die bebenden Lippen zu bringen. Dagegen vernahm er nun seinerseits von den heraufbeschworenen Geistern strenge Worte, drohende Strafreden und die Ermahnung, auf den Pfad der Tugend zurückzukehren. Er rief mit banger Stimme nach seinen Freunden; er bat inständig, den Zauber zu lösen und ihn von seiner Todesangst zu befreien. Nach einigem Zögern trat Bischofswerder in das Cabinet und führte den zum Tode Er- schöpften nach seinem Wagen. Er verlangte zur Lichtenau zurück- gebracht zu werden, ein Wunsch, dem nicht nachgegeben wurde. So kehrte er noch während derselben Nacht nach Potsdam zurück.
Das war, wie schon angedeutet, muthmaßlich Anfang der 90er Jahre. Bestimmte Zeitangaben fehlen.
Von jenem Abend an stand das Belvedere 50 Jahre lang leer. Es war, als wäre es an dieser Stelle nur aus der Erde gewachsen, um als Roccoco-Schaubühne für eine Geister- komödie, hinterher aber um als Wahrzeichen dafür zu dienen, daß das alles einstens wirklich war.
Durch ein halbes Jahrhundert hin waren alle diese Plätze verfehmt. Marmorpalais, Belvedere, Marquardt, das Ekkardt- steinsche Haus, auch andre noch, man mied sie, man nannte sie kaum. Erst Friedrich Wilhelm IV., innerlich freier, machte einen Versuch, den Bann der 90er Jahre zu durchbrechen. Das Marmorpalais sah wieder Gondeln an seiner Treppe; die Miniatur-Büste der Lichtenau, ein Chef d'oeuvre, wurde an altem Platze aufgestellt; was einst Abneigung erweckt hatte, weckte nur noch Interesse. Auch das Belvedere schien wieder zu Ehren kommen zu sollen. Von seinem Balkone aus sah der heitere König, dessen eigene sittliche Integrität ihm die Milde (auch nach dieser Seite hin) zum Bedürfniß machte, in Däm- merstunden, beim Theegeplauder, das Spreethal hinunter, freute sich der Segelkähne, die kamen und gingen, der langen Züge, die rasselnd, dampfend, vorübersausten, der dunklen Flächen des Grunewaldes hier, der Jungfernhaide dort, endlich des rothen Spandauer Thurms, der die Zickzack-Festungswerke drüben am westlichen Horizont hoch überragte.
die bebenden Lippen zu bringen. Dagegen vernahm er nun ſeinerſeits von den heraufbeſchworenen Geiſtern ſtrenge Worte, drohende Strafreden und die Ermahnung, auf den Pfad der Tugend zurückzukehren. Er rief mit banger Stimme nach ſeinen Freunden; er bat inſtändig, den Zauber zu löſen und ihn von ſeiner Todesangſt zu befreien. Nach einigem Zögern trat Biſchofswerder in das Cabinet und führte den zum Tode Er- ſchöpften nach ſeinem Wagen. Er verlangte zur Lichtenau zurück- gebracht zu werden, ein Wunſch, dem nicht nachgegeben wurde. So kehrte er noch während derſelben Nacht nach Potsdam zurück.
Das war, wie ſchon angedeutet, muthmaßlich Anfang der 90er Jahre. Beſtimmte Zeitangaben fehlen.
Von jenem Abend an ſtand das Belvedère 50 Jahre lang leer. Es war, als wäre es an dieſer Stelle nur aus der Erde gewachſen, um als Roccoco-Schaubühne für eine Geiſter- komödie, hinterher aber um als Wahrzeichen dafür zu dienen, daß das alles einſtens wirklich war.
Durch ein halbes Jahrhundert hin waren alle dieſe Plätze verfehmt. Marmorpalais, Belvedère, Marquardt, das Ekkardt- ſteinſche Haus, auch andre noch, man mied ſie, man nannte ſie kaum. Erſt Friedrich Wilhelm IV., innerlich freier, machte einen Verſuch, den Bann der 90er Jahre zu durchbrechen. Das Marmorpalais ſah wieder Gondeln an ſeiner Treppe; die Miniatur-Büſte der Lichtenau, ein Chef d’oeuvre, wurde an altem Platze aufgeſtellt; was einſt Abneigung erweckt hatte, weckte nur noch Intereſſe. Auch das Belvedère ſchien wieder zu Ehren kommen zu ſollen. Von ſeinem Balkone aus ſah der heitere König, deſſen eigene ſittliche Integrität ihm die Milde (auch nach dieſer Seite hin) zum Bedürfniß machte, in Däm- merſtunden, beim Theegeplauder, das Spreethal hinunter, freute ſich der Segelkähne, die kamen und gingen, der langen Züge, die raſſelnd, dampfend, vorüberſauſten, der dunklen Flächen des Grunewaldes hier, der Jungfernhaide dort, endlich des rothen Spandauer Thurms, der die Zickzack-Feſtungswerke drüben am weſtlichen Horizont hoch überragte.
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die bebenden Lippen zu bringen. Dagegen vernahm er nun
ſeinerſeits von den heraufbeſchworenen Geiſtern ſtrenge Worte,
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Tugend zurückzukehren. Er rief mit banger Stimme nach ſeinen
Freunden; er bat inſtändig, den Zauber zu löſen und ihn von
ſeiner Todesangſt zu befreien. Nach einigem Zögern trat
Biſchofswerder in das Cabinet und führte den zum Tode Er-
ſchöpften nach ſeinem Wagen. Er verlangte zur Lichtenau zurück-
gebracht zu werden, ein Wunſch, dem nicht nachgegeben wurde.
So kehrte er noch während derſelben Nacht nach Potsdam zurück.
Das war, wie ſchon angedeutet, muthmaßlich Anfang der
90er Jahre. Beſtimmte Zeitangaben fehlen.
Von jenem Abend an ſtand das Belvedère 50 Jahre
lang leer. Es war, als wäre es an dieſer Stelle nur aus der
Erde gewachſen, um als Roccoco-Schaubühne für eine Geiſter-
komödie, hinterher aber um als Wahrzeichen dafür zu dienen,
daß das alles einſtens wirklich war.
Durch ein halbes Jahrhundert hin waren alle dieſe Plätze
verfehmt. Marmorpalais, Belvedère, Marquardt, das Ekkardt-
ſteinſche Haus, auch andre noch, man mied ſie, man nannte ſie
kaum. Erſt Friedrich Wilhelm IV., innerlich freier, machte
einen Verſuch, den Bann der 90er Jahre zu durchbrechen. Das
Marmorpalais ſah wieder Gondeln an ſeiner Treppe; die
Miniatur-Büſte der Lichtenau, ein Chef d’oeuvre, wurde an
altem Platze aufgeſtellt; was einſt Abneigung erweckt hatte,
weckte nur noch Intereſſe. Auch das Belvedère ſchien wieder
zu Ehren kommen zu ſollen. Von ſeinem Balkone aus ſah der
heitere König, deſſen eigene ſittliche Integrität ihm die Milde
(auch nach dieſer Seite hin) zum Bedürfniß machte, in Däm-
merſtunden, beim Theegeplauder, das Spreethal hinunter, freute
ſich der Segelkähne, die kamen und gingen, der langen Züge,
die raſſelnd, dampfend, vorüberſauſten, der dunklen Flächen des
Grunewaldes hier, der Jungfernhaide dort, endlich des rothen
Spandauer Thurms, der die Zickzack-Feſtungswerke drüben am
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/160>, abgerufen am 21.11.2024.
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