Geleit. Zugleich symbolisch ausdrückend: ich lasse nun die Welt.
Und er ließ die Welt. Sein Dorf, sein Haus, sein Park füllten von nun an seine Seele. Mit seinen Bauern stand er gut; die Auseinanderlegung der Aecker, die sogenannte "Sepa- ration," die gesetzlich erst zehn Jahre später ins Leben trat, führte er durch freie Vereinbarung durch; er erweiterte und schmückte das Schloß, den Park; dem letztern, durch Ankauf von Bauerhöfen (die alten Brunnenstellen lassen sich noch er- kennen), wie durch Anpflanzung werthvoller Bäume, gab er seine gegenwärtige Gestalt. Alle Wege, die durch die Gutsäcker führ- ten, ließ er mit Obstbäumen, die er für bedeutende Summen aus dem Dessauischen bezog, bepflanzen und schuf dadurch eine Cultur, die noch jetzt eine nicht unerhebliche jährliche Rente abwirft. Er hatte ganz die Ackerbau-Passion, den tiefen Zug für Natur und einfache Verhältnisse, den man bei allen Personen beobachten kann, die sich aus der Hofsphäre oder aus hohen Berufsstellungen in einfache Verhältnisse, aus dem glänzenden Schein in die Wirklichkeit des Lebens zurück- ziehen.
Der Verkehr im Hause war ein ziemlich reger. Die starr- katholischen und noch mehr fast die starr-ökonomischen Grund- sätze seiner zweiten Frau griffen gelegentlich störend ein; seine Bonhommie wußte aber alles wieder auszugleichen. Mit dem benachbarten Adel stand er auf gutem Fuß; die Beziehungen zur Potsdamer Gesellschaft waren wenigstens nicht abgebrochen; nur die eigentlichen Hofkreise, die der an oberster Stelle herr- schenden Empfindung Folge geben mußten, hielten sich zurück. Friedrich Wilhelm III., so oft er auch auf dem Wege nach Paretz das Marquardter Herrenhaus zu passiren hatte, hielt nie vor demselben an; die Jahre, die nun mal die Signatur: Rietz, Wöllner, Bischofswerder trugen (trotzdem er zu dem letzteren nie in einem directen Gegensatze stand) lebten zu unliebsam in der Erinnerung fort, um eine Annäherung wünschenswerth er- scheinen zu lassen.
Geleit. Zugleich ſymboliſch ausdrückend: ich laſſe nun die Welt.
Und er ließ die Welt. Sein Dorf, ſein Haus, ſein Park füllten von nun an ſeine Seele. Mit ſeinen Bauern ſtand er gut; die Auseinanderlegung der Aecker, die ſogenannte „Sepa- ration,“ die geſetzlich erſt zehn Jahre ſpäter ins Leben trat, führte er durch freie Vereinbarung durch; er erweiterte und ſchmückte das Schloß, den Park; dem letztern, durch Ankauf von Bauerhöfen (die alten Brunnenſtellen laſſen ſich noch er- kennen), wie durch Anpflanzung werthvoller Bäume, gab er ſeine gegenwärtige Geſtalt. Alle Wege, die durch die Gutsäcker führ- ten, ließ er mit Obſtbäumen, die er für bedeutende Summen aus dem Deſſauiſchen bezog, bepflanzen und ſchuf dadurch eine Cultur, die noch jetzt eine nicht unerhebliche jährliche Rente abwirft. Er hatte ganz die Ackerbau-Paſſion, den tiefen Zug für Natur und einfache Verhältniſſe, den man bei allen Perſonen beobachten kann, die ſich aus der Hofſphäre oder aus hohen Berufsſtellungen in einfache Verhältniſſe, aus dem glänzenden Schein in die Wirklichkeit des Lebens zurück- ziehen.
Der Verkehr im Hauſe war ein ziemlich reger. Die ſtarr- katholiſchen und noch mehr faſt die ſtarr-ökonomiſchen Grund- ſätze ſeiner zweiten Frau griffen gelegentlich ſtörend ein; ſeine Bonhommie wußte aber alles wieder auszugleichen. Mit dem benachbarten Adel ſtand er auf gutem Fuß; die Beziehungen zur Potsdamer Geſellſchaft waren wenigſtens nicht abgebrochen; nur die eigentlichen Hofkreiſe, die der an oberſter Stelle herr- ſchenden Empfindung Folge geben mußten, hielten ſich zurück. Friedrich Wilhelm III., ſo oft er auch auf dem Wege nach Paretz das Marquardter Herrenhaus zu paſſiren hatte, hielt nie vor demſelben an; die Jahre, die nun mal die Signatur: Rietz, Wöllner, Biſchofswerder trugen (trotzdem er zu dem letzteren nie in einem directen Gegenſatze ſtand) lebten zu unliebſam in der Erinnerung fort, um eine Annäherung wünſchenswerth er- ſcheinen zu laſſen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0285"n="267"/>
Geleit. Zugleich ſymboliſch ausdrückend: ich laſſe nun die<lb/>
Welt.</p><lb/><p>Und er ließ die Welt. Sein Dorf, ſein Haus, ſein Park<lb/>
füllten von nun an ſeine Seele. Mit ſeinen Bauern ſtand er<lb/>
gut; die Auseinanderlegung der Aecker, die ſogenannte „Sepa-<lb/>
ration,“ die geſetzlich erſt zehn Jahre ſpäter ins Leben trat,<lb/>
führte er durch freie Vereinbarung durch; er erweiterte und<lb/>ſchmückte das Schloß, den Park; dem letztern, durch Ankauf<lb/>
von Bauerhöfen (die alten Brunnenſtellen laſſen ſich noch er-<lb/>
kennen), wie durch Anpflanzung werthvoller Bäume, gab er ſeine<lb/>
gegenwärtige Geſtalt. Alle Wege, die durch die Gutsäcker führ-<lb/>
ten, ließ er mit Obſtbäumen, die er für bedeutende Summen<lb/>
aus dem Deſſauiſchen bezog, bepflanzen und ſchuf dadurch eine<lb/>
Cultur, die noch jetzt eine nicht unerhebliche jährliche Rente<lb/>
abwirft. Er hatte ganz die Ackerbau-Paſſion, den tiefen Zug<lb/>
für Natur und einfache Verhältniſſe, den man bei allen<lb/>
Perſonen beobachten kann, die ſich aus der Hofſphäre<lb/>
oder aus hohen Berufsſtellungen in einfache Verhältniſſe, aus<lb/>
dem glänzenden Schein in die Wirklichkeit des Lebens zurück-<lb/>
ziehen.</p><lb/><p>Der Verkehr im Hauſe war ein ziemlich reger. Die ſtarr-<lb/>
katholiſchen und noch mehr faſt die ſtarr-ökonomiſchen Grund-<lb/>ſätze ſeiner zweiten Frau griffen gelegentlich ſtörend ein; ſeine<lb/>
Bonhommie wußte aber alles wieder auszugleichen. Mit dem<lb/>
benachbarten Adel ſtand er auf gutem Fuß; die Beziehungen<lb/>
zur Potsdamer Geſellſchaft waren wenigſtens nicht abgebrochen;<lb/>
nur die eigentlichen Hofkreiſe, die der an oberſter Stelle herr-<lb/>ſchenden Empfindung Folge geben mußten, hielten ſich zurück.<lb/>
Friedrich Wilhelm <hirendition="#aq">III.</hi>, ſo oft er auch auf dem Wege nach<lb/>
Paretz das Marquardter Herrenhaus zu paſſiren hatte, hielt nie<lb/>
vor demſelben an; die Jahre, die nun mal die Signatur: Rietz,<lb/>
Wöllner, Biſchofswerder trugen (trotzdem er zu dem letzteren<lb/>
nie in einem directen Gegenſatze ſtand) lebten zu unliebſam in<lb/>
der Erinnerung fort, um eine Annäherung wünſchenswerth er-<lb/>ſcheinen zu laſſen.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[267/0285]
Geleit. Zugleich ſymboliſch ausdrückend: ich laſſe nun die
Welt.
Und er ließ die Welt. Sein Dorf, ſein Haus, ſein Park
füllten von nun an ſeine Seele. Mit ſeinen Bauern ſtand er
gut; die Auseinanderlegung der Aecker, die ſogenannte „Sepa-
ration,“ die geſetzlich erſt zehn Jahre ſpäter ins Leben trat,
führte er durch freie Vereinbarung durch; er erweiterte und
ſchmückte das Schloß, den Park; dem letztern, durch Ankauf
von Bauerhöfen (die alten Brunnenſtellen laſſen ſich noch er-
kennen), wie durch Anpflanzung werthvoller Bäume, gab er ſeine
gegenwärtige Geſtalt. Alle Wege, die durch die Gutsäcker führ-
ten, ließ er mit Obſtbäumen, die er für bedeutende Summen
aus dem Deſſauiſchen bezog, bepflanzen und ſchuf dadurch eine
Cultur, die noch jetzt eine nicht unerhebliche jährliche Rente
abwirft. Er hatte ganz die Ackerbau-Paſſion, den tiefen Zug
für Natur und einfache Verhältniſſe, den man bei allen
Perſonen beobachten kann, die ſich aus der Hofſphäre
oder aus hohen Berufsſtellungen in einfache Verhältniſſe, aus
dem glänzenden Schein in die Wirklichkeit des Lebens zurück-
ziehen.
Der Verkehr im Hauſe war ein ziemlich reger. Die ſtarr-
katholiſchen und noch mehr faſt die ſtarr-ökonomiſchen Grund-
ſätze ſeiner zweiten Frau griffen gelegentlich ſtörend ein; ſeine
Bonhommie wußte aber alles wieder auszugleichen. Mit dem
benachbarten Adel ſtand er auf gutem Fuß; die Beziehungen
zur Potsdamer Geſellſchaft waren wenigſtens nicht abgebrochen;
nur die eigentlichen Hofkreiſe, die der an oberſter Stelle herr-
ſchenden Empfindung Folge geben mußten, hielten ſich zurück.
Friedrich Wilhelm III., ſo oft er auch auf dem Wege nach
Paretz das Marquardter Herrenhaus zu paſſiren hatte, hielt nie
vor demſelben an; die Jahre, die nun mal die Signatur: Rietz,
Wöllner, Biſchofswerder trugen (trotzdem er zu dem letzteren
nie in einem directen Gegenſatze ſtand) lebten zu unliebſam in
der Erinnerung fort, um eine Annäherung wünſchenswerth er-
ſcheinen zu laſſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/285>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.