lich wenig Werth als hiſtoriſche Documente haben und daß ſie
durch Uebelwollen, Parteiverblendung oder bare Unkenntniß
dictirt wurden; in letzterem Falle bloß das Tagesgeſchwätz
wiedergebend, das kritikloſe Geplauder einer ſcandalſüchtigen und
mediſanten Geſellſchaft. So heißt es in den „Vertrauten Brie-
fen“ des Herrn v. Cöllen: „Biſchofswerder war ein ganz
gewöhnlicher Kopf. Sein Gemüth war den äußeren Eindrücken
zu ſehr offen, woraus eine große Schwäche des Willens ent-
ſtand. Ganz gemein aber war er nicht.“ Dieſe letzte halbe
Zeile, in ihrem Anlauf zu einer Ehrenrettung, iſt beſonders
bösartig, weil ſie ſich das Anſehen einer gewiſſen Unparteilich-
keit giebt. Weit hinaus aber über das Uebelwollen der „Ver-
trauten
Briefe,“ die an einzelnen Stellen immerhin das Rich-
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Briefen, in denen wir folgendem Paſſus begegnen:

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[269/0287] Er war ein ſtattlicher Mann, von regelmäßigen und an- ſprechenden Geſichtszügen, in allen Leibesübungen und ritter- lichen Künſten wohl erfahren, ein Meiſter im Fahren und Fechten, im Schießen und Schwimmen, von gefälligen Formen und bei den Frauen wohlgelitten. Er blieb bis zuletzt ein „ſchöner Mann.“ Seltſamerweiſe haben ihm Neid und Uebel- wollen auch dieſe Vorzüge der äußern Erſcheinung abſprechen wollen. In den franzöſiſch geſchriebenen Anmerkungen zu den „Geheimen Briefen“ wird er einfach als eine „traurige Figur“ (figure triste) bezeichnet. Der Schreiber jener Zeilen kann ihn nie geſehen haben. Der erſt 1858 geſtorbene Sohn Biſchofs- werders, eine ächte Garde du Corps-Erſcheinung (eine Truppe, in der er auch ſeine militäriſche Laufbahn begann) war das Ab- bild des Vaters und übernahm noch nachträglich eine Art Be- weisführung für die Stattlichkeit des „Günſtling-Generals.“ Der oft verſuchten Schilderung ſeines Charakters ſind im Großen und Ganzen die Urtheile der „Vertrauten Briefe,“ der „Geheimen Briefe,“ der „Anmerkungen“ zu den Geheimen Briefen und die Briefe Mirabeau’s zu Grunde gelegt worden. Es ſteht aber wohl nach gerade feſt, daß alle dieſe Briefe unend- lich wenig Werth als hiſtoriſche Documente haben und daß ſie durch Uebelwollen, Parteiverblendung oder bare Unkenntniß dictirt wurden; in letzterem Falle bloß das Tagesgeſchwätz wiedergebend, das kritikloſe Geplauder einer ſcandalſüchtigen und mediſanten Geſellſchaft. So heißt es in den „Vertrauten Brie- fen“ des Herrn v. Cöllen: „Biſchofswerder war ein ganz gewöhnlicher Kopf. Sein Gemüth war den äußeren Eindrücken zu ſehr offen, woraus eine große Schwäche des Willens ent- ſtand. Ganz gemein aber war er nicht.“ Dieſe letzte halbe Zeile, in ihrem Anlauf zu einer Ehrenrettung, iſt beſonders bösartig, weil ſie ſich das Anſehen einer gewiſſen Unparteilich- keit giebt. Weit hinaus aber über das Uebelwollen der „Ver- trauten Briefe,“ die an einzelnen Stellen immerhin das Rich- tige treffen mögen, gehen die „Anmerkungen“ zu den Ge- heimen Briefen, in denen wir folgendem Paſſus begegnen:

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/287>, abgerufen am 18.05.2024.