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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Reliefdarstellungen aus dem Apollo- und Diana-Mythus um-
ziehen, halb fries-, halb supraportenartig, die obere Rundung,
während Ottomanen und Polsterstühle, in ihren Lehnen selbst
wieder geschweift, dem Rund der unteren Boissirung folgen.
Zahlreiche Bilder, meist englische Stiche nach den Dramen
Shakespeare's, stehen gruppenweis, die Rückseite nach vorn, an
den Wänden umher. Die dunkle Täflung, dazu der blaue
Moire, der alle Polster überzieht, geben dem Zimmer einen fest-
lichen, beinah ernsten Charakter.

Anders der Rundsaal des zweiten Stockes. Hier ist dieselbe
Art der Ausschmückung, aber in's Heitere übertragen. Wie
dort Braun und ein tieferes Blau den Ton angeben, so lacht
hier Alles in Weiß und Roth und Gold. Consolen, mit Thon-
gefäßen in gefälliger Form, laufen guirlandenartig um die
Rundung her, und die scharlachnen Seidenüberzüge, als sei es
an ihrer leuchtenden Pracht nicht genug, haben ihr Roth noch
mit bunten Malereien, mit Blumen und Bouquets geschmückt.
Wie im Zimmer des ersten Stocks, so lehnen sich auch hier zwei
Balkons und ein Cabinet an den Rundbau an; das Cabinet
marmorirt und mit Goldbroncen reich verziert.

In diesem Cabinet, nur durch zwei halb zurückgeschlagene
Gardinen von dem Rundsaal getrennt, saß König Friedrich Wil-
helm II. Es war in den ersten Jahren seiner Regierung.
Eine Aufführung schien sich, mit einer Art von Feierlichkeit vor-
zubereiten. Und so war es. In den goldbroncenen Wand-
leuchtern brannten ein paar Kerzen, aber ihr Licht, durch die
schweren Gardinen zurückgehalten, fiel nur in einzelnen Streifen
nach vorn hin in den Saal.

In diesem herrschte Dämmer. Der König hatte den Wunsch
ausgesprochen, die Geister Marc Aurel's, des Großen Kurfürsten
und des Philosophen Leibnitz erscheinen zu sehen. Und sie
erschienen. Wie man dabei verfuhr, darüber bericht' ich an ande-
rer Stelle. Nur dies noch. Dem Könige war gestattet worden,
Fragen an die Abgeschiedenen zu richten; er machte den Versuch,
aber umsonst. Es gelang ihm nicht, auch nur einen Laut über

Reliefdarſtellungen aus dem Apollo- und Diana-Mythus um-
ziehen, halb fries-, halb ſupraportenartig, die obere Rundung,
während Ottomanen und Polſterſtühle, in ihren Lehnen ſelbſt
wieder geſchweift, dem Rund der unteren Boiſſirung folgen.
Zahlreiche Bilder, meiſt engliſche Stiche nach den Dramen
Shakeſpeare’s, ſtehen gruppenweis, die Rückſeite nach vorn, an
den Wänden umher. Die dunkle Täflung, dazu der blaue
Moiré, der alle Polſter überzieht, geben dem Zimmer einen feſt-
lichen, beinah ernſten Charakter.

Anders der Rundſaal des zweiten Stockes. Hier iſt dieſelbe
Art der Ausſchmückung, aber in’s Heitere übertragen. Wie
dort Braun und ein tieferes Blau den Ton angeben, ſo lacht
hier Alles in Weiß und Roth und Gold. Conſolen, mit Thon-
gefäßen in gefälliger Form, laufen guirlandenartig um die
Rundung her, und die ſcharlachnen Seidenüberzüge, als ſei es
an ihrer leuchtenden Pracht nicht genug, haben ihr Roth noch
mit bunten Malereien, mit Blumen und Bouquets geſchmückt.
Wie im Zimmer des erſten Stocks, ſo lehnen ſich auch hier zwei
Balkons und ein Cabinet an den Rundbau an; das Cabinet
marmorirt und mit Goldbroncen reich verziert.

In dieſem Cabinet, nur durch zwei halb zurückgeſchlagene
Gardinen von dem Rundſaal getrennt, ſaß König Friedrich Wil-
helm II. Es war in den erſten Jahren ſeiner Regierung.
Eine Aufführung ſchien ſich, mit einer Art von Feierlichkeit vor-
zubereiten. Und ſo war es. In den goldbroncenen Wand-
leuchtern brannten ein paar Kerzen, aber ihr Licht, durch die
ſchweren Gardinen zurückgehalten, fiel nur in einzelnen Streifen
nach vorn hin in den Saal.

In dieſem herrſchte Dämmer. Der König hatte den Wunſch
ausgeſprochen, die Geiſter Marc Aurel’s, des Großen Kurfürſten
und des Philoſophen Leibnitz erſcheinen zu ſehen. Und ſie
erſchienen. Wie man dabei verfuhr, darüber bericht’ ich an ande-
rer Stelle. Nur dies noch. Dem Könige war geſtattet worden,
Fragen an die Abgeſchiedenen zu richten; er machte den Verſuch,
aber umſonſt. Es gelang ihm nicht, auch nur einen Laut über

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[141/0159] Reliefdarſtellungen aus dem Apollo- und Diana-Mythus um- ziehen, halb fries-, halb ſupraportenartig, die obere Rundung, während Ottomanen und Polſterſtühle, in ihren Lehnen ſelbſt wieder geſchweift, dem Rund der unteren Boiſſirung folgen. Zahlreiche Bilder, meiſt engliſche Stiche nach den Dramen Shakeſpeare’s, ſtehen gruppenweis, die Rückſeite nach vorn, an den Wänden umher. Die dunkle Täflung, dazu der blaue Moiré, der alle Polſter überzieht, geben dem Zimmer einen feſt- lichen, beinah ernſten Charakter. Anders der Rundſaal des zweiten Stockes. Hier iſt dieſelbe Art der Ausſchmückung, aber in’s Heitere übertragen. Wie dort Braun und ein tieferes Blau den Ton angeben, ſo lacht hier Alles in Weiß und Roth und Gold. Conſolen, mit Thon- gefäßen in gefälliger Form, laufen guirlandenartig um die Rundung her, und die ſcharlachnen Seidenüberzüge, als ſei es an ihrer leuchtenden Pracht nicht genug, haben ihr Roth noch mit bunten Malereien, mit Blumen und Bouquets geſchmückt. Wie im Zimmer des erſten Stocks, ſo lehnen ſich auch hier zwei Balkons und ein Cabinet an den Rundbau an; das Cabinet marmorirt und mit Goldbroncen reich verziert. In dieſem Cabinet, nur durch zwei halb zurückgeſchlagene Gardinen von dem Rundſaal getrennt, ſaß König Friedrich Wil- helm II. Es war in den erſten Jahren ſeiner Regierung. Eine Aufführung ſchien ſich, mit einer Art von Feierlichkeit vor- zubereiten. Und ſo war es. In den goldbroncenen Wand- leuchtern brannten ein paar Kerzen, aber ihr Licht, durch die ſchweren Gardinen zurückgehalten, fiel nur in einzelnen Streifen nach vorn hin in den Saal. In dieſem herrſchte Dämmer. Der König hatte den Wunſch ausgeſprochen, die Geiſter Marc Aurel’s, des Großen Kurfürſten und des Philoſophen Leibnitz erſcheinen zu ſehen. Und ſie erſchienen. Wie man dabei verfuhr, darüber bericht’ ich an ande- rer Stelle. Nur dies noch. Dem Könige war geſtattet worden, Fragen an die Abgeſchiedenen zu richten; er machte den Verſuch, aber umſonſt. Es gelang ihm nicht, auch nur einen Laut über

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/159>, abgerufen am 06.05.2024.