Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.An einige Grabsteine des mittleren, also des Sanssouci- Nicht weit davon lesen wir: "Hier ruht in Gott Pro- *) Dies einfache "wer war er?" hat mir eine Reprimande "von
jenseit des großen Wassers" zugezogen, die zu eigenthümlich ist, als daß ich sie dem Leser vorenthalten sollte. Dies Bornstädt-Kapitel war vor seinem Erscheinen in diesem Buch in "Ueber Land und Meer" abgedruckt und die betreffende Nummer auch in Quincy am Missisippi, Illinois, gelesen worden; wie es scheint auch von einem Rösel-Freund. Dieser schrieb unterm 17. Oktober 1871 (Poststempel St. Louis 21. Oktober) "... Oh, mein lieber Herr F., röthen sich nicht ihre Wangen über solche Unwissen- heit! Professor R. war ein hervorragender Mann der Berliner Akademie, eine wohlbekannte sehr beliebte Persönlichkeit Anfang der 30 er Jahre, und besonders in den Familien Schadow, Spener, Link, gern gesehen, wo er durch Satyre, Komik und ausgezeichnete Geselligkeit alles zu erheitern wußte. Und nun fragen Sie "wer war er?" Sie haben sich durch diese Frage eine arge Blöße gegeben und wenn ich nicht um Ihrer im letzten Kriege bewiesenen Vaterlandsliebe willen Sie schätzte, würden Sie sich eine öffentliche Rüge zugezogen haben. Nehmen Sie das nicht An einige Grabſteine des mittleren, alſo des Sansſouci- Nicht weit davon leſen wir: „Hier ruht in Gott Pro- *) Dies einfache „wer war er?“ hat mir eine Reprimande „von
jenſeit des großen Waſſers“ zugezogen, die zu eigenthümlich iſt, als daß ich ſie dem Leſer vorenthalten ſollte. Dies Bornſtädt-Kapitel war vor ſeinem Erſcheinen in dieſem Buch in „Ueber Land und Meer“ abgedruckt und die betreffende Nummer auch in Quincy am Miſſiſippi, Illinois, geleſen worden; wie es ſcheint auch von einem Röſel-Freund. Dieſer ſchrieb unterm 17. Oktober 1871 (Poſtſtempel St. Louis 21. Oktober) „… Oh, mein lieber Herr F., röthen ſich nicht ihre Wangen über ſolche Unwiſſen- heit! Profeſſor R. war ein hervorragender Mann der Berliner Akademie, eine wohlbekannte ſehr beliebte Perſönlichkeit Anfang der 30 er Jahre, und beſonders in den Familien Schadow, Spener, Link, gern geſehen, wo er durch Satyre, Komik und ausgezeichnete Geſelligkeit alles zu erheitern wußte. Und nun fragen Sie „wer war er?“ Sie haben ſich durch dieſe Frage eine arge Blöße gegeben und wenn ich nicht um Ihrer im letzten Kriege bewieſenen Vaterlandsliebe willen Sie ſchätzte, würden Sie ſich eine öffentliche Rüge zugezogen haben. Nehmen Sie das nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0268" n="250"/> <p>An einige Grabſteine des mittleren, alſo des Sansſouci-<lb/> Zirkels, treten wir heran; nicht an ſolche, die berühmte Namen<lb/> tragen (obſchon ihrer kein Mangel iſt), ſondern an ſolche, die<lb/> uns zeigen, wie wunderbar gemiſcht die Todten hier ruhen. Da<lb/> ruht zu Füßen eines Säulenſtumpfes Demoiſelle Maria Thereſia<lb/><hi rendition="#g">Calefice</hi>. Wer war ſie? Die Inſchrift gibt keinen Anhalt:<lb/> „Gott und Menſchen lieben, Gutes ohne Selbſtſucht thun, den<lb/> Freund ehren, dem Dürftigen helfen — war ihres Lebens<lb/><hi rendition="#g">Geſchäft</hi>.“ Ein beneidenswerthes Loos. Dazu war ſie in<lb/> der bevorzugten Lage, dieſem „Geſchäft“ 82 Jahre lang obliegen<lb/> zu können. Geb. 1713, geſt. 1795. Wir vermuthen eine<lb/> reponirte Sängerin.</p><lb/> <p>Nicht weit davon leſen wir: „Hier ruht in Gott Pro-<lb/> feſſor Samuel <hi rendition="#g">Röſel</hi>, geb. in Breslau 1769, geſt. 1843.<lb/> „Tretet leiſe an ſein Grab, ihr Männer von edlem Herzen, denn<lb/> er war euch nahe verwandt.“ Wer war er? Ein gußeiſernes<lb/> Gitter, einfach und doch zugleich abweichend von allem Her-<lb/> kömmlichen, ſchließt die Ruheſtätte ein; um die roſtbraunen<lb/> Stäbe winden ſich Vergißmeinnicht-Ranken und zu Häupten<lb/> ſteht eine Hageroſe.<note xml:id="note-0268" next="#note-0269" place="foot" n="*)">Dies einfache „<hi rendition="#g">wer war er</hi>?“ hat mir eine Reprimande „von<lb/> jenſeit des großen Waſſers“ zugezogen, die zu eigenthümlich iſt, als daß<lb/> ich ſie dem Leſer vorenthalten ſollte. Dies Bornſtädt-Kapitel war vor<lb/> ſeinem Erſcheinen in dieſem Buch in „Ueber Land und Meer“ abgedruckt<lb/> und die betreffende Nummer auch in Quincy am Miſſiſippi, Illinois, geleſen<lb/> worden; wie es ſcheint auch von einem Röſel-Freund. Dieſer ſchrieb<lb/> unterm 17. Oktober 1871 (Poſtſtempel St. Louis 21. Oktober) „… Oh,<lb/> mein lieber Herr F., röthen ſich nicht ihre Wangen über ſolche Unwiſſen-<lb/> heit! Profeſſor R. war ein hervorragender Mann der Berliner Akademie,<lb/> eine wohlbekannte ſehr beliebte Perſönlichkeit Anfang der 30 er Jahre, und<lb/> beſonders in den Familien Schadow, Spener, Link, gern geſehen, wo er<lb/> durch Satyre, Komik und ausgezeichnete Geſelligkeit alles zu erheitern<lb/> wußte. Und nun fragen Sie „wer war er?“ Sie haben ſich durch<lb/> dieſe Frage eine arge Blöße gegeben und wenn ich nicht um Ihrer im<lb/> letzten Kriege bewieſenen Vaterlandsliebe willen Sie ſchätzte, würden Sie<lb/> ſich eine <hi rendition="#g">öffentliche</hi> Rüge zugezogen haben. Nehmen Sie das nicht</note></p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [250/0268]
An einige Grabſteine des mittleren, alſo des Sansſouci-
Zirkels, treten wir heran; nicht an ſolche, die berühmte Namen
tragen (obſchon ihrer kein Mangel iſt), ſondern an ſolche, die
uns zeigen, wie wunderbar gemiſcht die Todten hier ruhen. Da
ruht zu Füßen eines Säulenſtumpfes Demoiſelle Maria Thereſia
Calefice. Wer war ſie? Die Inſchrift gibt keinen Anhalt:
„Gott und Menſchen lieben, Gutes ohne Selbſtſucht thun, den
Freund ehren, dem Dürftigen helfen — war ihres Lebens
Geſchäft.“ Ein beneidenswerthes Loos. Dazu war ſie in
der bevorzugten Lage, dieſem „Geſchäft“ 82 Jahre lang obliegen
zu können. Geb. 1713, geſt. 1795. Wir vermuthen eine
reponirte Sängerin.
Nicht weit davon leſen wir: „Hier ruht in Gott Pro-
feſſor Samuel Röſel, geb. in Breslau 1769, geſt. 1843.
„Tretet leiſe an ſein Grab, ihr Männer von edlem Herzen, denn
er war euch nahe verwandt.“ Wer war er? Ein gußeiſernes
Gitter, einfach und doch zugleich abweichend von allem Her-
kömmlichen, ſchließt die Ruheſtätte ein; um die roſtbraunen
Stäbe winden ſich Vergißmeinnicht-Ranken und zu Häupten
ſteht eine Hageroſe. *)
*) Dies einfache „wer war er?“ hat mir eine Reprimande „von
jenſeit des großen Waſſers“ zugezogen, die zu eigenthümlich iſt, als daß
ich ſie dem Leſer vorenthalten ſollte. Dies Bornſtädt-Kapitel war vor
ſeinem Erſcheinen in dieſem Buch in „Ueber Land und Meer“ abgedruckt
und die betreffende Nummer auch in Quincy am Miſſiſippi, Illinois, geleſen
worden; wie es ſcheint auch von einem Röſel-Freund. Dieſer ſchrieb
unterm 17. Oktober 1871 (Poſtſtempel St. Louis 21. Oktober) „… Oh,
mein lieber Herr F., röthen ſich nicht ihre Wangen über ſolche Unwiſſen-
heit! Profeſſor R. war ein hervorragender Mann der Berliner Akademie,
eine wohlbekannte ſehr beliebte Perſönlichkeit Anfang der 30 er Jahre, und
beſonders in den Familien Schadow, Spener, Link, gern geſehen, wo er
durch Satyre, Komik und ausgezeichnete Geſelligkeit alles zu erheitern
wußte. Und nun fragen Sie „wer war er?“ Sie haben ſich durch
dieſe Frage eine arge Blöße gegeben und wenn ich nicht um Ihrer im
letzten Kriege bewieſenen Vaterlandsliebe willen Sie ſchätzte, würden Sie
ſich eine öffentliche Rüge zugezogen haben. Nehmen Sie das nicht
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