Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.So weichen selbst protestantische Beurtheiler unter ein- Es wird also schwerlich jemals glücken, aus dem Geist Endlich führet das Scepter, der der Letzte seines Stammes sein wird, Israel wagt eine unnennbare, nur durch den Tod zu sühnende That, Und der Hirt empfängt die Heerde, Deutschland einen König wieder. Die Mark vergißt gänzlich aller ihrer Leiden Und wagt die Ihrigen allein zu hegen, und kein Fremdling darf mehr frohlocken, Und die alten Mauern von Lehnin und Chorin werden wieder erstehen, Und die Geistlichkeit steht wieder da nach alter Weise in Ehren, Und kein Wolf stellt mehr dem edlen Schafstalle nach. Selbst diese matte Uebersetzung der volltönenden Verse des Die Frage wird nicht aus dem Inhalt, sondern umgekehrt Guhrauer hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, daß So weichen ſelbſt proteſtantiſche Beurtheiler unter ein- Es wird alſo ſchwerlich jemals glücken, aus dem Geiſt Endlich führet das Scepter, der der Letzte ſeines Stammes ſein wird, Israel wagt eine unnennbare, nur durch den Tod zu ſühnende That, Und der Hirt empfängt die Heerde, Deutſchland einen König wieder. Die Mark vergißt gänzlich aller ihrer Leiden Und wagt die Ihrigen allein zu hegen, und kein Fremdling darf mehr frohlocken, Und die alten Mauern von Lehnin und Chorin werden wieder erſtehen, Und die Geiſtlichkeit ſteht wieder da nach alter Weiſe in Ehren, Und kein Wolf ſtellt mehr dem edlen Schafſtalle nach. Selbſt dieſe matte Ueberſetzung der volltönenden Verſe des Die Frage wird nicht aus dem Inhalt, ſondern umgekehrt Guhrauer hat zuerſt darauf aufmerkſam gemacht, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0137" n="119"/> <p>So weichen ſelbſt <hi rendition="#g">proteſtantiſche</hi> Beurtheiler unter ein-<lb/> ander ab.</p><lb/> <p>Es wird alſo ſchwerlich jemals glücken, aus dem <hi rendition="#g">Geiſt<lb/> und Inhalt</hi> der Prophezeihung, wie ſo vielfach verſucht wor-<lb/> den iſt, ihre Unächtheit zu beweiſen. Dieſe Dinge appelliren an<lb/> das Gefühl, und bei dem poetiſchen Geſchick, das aus dem<lb/><hi rendition="#aq">Vaticinium</hi> unverkennbar ſpricht, giebt das Gefühl keine un-<lb/> günſtige Antwort. Es iſt nicht zu leugnen, daß, wenn man<lb/> Geiſt und Ton der Dichtung durchaus betonen <hi rendition="#g">will</hi>, beide mehr<lb/><hi rendition="#g">für</hi> die Aechtheit als gegen dieſelbe ſprechen. Beiſpielsweiſe die<lb/> Schlußzeilen:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Endlich führet das Scepter, der der Letzte ſeines Stammes ſein wird,</l><lb/> <l>Israel wagt eine unnennbare, nur durch den Tod zu ſühnende That,</l><lb/> <l>Und der Hirt empfängt die Heerde, Deutſchland einen König wieder.</l><lb/> <l>Die Mark vergißt gänzlich aller ihrer Leiden</l><lb/> <l>Und wagt die Ihrigen allein zu hegen, und kein Fremdling darf mehr</l><lb/> <l>frohlocken,</l><lb/> <l>Und die alten Mauern von Lehnin und Chorin werden wieder</l><lb/> <l>erſtehen,</l><lb/> <l>Und die Geiſtlichkeit ſteht wieder da nach alter Weiſe in Ehren,</l><lb/> <l>Und kein Wolf ſtellt mehr dem edlen Schafſtalle nach.</l> </lg><lb/> <p>Selbſt dieſe matte Ueberſetzung der volltönenden Verſe des<lb/> Originals hat noch etwas von prophetiſchem Klang.</p><lb/> <p>Die Frage wird nicht aus dem Inhalt, ſondern umgekehrt<lb/> einzig und allein aus der <hi rendition="#g">Form</hi> und aus äußerlich Einzelnem<lb/> heraus entſchieden werden.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Guhrauer</hi> hat zuerſt darauf aufmerkſam gemacht, daß<lb/> ſich in der Weiſſagung (Zeile 63) das Wort „Jehovah“ vor-<lb/> finde, und hat daran die Bemerkung geknüpft, daß dieſer Aus-<lb/> druck („Jehovah“) an Stelle des bis dahin üblichen „Adonai“<lb/> erſt zu Anfang des 16. Jahrhunderts gebräuchlich geworden<lb/> ſei; — bis dahin habe man den Ausdruck oder die Lesart<lb/> „Jehovah“ gar nicht gekannt. Iſt dieſe Bemerkung richtig, ſo<lb/> iſt ſie mehr werth als alle andern Halb-Beweiſe zuſammen-<lb/> genommen. Gleichviel indeß, ob richtig oder nicht, der <hi rendition="#g">Weg</hi>,<lb/> der in dieſer <hi rendition="#g">Guhrauer’ſ</hi>chen Bemerkung vorgezeichnet liegt,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [119/0137]
So weichen ſelbſt proteſtantiſche Beurtheiler unter ein-
ander ab.
Es wird alſo ſchwerlich jemals glücken, aus dem Geiſt
und Inhalt der Prophezeihung, wie ſo vielfach verſucht wor-
den iſt, ihre Unächtheit zu beweiſen. Dieſe Dinge appelliren an
das Gefühl, und bei dem poetiſchen Geſchick, das aus dem
Vaticinium unverkennbar ſpricht, giebt das Gefühl keine un-
günſtige Antwort. Es iſt nicht zu leugnen, daß, wenn man
Geiſt und Ton der Dichtung durchaus betonen will, beide mehr
für die Aechtheit als gegen dieſelbe ſprechen. Beiſpielsweiſe die
Schlußzeilen:
Endlich führet das Scepter, der der Letzte ſeines Stammes ſein wird,
Israel wagt eine unnennbare, nur durch den Tod zu ſühnende That,
Und der Hirt empfängt die Heerde, Deutſchland einen König wieder.
Die Mark vergißt gänzlich aller ihrer Leiden
Und wagt die Ihrigen allein zu hegen, und kein Fremdling darf mehr
frohlocken,
Und die alten Mauern von Lehnin und Chorin werden wieder
erſtehen,
Und die Geiſtlichkeit ſteht wieder da nach alter Weiſe in Ehren,
Und kein Wolf ſtellt mehr dem edlen Schafſtalle nach.
Selbſt dieſe matte Ueberſetzung der volltönenden Verſe des
Originals hat noch etwas von prophetiſchem Klang.
Die Frage wird nicht aus dem Inhalt, ſondern umgekehrt
einzig und allein aus der Form und aus äußerlich Einzelnem
heraus entſchieden werden.
Guhrauer hat zuerſt darauf aufmerkſam gemacht, daß
ſich in der Weiſſagung (Zeile 63) das Wort „Jehovah“ vor-
finde, und hat daran die Bemerkung geknüpft, daß dieſer Aus-
druck („Jehovah“) an Stelle des bis dahin üblichen „Adonai“
erſt zu Anfang des 16. Jahrhunderts gebräuchlich geworden
ſei; — bis dahin habe man den Ausdruck oder die Lesart
„Jehovah“ gar nicht gekannt. Iſt dieſe Bemerkung richtig, ſo
iſt ſie mehr werth als alle andern Halb-Beweiſe zuſammen-
genommen. Gleichviel indeß, ob richtig oder nicht, der Weg,
der in dieſer Guhrauer’ſchen Bemerkung vorgezeichnet liegt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeFontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |