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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Sturm, zweimal durch Verrath. Die Kämpfe drehten sich mehr
oder weniger um diesen Punkt.

Die ersten Berührungen mit der wendischen Welt, mit den
Volksstämmen zwischen Elbe und Oder, fanden unter Carl dem
Großen statt; sie führten zu nichts Erheblichem. Erst unter
dem ersten Sachsenkaiser, Heinrich dem Finkler, wurde eine
Unterwerfung der Wenden versucht und durchgeführt.

Diese Kämpfe begannen im Jahre 924 durch einen Ein-
fall Heinrich's in das Land der Stodoraner und durch Weg-
nahme Brennibor's. Diesem Siege Heinrich's folgten Aufstände
(die Retarier, Stodoraner, Ukraner werden eigens genannt),
und den wendischen Aufständen folgten neue deutsche Siege.

Es war eine endlos ausgesponnene Kette, in der jedes ein-
zelne Glied so Ursach wie Wirkung war. Die deutsche Grau-
samkeit schuf wendische Aufstände, und den wendischen Auf-
ständen folgten neue Siege der Deutschen, Siege, die wiederum
zur Grausamkeit führten und so das alte Wechselspiel wieder-
holten. So war es unter Kaiser Heinrich, und so war es unter
Otto dem Großen. Zweimal wurden die Wenden in blutigen
Schlachten niedergeworfen, 920 bei Lunkini (Lenzen)*) 935 am

*) Von dieser Schlacht bei Lunkini (Lenzen) findet sich in "Widu-
kinds sächsischen Geschichten" eine ausführliche Beschreibung. Die Chri-
sten belagerten Lunkini, als die Nachricht eintraf, daß ein großes Wen-
denheer zum Entsatz der bedrängten Festung heranrücke und während der
Nacht das Lager der Christen überfallen wolle. Ein furchtbares Unwetter
indeß, heftige Regengüsse hinderten den Angriff des Feindes. So kam
der Morgen, und die Christen schickten sich nun ihrerseits zum Angriff
an. Die Zahl der Wenden war so groß, daß, als die Sonne jetzt hell
auf die durchnäßten Kleider der hunderttausend Wenden schien, ein
Dampf zum Himmel aufstieg, der sie wie in eine Nebelwolke hüllte,
während die Christen in hellem Sonnenlicht heranzogen und ob dieser
Erscheinung voll Hoffnung und Zuversicht waren. Nach hartem Kampfe
flohen die Wenden; da ihnen aber eine Abtheilung den Weg verlegt
hatte, so stürzten sie einem See zu, in dem Unzählige ertranken. Die
Chronisten geben das Wendenheer auf 200,000 Mann an. "Die Ge-
fangenen wurden alle, wie ihnen verheißen, an einem Tage geköpft."

Sturm, zweimal durch Verrath. Die Kämpfe drehten ſich mehr
oder weniger um dieſen Punkt.

Die erſten Berührungen mit der wendiſchen Welt, mit den
Volksſtämmen zwiſchen Elbe und Oder, fanden unter Carl dem
Großen ſtatt; ſie führten zu nichts Erheblichem. Erſt unter
dem erſten Sachſenkaiſer, Heinrich dem Finkler, wurde eine
Unterwerfung der Wenden verſucht und durchgeführt.

Dieſe Kämpfe begannen im Jahre 924 durch einen Ein-
fall Heinrich’s in das Land der Stodoraner und durch Weg-
nahme Brennibor’s. Dieſem Siege Heinrich’s folgten Aufſtände
(die Retarier, Stodoraner, Ukraner werden eigens genannt),
und den wendiſchen Aufſtänden folgten neue deutſche Siege.

Es war eine endlos ausgeſponnene Kette, in der jedes ein-
zelne Glied ſo Urſach wie Wirkung war. Die deutſche Grau-
ſamkeit ſchuf wendiſche Aufſtände, und den wendiſchen Auf-
ſtänden folgten neue Siege der Deutſchen, Siege, die wiederum
zur Grauſamkeit führten und ſo das alte Wechſelſpiel wieder-
holten. So war es unter Kaiſer Heinrich, und ſo war es unter
Otto dem Großen. Zweimal wurden die Wenden in blutigen
Schlachten niedergeworfen, 920 bei Lunkini (Lenzen)*) 935 am

*) Von dieſer Schlacht bei Lunkini (Lenzen) findet ſich in „Widu-
kinds ſächſiſchen Geſchichten“ eine ausführliche Beſchreibung. Die Chri-
ſten belagerten Lunkini, als die Nachricht eintraf, daß ein großes Wen-
denheer zum Entſatz der bedrängten Feſtung heranrücke und während der
Nacht das Lager der Chriſten überfallen wolle. Ein furchtbares Unwetter
indeß, heftige Regengüſſe hinderten den Angriff des Feindes. So kam
der Morgen, und die Chriſten ſchickten ſich nun ihrerſeits zum Angriff
an. Die Zahl der Wenden war ſo groß, daß, als die Sonne jetzt hell
auf die durchnäßten Kleider der hunderttauſend Wenden ſchien, ein
Dampf zum Himmel aufſtieg, der ſie wie in eine Nebelwolke hüllte,
während die Chriſten in hellem Sonnenlicht heranzogen und ob dieſer
Erſcheinung voll Hoffnung und Zuverſicht waren. Nach hartem Kampfe
flohen die Wenden; da ihnen aber eine Abtheilung den Weg verlegt
hatte, ſo ſtürzten ſie einem See zu, in dem Unzählige ertranken. Die
Chroniſten geben das Wendenheer auf 200,000 Mann an. „Die Ge-
fangenen wurden alle, wie ihnen verheißen, an einem Tage geköpft.“
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[9/0027] Sturm, zweimal durch Verrath. Die Kämpfe drehten ſich mehr oder weniger um dieſen Punkt. Die erſten Berührungen mit der wendiſchen Welt, mit den Volksſtämmen zwiſchen Elbe und Oder, fanden unter Carl dem Großen ſtatt; ſie führten zu nichts Erheblichem. Erſt unter dem erſten Sachſenkaiſer, Heinrich dem Finkler, wurde eine Unterwerfung der Wenden verſucht und durchgeführt. Dieſe Kämpfe begannen im Jahre 924 durch einen Ein- fall Heinrich’s in das Land der Stodoraner und durch Weg- nahme Brennibor’s. Dieſem Siege Heinrich’s folgten Aufſtände (die Retarier, Stodoraner, Ukraner werden eigens genannt), und den wendiſchen Aufſtänden folgten neue deutſche Siege. Es war eine endlos ausgeſponnene Kette, in der jedes ein- zelne Glied ſo Urſach wie Wirkung war. Die deutſche Grau- ſamkeit ſchuf wendiſche Aufſtände, und den wendiſchen Auf- ſtänden folgten neue Siege der Deutſchen, Siege, die wiederum zur Grauſamkeit führten und ſo das alte Wechſelſpiel wieder- holten. So war es unter Kaiſer Heinrich, und ſo war es unter Otto dem Großen. Zweimal wurden die Wenden in blutigen Schlachten niedergeworfen, 920 bei Lunkini (Lenzen) *) 935 am *) Von dieſer Schlacht bei Lunkini (Lenzen) findet ſich in „Widu- kinds ſächſiſchen Geſchichten“ eine ausführliche Beſchreibung. Die Chri- ſten belagerten Lunkini, als die Nachricht eintraf, daß ein großes Wen- denheer zum Entſatz der bedrängten Feſtung heranrücke und während der Nacht das Lager der Chriſten überfallen wolle. Ein furchtbares Unwetter indeß, heftige Regengüſſe hinderten den Angriff des Feindes. So kam der Morgen, und die Chriſten ſchickten ſich nun ihrerſeits zum Angriff an. Die Zahl der Wenden war ſo groß, daß, als die Sonne jetzt hell auf die durchnäßten Kleider der hunderttauſend Wenden ſchien, ein Dampf zum Himmel aufſtieg, der ſie wie in eine Nebelwolke hüllte, während die Chriſten in hellem Sonnenlicht heranzogen und ob dieſer Erſcheinung voll Hoffnung und Zuverſicht waren. Nach hartem Kampfe flohen die Wenden; da ihnen aber eine Abtheilung den Weg verlegt hatte, ſo ſtürzten ſie einem See zu, in dem Unzählige ertranken. Die Chroniſten geben das Wendenheer auf 200,000 Mann an. „Die Ge- fangenen wurden alle, wie ihnen verheißen, an einem Tage geköpft.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/27>, abgerufen am 22.11.2024.