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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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scher Zeit bereits Anti-Hohenzollersch gesprochen habe. Dies
deute auf spätere Zeit, wo es bereits Sympathien und Anti-
pathien in Betreff der Hohenzollern gegeben. Auf beide Ein-
wände ist die Antwort leicht.

Was die Irrthümer des Propheten Herrmann angeht,
so hat es sich ja niemals darum gehandelt, endgültig festzustellen,
ob Mönch Herrmann richtig prophezeiht habe oder falsch, es
hat sich bei dieser Controverse immer nur darum gehandelt, ob
er überhaupt geweissagt habe
. Wenn nun aber einer-
seits die Prophetie keine Garantie übernimmt, daß alles Prophe-
zeihte zutreffen muß, so übernimmt sie noch viel weniger --
und hiermit fassen wir den zweiten Punkt in's Auge -- die
Verpflichtung, kommenden Herrscher-Geschlechtern gleichsam in
anticipirter Loyalität angenehme Dinge zu sagen. Der Prophet
sagt die Dinge so, wie er sie sieht, und kümmert sich nicht
darum, wie kommende Zeiten sich zu den Menschen und Thaten
stellen werden, die er, lediglich kraft seiner Kraft, vorweg
hat in die Erscheinung treten sehn. Nehmen wir einen Augen-
blick an, die Prophezeihung sei ächt, so liegt doch für einen
gläubigen Cistercienser Mönch, der plötzlich, inmitten seiner
Visionen, die Gestalt Joachims II. vor sich hintreten sieht,
nicht der geringste Grund vor, warum er nicht gegen den
Schädiger seiner Kirche und seines Klosters vorweg die heftigsten
Invectiven schleudern sollte. Er weiß nicht, daß er Joachim
heißen, er weiß auch nicht, daß er einem bestimmten Geschlecht,
das den Namen der Hohenzollern führt, zugehören wird, er
sieht ihn nur, ihn und die That, die er vor hat -- das genügt,
ihn zu verwerfen. Dies sagen wir nicht, wie schon angedeutet,
zur Rechtfertigung dieser speciellen Prophezeihung oder als Beweis
für ihre Aechtheit, sondern nur zur Charakterisirung aller Pro-
phetie überhaupt.

Wenn nun weder die Irrthümer, die mit drunter laufen,
noch der antihohenzollernsche Geist, der aus dieser sogenannten
Weissagung spricht, etwas irgendwie Erhebliches gegen die Aecht-
heit derselben beibringen können, so ist doch ein dritter Punkt

Fontane, Wanderungen. III. 8

ſcher Zeit bereits Anti-Hohenzollerſch geſprochen habe. Dies
deute auf ſpätere Zeit, wo es bereits Sympathien und Anti-
pathien in Betreff der Hohenzollern gegeben. Auf beide Ein-
wände iſt die Antwort leicht.

Was die Irrthümer des Propheten Herrmann angeht,
ſo hat es ſich ja niemals darum gehandelt, endgültig feſtzuſtellen,
ob Mönch Herrmann richtig prophezeiht habe oder falſch, es
hat ſich bei dieſer Controverſe immer nur darum gehandelt, ob
er überhaupt geweiſſagt habe
. Wenn nun aber einer-
ſeits die Prophetie keine Garantie übernimmt, daß alles Prophe-
zeihte zutreffen muß, ſo übernimmt ſie noch viel weniger —
und hiermit faſſen wir den zweiten Punkt in’s Auge — die
Verpflichtung, kommenden Herrſcher-Geſchlechtern gleichſam in
anticipirter Loyalität angenehme Dinge zu ſagen. Der Prophet
ſagt die Dinge ſo, wie er ſie ſieht, und kümmert ſich nicht
darum, wie kommende Zeiten ſich zu den Menſchen und Thaten
ſtellen werden, die er, lediglich kraft ſeiner Kraft, vorweg
hat in die Erſcheinung treten ſehn. Nehmen wir einen Augen-
blick an, die Prophezeihung ſei ächt, ſo liegt doch für einen
gläubigen Ciſtercienſer Mönch, der plötzlich, inmitten ſeiner
Viſionen, die Geſtalt Joachims II. vor ſich hintreten ſieht,
nicht der geringſte Grund vor, warum er nicht gegen den
Schädiger ſeiner Kirche und ſeines Kloſters vorweg die heftigſten
Invectiven ſchleudern ſollte. Er weiß nicht, daß er Joachim
heißen, er weiß auch nicht, daß er einem beſtimmten Geſchlecht,
das den Namen der Hohenzollern führt, zugehören wird, er
ſieht ihn nur, ihn und die That, die er vor hat — das genügt,
ihn zu verwerfen. Dies ſagen wir nicht, wie ſchon angedeutet,
zur Rechtfertigung dieſer ſpeciellen Prophezeihung oder als Beweis
für ihre Aechtheit, ſondern nur zur Charakteriſirung aller Pro-
phetie überhaupt.

Wenn nun weder die Irrthümer, die mit drunter laufen,
noch der antihohenzollernſche Geiſt, der aus dieſer ſogenannten
Weiſſagung ſpricht, etwas irgendwie Erhebliches gegen die Aecht-
heit derſelben beibringen können, ſo iſt doch ein dritter Punkt

Fontane, Wanderungen. III. 8
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[113/0131] ſcher Zeit bereits Anti-Hohenzollerſch geſprochen habe. Dies deute auf ſpätere Zeit, wo es bereits Sympathien und Anti- pathien in Betreff der Hohenzollern gegeben. Auf beide Ein- wände iſt die Antwort leicht. Was die Irrthümer des Propheten Herrmann angeht, ſo hat es ſich ja niemals darum gehandelt, endgültig feſtzuſtellen, ob Mönch Herrmann richtig prophezeiht habe oder falſch, es hat ſich bei dieſer Controverſe immer nur darum gehandelt, ob er überhaupt geweiſſagt habe. Wenn nun aber einer- ſeits die Prophetie keine Garantie übernimmt, daß alles Prophe- zeihte zutreffen muß, ſo übernimmt ſie noch viel weniger — und hiermit faſſen wir den zweiten Punkt in’s Auge — die Verpflichtung, kommenden Herrſcher-Geſchlechtern gleichſam in anticipirter Loyalität angenehme Dinge zu ſagen. Der Prophet ſagt die Dinge ſo, wie er ſie ſieht, und kümmert ſich nicht darum, wie kommende Zeiten ſich zu den Menſchen und Thaten ſtellen werden, die er, lediglich kraft ſeiner Kraft, vorweg hat in die Erſcheinung treten ſehn. Nehmen wir einen Augen- blick an, die Prophezeihung ſei ächt, ſo liegt doch für einen gläubigen Ciſtercienſer Mönch, der plötzlich, inmitten ſeiner Viſionen, die Geſtalt Joachims II. vor ſich hintreten ſieht, nicht der geringſte Grund vor, warum er nicht gegen den Schädiger ſeiner Kirche und ſeines Kloſters vorweg die heftigſten Invectiven ſchleudern ſollte. Er weiß nicht, daß er Joachim heißen, er weiß auch nicht, daß er einem beſtimmten Geſchlecht, das den Namen der Hohenzollern führt, zugehören wird, er ſieht ihn nur, ihn und die That, die er vor hat — das genügt, ihn zu verwerfen. Dies ſagen wir nicht, wie ſchon angedeutet, zur Rechtfertigung dieſer ſpeciellen Prophezeihung oder als Beweis für ihre Aechtheit, ſondern nur zur Charakteriſirung aller Pro- phetie überhaupt. Wenn nun weder die Irrthümer, die mit drunter laufen, noch der antihohenzollernſche Geiſt, der aus dieſer ſogenannten Weiſſagung ſpricht, etwas irgendwie Erhebliches gegen die Aecht- heit derſelben beibringen können, ſo iſt doch ein dritter Punkt Fontane, Wanderungen. III. 8

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/131>, abgerufen am 25.11.2024.