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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Zunächst seine Form und Einrichtung. Um beide zu
schildern, greifen wir nach einem Bilde, das vor einigen Jahren,
als es galt das Pariser Ausstellungsgebäude anschaulich zu
beschreiben, vielfach gebraucht wurde. Wir modificiren es nur.
Denken wir uns also eine gewöhnliche runde Torte, aus der wir
das Mittel- oder Nußstück herausgeschnitten und durch eine
schlanke Weinflasche ersetzt haben, so haben wir das getreue
Abbild eines Ringofens. Denken wir uns dazu die Torte in
zwölf gleich große Stücke zerschnitten, so haben wir auch die
Einrichtung des Ofens: sein Zwölfkammer-System. Die in
der Mitte aufragende Weinflasche ist natürlich der Schornstein.

Das Verfahren ist nun folgendes. In vier oder fünf der
vorhandenen, durch Seitenöffnungen mit einander verbundenen
Kammern werden die getrockneten Steine eingekarrt, in jede
Kammer 12,000. Ist dies geschehen, so wird die Gesammtheit der
erwähnten vier oder fünf Kammern durch zwei große Eisenschieber,
der eine links, der andere rechts, von dem Reste der Kammern
abgesperrt. Nun beginnt man in Kammer 1. ein Feuer zu
machen, nährt es, indem man von oben her durch runde Löcher
ein bestimmtes Quantum von Brennmaterial niederschüttet*)
und hat nach 24 Stunden die 12,000 Steine der ersten Kammer
völlig gebrannt. Aber (und darin liegt das Sparsystem) während
man in Kammer 1. eine für 12,000 Steine ausreichende Roth-
gluth unterhielt, wurden die Nachbarsteine in Kammer 2. halb,
in Kammer 3. ein Drittel fertig gebrannt und die Steine in

*) Die Feuerung geschieht von oben her durch eine runde Oeffnung;
ein eiserner Stülpdeckel von der Form eines Cylinderhuts (dessen Krämpe
übergreift) schließt die Oeffnung und wird abgenommen, so oft ein Nach-
schütten nöthig ist. Man sieht dann, wie durch eine schmale Esse, in die
Kammer hinein und hat die aufgethürmten, rothglühenden Steine unter
sich. Der Anblick, den man sich nur verschaffen kann, indem man auf
die Gewölbedecke der Kammer tritt, hat etwas im höchsten Grade Un-
heimliches und Beängstigendes. Man steht über einer Hölle und blickt
in sie hinab. Eine Schicht Steine, vielleicht kaum einen Fuß dick, trennt
den Obenstehenden von dieser Unterwelt und der Gedanke hat etwas
Grausiges: wenn jetzt dies Gewölbe --

Zunächſt ſeine Form und Einrichtung. Um beide zu
ſchildern, greifen wir nach einem Bilde, das vor einigen Jahren,
als es galt das Pariſer Ausſtellungsgebäude anſchaulich zu
beſchreiben, vielfach gebraucht wurde. Wir modificiren es nur.
Denken wir uns alſo eine gewöhnliche runde Torte, aus der wir
das Mittel- oder Nußſtück herausgeſchnitten und durch eine
ſchlanke Weinflaſche erſetzt haben, ſo haben wir das getreue
Abbild eines Ringofens. Denken wir uns dazu die Torte in
zwölf gleich große Stücke zerſchnitten, ſo haben wir auch die
Einrichtung des Ofens: ſein Zwölfkammer-Syſtem. Die in
der Mitte aufragende Weinflaſche iſt natürlich der Schornſtein.

Das Verfahren iſt nun folgendes. In vier oder fünf der
vorhandenen, durch Seitenöffnungen mit einander verbundenen
Kammern werden die getrockneten Steine eingekarrt, in jede
Kammer 12,000. Iſt dies geſchehen, ſo wird die Geſammtheit der
erwähnten vier oder fünf Kammern durch zwei große Eiſenſchieber,
der eine links, der andere rechts, von dem Reſte der Kammern
abgeſperrt. Nun beginnt man in Kammer 1. ein Feuer zu
machen, nährt es, indem man von oben her durch runde Löcher
ein beſtimmtes Quantum von Brennmaterial niederſchüttet*)
und hat nach 24 Stunden die 12,000 Steine der erſten Kammer
völlig gebrannt. Aber (und darin liegt das Sparſyſtem) während
man in Kammer 1. eine für 12,000 Steine ausreichende Roth-
gluth unterhielt, wurden die Nachbarſteine in Kammer 2. halb,
in Kammer 3. ein Drittel fertig gebrannt und die Steine in

*) Die Feuerung geſchieht von oben her durch eine runde Oeffnung;
ein eiſerner Stülpdeckel von der Form eines Cylinderhuts (deſſen Krämpe
übergreift) ſchließt die Oeffnung und wird abgenommen, ſo oft ein Nach-
ſchütten nöthig iſt. Man ſieht dann, wie durch eine ſchmale Eſſe, in die
Kammer hinein und hat die aufgethürmten, rothglühenden Steine unter
ſich. Der Anblick, den man ſich nur verſchaffen kann, indem man auf
die Gewölbedecke der Kammer tritt, hat etwas im höchſten Grade Un-
heimliches und Beängſtigendes. Man ſteht über einer Hölle und blickt
in ſie hinab. Eine Schicht Steine, vielleicht kaum einen Fuß dick, trennt
den Obenſtehenden von dieſer Unterwelt und der Gedanke hat etwas
Grauſiges: wenn jetzt dies Gewölbe —
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[244/0262] Zunächſt ſeine Form und Einrichtung. Um beide zu ſchildern, greifen wir nach einem Bilde, das vor einigen Jahren, als es galt das Pariſer Ausſtellungsgebäude anſchaulich zu beſchreiben, vielfach gebraucht wurde. Wir modificiren es nur. Denken wir uns alſo eine gewöhnliche runde Torte, aus der wir das Mittel- oder Nußſtück herausgeſchnitten und durch eine ſchlanke Weinflaſche erſetzt haben, ſo haben wir das getreue Abbild eines Ringofens. Denken wir uns dazu die Torte in zwölf gleich große Stücke zerſchnitten, ſo haben wir auch die Einrichtung des Ofens: ſein Zwölfkammer-Syſtem. Die in der Mitte aufragende Weinflaſche iſt natürlich der Schornſtein. Das Verfahren iſt nun folgendes. In vier oder fünf der vorhandenen, durch Seitenöffnungen mit einander verbundenen Kammern werden die getrockneten Steine eingekarrt, in jede Kammer 12,000. Iſt dies geſchehen, ſo wird die Geſammtheit der erwähnten vier oder fünf Kammern durch zwei große Eiſenſchieber, der eine links, der andere rechts, von dem Reſte der Kammern abgeſperrt. Nun beginnt man in Kammer 1. ein Feuer zu machen, nährt es, indem man von oben her durch runde Löcher ein beſtimmtes Quantum von Brennmaterial niederſchüttet *) und hat nach 24 Stunden die 12,000 Steine der erſten Kammer völlig gebrannt. Aber (und darin liegt das Sparſyſtem) während man in Kammer 1. eine für 12,000 Steine ausreichende Roth- gluth unterhielt, wurden die Nachbarſteine in Kammer 2. halb, in Kammer 3. ein Drittel fertig gebrannt und die Steine in *) Die Feuerung geſchieht von oben her durch eine runde Oeffnung; ein eiſerner Stülpdeckel von der Form eines Cylinderhuts (deſſen Krämpe übergreift) ſchließt die Oeffnung und wird abgenommen, ſo oft ein Nach- ſchütten nöthig iſt. Man ſieht dann, wie durch eine ſchmale Eſſe, in die Kammer hinein und hat die aufgethürmten, rothglühenden Steine unter ſich. Der Anblick, den man ſich nur verſchaffen kann, indem man auf die Gewölbedecke der Kammer tritt, hat etwas im höchſten Grade Un- heimliches und Beängſtigendes. Man ſteht über einer Hölle und blickt in ſie hinab. Eine Schicht Steine, vielleicht kaum einen Fuß dick, trennt den Obenſtehenden von dieſer Unterwelt und der Gedanke hat etwas Grauſiges: wenn jetzt dies Gewölbe —

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/262>, abgerufen am 21.05.2024.