Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Havelschwäne.
Da geht's an ein Picken,
An ein Schlürfen, an ein Hacken;
Sie stürzen einander über die Nacken,
Schieben sich, drängen sich, reißen sich,
Jagen sich, ängsten sich, beißen sich,
Und das all' um ein Stückchen Brod.

Lilis Park.)

Die Havel ist ein aparter Fluß; man könnte ihn seiner Form
nach den norddeutschen oder den Flachlands-Neckar nennen. Er
beschreibt einen Halbkreis, kommt von Norden und geht schließ-
lich wieder gen Norden, und wer sich aus Kindertagen jener
primitiven Schaukeln entsinnt, die aus einem Strick zwischen
zwei Aepfelbäumen bestanden, der hat die geschwungene Linie
vor sich, in der sich die Havel auf unseren Karten präsentirt.
Das Blau ihres Wassers und ihre zahllosen Buchten (sie ist
thatsächlich eine Aneinanderreihung von Seen) machen sie in
ihrer Art zu einem Unikum. Das Stückchen Erde, das sie
umspannt, eben unser Havelland, ist, wie ich in den vorauf-
gehenden Kapiteln gezeigt habe, die Stätte ältester Kultur in
diesen Landen. Hier entstanden, hart am Ufer des Flusses
hin, die alten Bisthümer Brandenburg und Havelberg.
Und wie die älteste Kultur hier geboren wurde, so auch die
neueste. Von Potsdam aus wurde Preußen aufgebaut, von
Sanssouci aus durchleuchtet. Die Havel darf sich einreihen in
die Zahl deutscher Kulturströme.

Aber nicht von ihren Großthaten gedenke ich heute zu erzäh-
len, nur von einer ihrer Zierden, von den Schwänen.

Die Havelſchwäne.
Da geht’s an ein Picken,
An ein Schlürfen, an ein Hacken;
Sie ſtürzen einander über die Nacken,
Schieben ſich, drängen ſich, reißen ſich,
Jagen ſich, ängſten ſich, beißen ſich,
Und das all’ um ein Stückchen Brod.

Lilis Park.)

Die Havel iſt ein aparter Fluß; man könnte ihn ſeiner Form
nach den norddeutſchen oder den Flachlands-Neckar nennen. Er
beſchreibt einen Halbkreis, kommt von Norden und geht ſchließ-
lich wieder gen Norden, und wer ſich aus Kindertagen jener
primitiven Schaukeln entſinnt, die aus einem Strick zwiſchen
zwei Aepfelbäumen beſtanden, der hat die geſchwungene Linie
vor ſich, in der ſich die Havel auf unſeren Karten präſentirt.
Das Blau ihres Waſſers und ihre zahlloſen Buchten (ſie iſt
thatſächlich eine Aneinanderreihung von Seen) machen ſie in
ihrer Art zu einem Unikum. Das Stückchen Erde, das ſie
umſpannt, eben unſer Havelland, iſt, wie ich in den vorauf-
gehenden Kapiteln gezeigt habe, die Stätte älteſter Kultur in
dieſen Landen. Hier entſtanden, hart am Ufer des Fluſſes
hin, die alten Bisthümer Brandenburg und Havelberg.
Und wie die älteſte Kultur hier geboren wurde, ſo auch die
neueſte. Von Potsdam aus wurde Preußen aufgebaut, von
Sansſouci aus durchleuchtet. Die Havel darf ſich einreihen in
die Zahl deutſcher Kulturſtröme.

Aber nicht von ihren Großthaten gedenke ich heute zu erzäh-
len, nur von einer ihrer Zierden, von den Schwänen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0139" n="[121]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Die Havel&#x017F;chwäne.</hi> </head><lb/>
        <cit rendition="#et">
          <quote>Da geht&#x2019;s an ein Picken,<lb/>
An ein Schlürfen, an ein Hacken;<lb/>
Sie &#x017F;türzen einander über die Nacken,<lb/>
Schieben &#x017F;ich, drängen &#x017F;ich, reißen &#x017F;ich,<lb/>
Jagen &#x017F;ich, äng&#x017F;ten &#x017F;ich, beißen &#x017F;ich,<lb/>
Und das all&#x2019; um ein Stückchen Brod.</quote><lb/>
          <bibl> <hi rendition="#b">Lilis Park.)</hi> </bibl>
        </cit><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Havel i&#x017F;t ein aparter Fluß; man könnte ihn &#x017F;einer Form<lb/>
nach den norddeut&#x017F;chen oder den Flachlands-Neckar nennen. Er<lb/>
be&#x017F;chreibt einen Halbkreis, kommt von Norden und geht &#x017F;chließ-<lb/>
lich wieder gen Norden, und wer &#x017F;ich aus Kindertagen jener<lb/>
primitiven Schaukeln ent&#x017F;innt, die aus einem Strick zwi&#x017F;chen<lb/>
zwei Aepfelbäumen be&#x017F;tanden, der hat die ge&#x017F;chwungene Linie<lb/>
vor &#x017F;ich, in der &#x017F;ich die Havel auf un&#x017F;eren Karten prä&#x017F;entirt.<lb/>
Das Blau ihres Wa&#x017F;&#x017F;ers und ihre zahllo&#x017F;en Buchten (&#x017F;ie i&#x017F;t<lb/>
that&#x017F;ächlich eine Aneinanderreihung von Seen) machen &#x017F;ie in<lb/>
ihrer Art zu einem Unikum. Das Stückchen Erde, das &#x017F;ie<lb/>
um&#x017F;pannt, eben un&#x017F;er Havelland, i&#x017F;t, wie ich in den vorauf-<lb/>
gehenden Kapiteln gezeigt habe, die Stätte älte&#x017F;ter Kultur in<lb/>
die&#x017F;en Landen. Hier ent&#x017F;tanden, hart am Ufer des Flu&#x017F;&#x017F;es<lb/>
hin, die alten Bisthümer <hi rendition="#g">Brandenburg</hi> und <hi rendition="#g">Havelberg</hi>.<lb/>
Und wie die älte&#x017F;te Kultur hier geboren wurde, &#x017F;o auch die<lb/>
neue&#x017F;te. Von Potsdam aus wurde Preußen aufgebaut, von<lb/>
Sans&#x017F;ouci aus durchleuchtet. Die Havel darf &#x017F;ich einreihen in<lb/>
die Zahl deut&#x017F;cher Kultur&#x017F;tröme.</p><lb/>
        <p>Aber nicht von ihren Großthaten gedenke ich heute zu erzäh-<lb/>
len, nur von einer ihrer Zierden, von den <hi rendition="#g">Schwänen</hi>.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[121]/0139] Die Havelſchwäne. Da geht’s an ein Picken, An ein Schlürfen, an ein Hacken; Sie ſtürzen einander über die Nacken, Schieben ſich, drängen ſich, reißen ſich, Jagen ſich, ängſten ſich, beißen ſich, Und das all’ um ein Stückchen Brod. Lilis Park.) Die Havel iſt ein aparter Fluß; man könnte ihn ſeiner Form nach den norddeutſchen oder den Flachlands-Neckar nennen. Er beſchreibt einen Halbkreis, kommt von Norden und geht ſchließ- lich wieder gen Norden, und wer ſich aus Kindertagen jener primitiven Schaukeln entſinnt, die aus einem Strick zwiſchen zwei Aepfelbäumen beſtanden, der hat die geſchwungene Linie vor ſich, in der ſich die Havel auf unſeren Karten präſentirt. Das Blau ihres Waſſers und ihre zahlloſen Buchten (ſie iſt thatſächlich eine Aneinanderreihung von Seen) machen ſie in ihrer Art zu einem Unikum. Das Stückchen Erde, das ſie umſpannt, eben unſer Havelland, iſt, wie ich in den vorauf- gehenden Kapiteln gezeigt habe, die Stätte älteſter Kultur in dieſen Landen. Hier entſtanden, hart am Ufer des Fluſſes hin, die alten Bisthümer Brandenburg und Havelberg. Und wie die älteſte Kultur hier geboren wurde, ſo auch die neueſte. Von Potsdam aus wurde Preußen aufgebaut, von Sansſouci aus durchleuchtet. Die Havel darf ſich einreihen in die Zahl deutſcher Kulturſtröme. Aber nicht von ihren Großthaten gedenke ich heute zu erzäh- len, nur von einer ihrer Zierden, von den Schwänen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/139
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. [121]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/139>, abgerufen am 27.12.2024.