Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.In Pommern und Mecklenburg-Strelitz: die Unter allen diesen Völkerschaften, Stämmen und Stämm- Keiner der einzelnen Stämme der märkischen Wenden *) Darüber wo Rhetra oder Ratare stand, schwebt noch immer
der Streit. Mann nennt folgende Orte: Stargard (Mecklenburg), Mal- chin, Röbel (am Müritz-See), Rhesa, Strelitz, Prilwitz, Kuschwanz. Der letztere Ort, unpoetischen Klanges, hat zur Zeit die größten Chan- cen, als "Rhetra" anerkannt zu werden. In Pommern und Mecklenburg-Strelitz: die Unter allen dieſen Völkerſchaften, Stämmen und Stämm- Keiner der einzelnen Stämme der märkiſchen Wenden *) Darüber wo Rhetra oder Ratare ſtand, ſchwebt noch immer
der Streit. Mann nennt folgende Orte: Stargard (Mecklenburg), Mal- chin, Röbel (am Müritz-See), Rheſa, Strelitz, Prilwitz, Kuſchwanz. Der letztere Ort, unpoetiſchen Klanges, hat zur Zeit die größten Chan- cen, als „Rhetra“ anerkannt zu werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0026" n="8"/> <p><hi rendition="#g">In Pommern und Mecklenburg-Strelitz</hi>: die<lb/><hi rendition="#g">Kiſſiner</hi> in der Nähe von Güſtrow; die <hi rendition="#g">Circipaner</hi> um<lb/> Wolgaſt herum; die <hi rendition="#g">Dolenzer</hi> um Demmin und Stolp; die<lb/><hi rendition="#g">Ratarer</hi> oder Retarier zwiſchen Ober-Havel, Peene und<lb/> Tolenſe (nach Raumer bis zur <hi rendition="#g">Doſſe</hi>); die <hi rendition="#g">Woliner</hi> auf<lb/> Wolin und Uſedom; die <hi rendition="#g">Rujanen</hi> oder <hi rendition="#g">Ranen</hi> auf Rügen.<lb/> Kleinere eingeſtreute Gaue waren: <hi rendition="#g">Sitna</hi> oder Ziethen (Groß-<lb/> und Klein-Zieten bei Korin); der <hi rendition="#g">Murizzi</hi>-Gau am Müritz-<lb/> See; der <hi rendition="#g">Doſſaner</hi> Gau an der Doſſe bei Wittſtock.</p><lb/> <p>Unter allen dieſen Völkerſchaften, Stämmen und Stämm-<lb/> chen (man könnte ſie Clans nennen) waren wohl die Ranen<lb/> und die Retarier die wichtigſten, beide als Hüter der zwei hei-<lb/> ligſten Tempelſtätten Rhetra<note place="foot" n="*)">Darüber wo Rhetra oder Ratare ſtand, ſchwebt noch immer<lb/> der Streit. Mann nennt folgende Orte: Stargard (Mecklenburg), Mal-<lb/> chin, Röbel (am Müritz-See), Rheſa, Strelitz, Prilwitz, Kuſchwanz.<lb/> Der letztere Ort, unpoetiſchen Klanges, hat zur Zeit die größten Chan-<lb/> cen, als „Rhetra“ anerkannt zu werden.</note> und Arkona; die Ranen außer-<lb/> dem noch ausgezeichnet als Seefahrer und ſiegreich über die<lb/> Dänen.</p><lb/> <p>Keiner der <hi rendition="#g">einzelnen</hi> Stämme der märkiſchen Wenden<lb/> konnte nach dieſer Seite hin mit den zwei wendiſchen Hauptſtäm-<lb/> men in Pommern und Mecklenburg (den Ranen und Retariern)<lb/> wetteifern, aber anderſeits fiel den märkiſchen Wenden die Aufgabe<lb/> zu, in den jahrhundertlangen Kämpfen mit dem andringenden<lb/> Deutſchthum beſtändig auf der Vorhut zu ſtehn, und in dem<lb/> Muth, den die Spree- und Havelſtämme in dieſen Kämpfen<lb/> entwickelt haben, wurzelt ihre Bedeutung. Wenn die Ranen,<lb/> und namentlich auch die Retarier, wie ein Stamm Levi, kirch-<lb/> lich vorherrſchten, ſo prävalirten die märkiſchen Wenden poli-<lb/> tiſch. Brandenburg, das wir wohl nicht mit Unrecht als den<lb/> wichtigſten Punkt dieſes märkiſchen Wenden-Landes anſehn,<lb/> wurde neun mal erobert und wieder verloren, ſiebenmal durch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0026]
In Pommern und Mecklenburg-Strelitz: die
Kiſſiner in der Nähe von Güſtrow; die Circipaner um
Wolgaſt herum; die Dolenzer um Demmin und Stolp; die
Ratarer oder Retarier zwiſchen Ober-Havel, Peene und
Tolenſe (nach Raumer bis zur Doſſe); die Woliner auf
Wolin und Uſedom; die Rujanen oder Ranen auf Rügen.
Kleinere eingeſtreute Gaue waren: Sitna oder Ziethen (Groß-
und Klein-Zieten bei Korin); der Murizzi-Gau am Müritz-
See; der Doſſaner Gau an der Doſſe bei Wittſtock.
Unter allen dieſen Völkerſchaften, Stämmen und Stämm-
chen (man könnte ſie Clans nennen) waren wohl die Ranen
und die Retarier die wichtigſten, beide als Hüter der zwei hei-
ligſten Tempelſtätten Rhetra *) und Arkona; die Ranen außer-
dem noch ausgezeichnet als Seefahrer und ſiegreich über die
Dänen.
Keiner der einzelnen Stämme der märkiſchen Wenden
konnte nach dieſer Seite hin mit den zwei wendiſchen Hauptſtäm-
men in Pommern und Mecklenburg (den Ranen und Retariern)
wetteifern, aber anderſeits fiel den märkiſchen Wenden die Aufgabe
zu, in den jahrhundertlangen Kämpfen mit dem andringenden
Deutſchthum beſtändig auf der Vorhut zu ſtehn, und in dem
Muth, den die Spree- und Havelſtämme in dieſen Kämpfen
entwickelt haben, wurzelt ihre Bedeutung. Wenn die Ranen,
und namentlich auch die Retarier, wie ein Stamm Levi, kirch-
lich vorherrſchten, ſo prävalirten die märkiſchen Wenden poli-
tiſch. Brandenburg, das wir wohl nicht mit Unrecht als den
wichtigſten Punkt dieſes märkiſchen Wenden-Landes anſehn,
wurde neun mal erobert und wieder verloren, ſiebenmal durch
*) Darüber wo Rhetra oder Ratare ſtand, ſchwebt noch immer
der Streit. Mann nennt folgende Orte: Stargard (Mecklenburg), Mal-
chin, Röbel (am Müritz-See), Rheſa, Strelitz, Prilwitz, Kuſchwanz.
Der letztere Ort, unpoetiſchen Klanges, hat zur Zeit die größten Chan-
cen, als „Rhetra“ anerkannt zu werden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeFontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |