Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

An einige Grabsteine des mittleren, also des Sanssouci-
Zirkels, treten wir heran; nicht an solche, die berühmte Namen
tragen (obschon ihrer kein Mangel ist), sondern an solche, die
uns zeigen, wie wunderbar gemischt die Todten hier ruhen. Da
ruht zu Füßen eines Säulenstumpfes Demoiselle Maria Theresia
Calefice. Wer war sie? Die Inschrift gibt keinen Anhalt:
"Gott und Menschen lieben, Gutes ohne Selbstsucht thun, den
Freund ehren, dem Dürftigen helfen -- war ihres Lebens
Geschäft." Ein beneidenswerthes Loos. Dazu war sie in
der bevorzugten Lage, diesem "Geschäft" 82 Jahre lang obliegen
zu können. Geb. 1713, gest. 1795. Wir vermuthen eine
reponirte Sängerin.

Nicht weit davon lesen wir: "Hier ruht in Gott Pro-
fessor Samuel Rösel, geb. in Breslau 1769, gest. 1843.
"Tretet leise an sein Grab, ihr Männer von edlem Herzen, denn
er war euch nahe verwandt." Wer war er? Ein gußeisernes
Gitter, einfach und doch zugleich abweichend von allem Her-
kömmlichen, schließt die Ruhestätte ein; um die rostbraunen
Stäbe winden sich Vergißmeinnicht-Ranken und zu Häupten
steht eine Hagerose.*)

*) Dies einfache "wer war er?" hat mir eine Reprimande "von
jenseit des großen Wassers" zugezogen, die zu eigenthümlich ist, als daß
ich sie dem Leser vorenthalten sollte. Dies Bornstädt-Kapitel war vor
seinem Erscheinen in diesem Buch in "Ueber Land und Meer" abgedruckt
und die betreffende Nummer auch in Quincy am Missisippi, Illinois, gelesen
worden; wie es scheint auch von einem Rösel-Freund. Dieser schrieb
unterm 17. Oktober 1871 (Poststempel St. Louis 21. Oktober) "... Oh,
mein lieber Herr F., röthen sich nicht ihre Wangen über solche Unwissen-
heit! Professor R. war ein hervorragender Mann der Berliner Akademie,
eine wohlbekannte sehr beliebte Persönlichkeit Anfang der 30 er Jahre, und
besonders in den Familien Schadow, Spener, Link, gern gesehen, wo er
durch Satyre, Komik und ausgezeichnete Geselligkeit alles zu erheitern
wußte. Und nun fragen Sie "wer war er?" Sie haben sich durch
diese Frage eine arge Blöße gegeben und wenn ich nicht um Ihrer im
letzten Kriege bewiesenen Vaterlandsliebe willen Sie schätzte, würden Sie
sich eine öffentliche Rüge zugezogen haben. Nehmen Sie das nicht

An einige Grabſteine des mittleren, alſo des Sansſouci-
Zirkels, treten wir heran; nicht an ſolche, die berühmte Namen
tragen (obſchon ihrer kein Mangel iſt), ſondern an ſolche, die
uns zeigen, wie wunderbar gemiſcht die Todten hier ruhen. Da
ruht zu Füßen eines Säulenſtumpfes Demoiſelle Maria Thereſia
Calefice. Wer war ſie? Die Inſchrift gibt keinen Anhalt:
„Gott und Menſchen lieben, Gutes ohne Selbſtſucht thun, den
Freund ehren, dem Dürftigen helfen — war ihres Lebens
Geſchäft.“ Ein beneidenswerthes Loos. Dazu war ſie in
der bevorzugten Lage, dieſem „Geſchäft“ 82 Jahre lang obliegen
zu können. Geb. 1713, geſt. 1795. Wir vermuthen eine
reponirte Sängerin.

Nicht weit davon leſen wir: „Hier ruht in Gott Pro-
feſſor Samuel Röſel, geb. in Breslau 1769, geſt. 1843.
„Tretet leiſe an ſein Grab, ihr Männer von edlem Herzen, denn
er war euch nahe verwandt.“ Wer war er? Ein gußeiſernes
Gitter, einfach und doch zugleich abweichend von allem Her-
kömmlichen, ſchließt die Ruheſtätte ein; um die roſtbraunen
Stäbe winden ſich Vergißmeinnicht-Ranken und zu Häupten
ſteht eine Hageroſe.*)

*) Dies einfache „wer war er?“ hat mir eine Reprimande „von
jenſeit des großen Waſſers“ zugezogen, die zu eigenthümlich iſt, als daß
ich ſie dem Leſer vorenthalten ſollte. Dies Bornſtädt-Kapitel war vor
ſeinem Erſcheinen in dieſem Buch in „Ueber Land und Meer“ abgedruckt
und die betreffende Nummer auch in Quincy am Miſſiſippi, Illinois, geleſen
worden; wie es ſcheint auch von einem Röſel-Freund. Dieſer ſchrieb
unterm 17. Oktober 1871 (Poſtſtempel St. Louis 21. Oktober) „… Oh,
mein lieber Herr F., röthen ſich nicht ihre Wangen über ſolche Unwiſſen-
heit! Profeſſor R. war ein hervorragender Mann der Berliner Akademie,
eine wohlbekannte ſehr beliebte Perſönlichkeit Anfang der 30 er Jahre, und
beſonders in den Familien Schadow, Spener, Link, gern geſehen, wo er
durch Satyre, Komik und ausgezeichnete Geſelligkeit alles zu erheitern
wußte. Und nun fragen Sie „wer war er?“ Sie haben ſich durch
dieſe Frage eine arge Blöße gegeben und wenn ich nicht um Ihrer im
letzten Kriege bewieſenen Vaterlandsliebe willen Sie ſchätzte, würden Sie
ſich eine öffentliche Rüge zugezogen haben. Nehmen Sie das nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0268" n="250"/>
        <p>An einige Grab&#x017F;teine des mittleren, al&#x017F;o des Sans&#x017F;ouci-<lb/>
Zirkels, treten wir heran; nicht an &#x017F;olche, die berühmte Namen<lb/>
tragen (ob&#x017F;chon ihrer kein Mangel i&#x017F;t), &#x017F;ondern an &#x017F;olche, die<lb/>
uns zeigen, wie wunderbar gemi&#x017F;cht die Todten hier ruhen. Da<lb/>
ruht zu Füßen eines Säulen&#x017F;tumpfes Demoi&#x017F;elle Maria There&#x017F;ia<lb/><hi rendition="#g">Calefice</hi>. Wer war &#x017F;ie? Die In&#x017F;chrift gibt keinen Anhalt:<lb/>
&#x201E;Gott und Men&#x017F;chen lieben, Gutes ohne Selb&#x017F;t&#x017F;ucht thun, den<lb/>
Freund ehren, dem Dürftigen helfen &#x2014; war ihres Lebens<lb/><hi rendition="#g">Ge&#x017F;chäft</hi>.&#x201C; Ein beneidenswerthes Loos. Dazu war &#x017F;ie in<lb/>
der bevorzugten Lage, die&#x017F;em &#x201E;Ge&#x017F;chäft&#x201C; 82 Jahre lang obliegen<lb/>
zu können. Geb. 1713, ge&#x017F;t. 1795. Wir vermuthen eine<lb/>
reponirte Sängerin.</p><lb/>
        <p>Nicht weit davon le&#x017F;en wir: &#x201E;Hier ruht in Gott Pro-<lb/>
fe&#x017F;&#x017F;or Samuel <hi rendition="#g">&#x017F;el</hi>, geb. in Breslau 1769, ge&#x017F;t. 1843.<lb/>
&#x201E;Tretet lei&#x017F;e an &#x017F;ein Grab, ihr Männer von edlem Herzen, denn<lb/>
er war euch nahe verwandt.&#x201C; Wer war er? Ein gußei&#x017F;ernes<lb/>
Gitter, einfach und doch zugleich abweichend von allem Her-<lb/>
kömmlichen, &#x017F;chließt die Ruhe&#x017F;tätte ein; um die ro&#x017F;tbraunen<lb/>
Stäbe winden &#x017F;ich Vergißmeinnicht-Ranken und zu Häupten<lb/>
&#x017F;teht eine Hagero&#x017F;e.<note xml:id="note-0268" next="#note-0269" place="foot" n="*)">Dies einfache &#x201E;<hi rendition="#g">wer war er</hi>?&#x201C; hat mir eine Reprimande &#x201E;von<lb/>
jen&#x017F;eit des großen Wa&#x017F;&#x017F;ers&#x201C; zugezogen, die zu eigenthümlich i&#x017F;t, als daß<lb/>
ich &#x017F;ie dem Le&#x017F;er vorenthalten &#x017F;ollte. Dies Born&#x017F;tädt-Kapitel war vor<lb/>
&#x017F;einem Er&#x017F;cheinen in die&#x017F;em Buch in &#x201E;Ueber Land und Meer&#x201C; abgedruckt<lb/>
und die betreffende Nummer auch in Quincy am Mi&#x017F;&#x017F;i&#x017F;ippi, Illinois, gele&#x017F;en<lb/>
worden; wie es &#x017F;cheint auch von einem Rö&#x017F;el-Freund. Die&#x017F;er &#x017F;chrieb<lb/>
unterm 17. Oktober 1871 (Po&#x017F;t&#x017F;tempel St. Louis 21. Oktober) &#x201E;&#x2026; Oh,<lb/>
mein lieber Herr F., röthen &#x017F;ich nicht ihre Wangen über &#x017F;olche Unwi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
heit! Profe&#x017F;&#x017F;or R. war ein hervorragender Mann der Berliner Akademie,<lb/>
eine wohlbekannte &#x017F;ehr beliebte Per&#x017F;önlichkeit Anfang der 30 er Jahre, und<lb/>
be&#x017F;onders in den Familien Schadow, Spener, Link, gern ge&#x017F;ehen, wo er<lb/>
durch Satyre, Komik und ausgezeichnete Ge&#x017F;elligkeit alles zu erheitern<lb/>
wußte. Und nun fragen Sie &#x201E;wer war er?&#x201C; Sie haben &#x017F;ich durch<lb/>
die&#x017F;e Frage eine arge Blöße gegeben und wenn ich nicht um Ihrer im<lb/>
letzten Kriege bewie&#x017F;enen Vaterlandsliebe willen Sie &#x017F;chätzte, würden Sie<lb/>
&#x017F;ich eine <hi rendition="#g">öffentliche</hi> Rüge zugezogen haben. Nehmen Sie das nicht</note></p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0268] An einige Grabſteine des mittleren, alſo des Sansſouci- Zirkels, treten wir heran; nicht an ſolche, die berühmte Namen tragen (obſchon ihrer kein Mangel iſt), ſondern an ſolche, die uns zeigen, wie wunderbar gemiſcht die Todten hier ruhen. Da ruht zu Füßen eines Säulenſtumpfes Demoiſelle Maria Thereſia Calefice. Wer war ſie? Die Inſchrift gibt keinen Anhalt: „Gott und Menſchen lieben, Gutes ohne Selbſtſucht thun, den Freund ehren, dem Dürftigen helfen — war ihres Lebens Geſchäft.“ Ein beneidenswerthes Loos. Dazu war ſie in der bevorzugten Lage, dieſem „Geſchäft“ 82 Jahre lang obliegen zu können. Geb. 1713, geſt. 1795. Wir vermuthen eine reponirte Sängerin. Nicht weit davon leſen wir: „Hier ruht in Gott Pro- feſſor Samuel Röſel, geb. in Breslau 1769, geſt. 1843. „Tretet leiſe an ſein Grab, ihr Männer von edlem Herzen, denn er war euch nahe verwandt.“ Wer war er? Ein gußeiſernes Gitter, einfach und doch zugleich abweichend von allem Her- kömmlichen, ſchließt die Ruheſtätte ein; um die roſtbraunen Stäbe winden ſich Vergißmeinnicht-Ranken und zu Häupten ſteht eine Hageroſe. *) *) Dies einfache „wer war er?“ hat mir eine Reprimande „von jenſeit des großen Waſſers“ zugezogen, die zu eigenthümlich iſt, als daß ich ſie dem Leſer vorenthalten ſollte. Dies Bornſtädt-Kapitel war vor ſeinem Erſcheinen in dieſem Buch in „Ueber Land und Meer“ abgedruckt und die betreffende Nummer auch in Quincy am Miſſiſippi, Illinois, geleſen worden; wie es ſcheint auch von einem Röſel-Freund. Dieſer ſchrieb unterm 17. Oktober 1871 (Poſtſtempel St. Louis 21. Oktober) „… Oh, mein lieber Herr F., röthen ſich nicht ihre Wangen über ſolche Unwiſſen- heit! Profeſſor R. war ein hervorragender Mann der Berliner Akademie, eine wohlbekannte ſehr beliebte Perſönlichkeit Anfang der 30 er Jahre, und beſonders in den Familien Schadow, Spener, Link, gern geſehen, wo er durch Satyre, Komik und ausgezeichnete Geſelligkeit alles zu erheitern wußte. Und nun fragen Sie „wer war er?“ Sie haben ſich durch dieſe Frage eine arge Blöße gegeben und wenn ich nicht um Ihrer im letzten Kriege bewieſenen Vaterlandsliebe willen Sie ſchätzte, würden Sie ſich eine öffentliche Rüge zugezogen haben. Nehmen Sie das nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/268
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/268>, abgerufen am 23.11.2024.