gewesen und noch jetzt die Garantie ihres Lebens, ihrer Dauer- barkeit ist. Die Wenden von damals waren wie die Polen von heut. Ausgerüstet mit liebenswürdigen und blendenden Eigenschaften, an Ritterlichkeit ihren Gegnern mindestens gleich, an Leidenschaft, an Opfermuth ihnen vielleicht überlegen, gingen sie dennoch zu Grunde, weil sie jener gestaltenden Kraft ent- behrten. Immer voll Neigung, der Peripherie zu ihre Kräfte schweifen zu lassen, statt sie im Centrum zu einen, fehlte ihnen das Concentrische, während sie excentrisch waren in jedem Sinne. Dazu die individuelle Freiheit höher achtend als die staatliche Festigung --, wer erkennte in diesem allen nicht polnischnatio- nale Züge? Was die Polen jetzt sind, das waren die Wenden damals.
Wir sprechen zuletzt von dem Cultus der Wenden. Weil die religiöse Seite der zu bekehrenden Heidenstämme unsere christ- lichen Missionare (darunter zum Theil auch unsere Chronisten) mehr interessiren mußte als irgend eine andere Seite wendischen Lebens und Thuns, so ist es begreiflich, daß wir über diesen Punkt unserer liutizischen Vorbewohner am besten unterrichtet sind. Die Nachrichten, die uns geworden, beziehen sich in ihren Details zwar überwiegend auf jene zwei Haupttempelstätten des Wendenlandes, die nicht innerhalb der Mark, sondern die eine (Rhetra) hart an unserer Grenze, die andere (Arkona) auf Rügen gelegen war; aber wir dürfen fast mit Bestimmtheit an- nehmen, daß sich alle diese Beschreibungen auch auf die Tempel- stätten unserer märkischen Wenden beziehen, wenn gleich diese, Brannibor nicht ausgeschlossen, nur zweiten Ranges waren.
Die wendische Religion kannte drei Arten der Anbetung:
Naturanbetung (Stein, Quelle, Baum, Hain).
Waffenanbetung (Fahne, Schild, Lanze).
Bilderanbetung (eigentlicher Götzendienst).
Die Natur war der Boden, aus dem der wendische Cultus aufwuchs, wie die wendische Religion überhaupt Die spätere Bilder-Anbetung war nur Natur-Anbetung in anderer Gestalt. Statt Stein, Quelle, Sonne etc., die ursprüng-
geweſen und noch jetzt die Garantie ihres Lebens, ihrer Dauer- barkeit iſt. Die Wenden von damals waren wie die Polen von heut. Ausgerüſtet mit liebenswürdigen und blendenden Eigenſchaften, an Ritterlichkeit ihren Gegnern mindeſtens gleich, an Leidenſchaft, an Opfermuth ihnen vielleicht überlegen, gingen ſie dennoch zu Grunde, weil ſie jener geſtaltenden Kraft ent- behrten. Immer voll Neigung, der Peripherie zu ihre Kräfte ſchweifen zu laſſen, ſtatt ſie im Centrum zu einen, fehlte ihnen das Concentriſche, während ſie excentriſch waren in jedem Sinne. Dazu die individuelle Freiheit höher achtend als die ſtaatliche Feſtigung —, wer erkennte in dieſem allen nicht polniſchnatio- nale Züge? Was die Polen jetzt ſind, das waren die Wenden damals.
Wir ſprechen zuletzt von dem Cultus der Wenden. Weil die religiöſe Seite der zu bekehrenden Heidenſtämme unſere chriſt- lichen Miſſionare (darunter zum Theil auch unſere Chroniſten) mehr intereſſiren mußte als irgend eine andere Seite wendiſchen Lebens und Thuns, ſo iſt es begreiflich, daß wir über dieſen Punkt unſerer liutiziſchen Vorbewohner am beſten unterrichtet ſind. Die Nachrichten, die uns geworden, beziehen ſich in ihren Details zwar überwiegend auf jene zwei Haupttempelſtätten des Wendenlandes, die nicht innerhalb der Mark, ſondern die eine (Rhetra) hart an unſerer Grenze, die andere (Arkona) auf Rügen gelegen war; aber wir dürfen faſt mit Beſtimmtheit an- nehmen, daß ſich alle dieſe Beſchreibungen auch auf die Tempel- ſtätten unſerer märkiſchen Wenden beziehen, wenn gleich dieſe, Brannibor nicht ausgeſchloſſen, nur zweiten Ranges waren.
Die wendiſche Religion kannte drei Arten der Anbetung:
Naturanbetung (Stein, Quelle, Baum, Hain).
Waffenanbetung (Fahne, Schild, Lanze).
Bilderanbetung (eigentlicher Götzendienſt).
Die Natur war der Boden, aus dem der wendiſche Cultus aufwuchs, wie die wendiſche Religion überhaupt Die ſpätere Bilder-Anbetung war nur Natur-Anbetung in anderer Geſtalt. Statt Stein, Quelle, Sonne ꝛc., die urſprüng-
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geweſen und noch jetzt die Garantie ihres Lebens, ihrer Dauer-
barkeit iſt. Die Wenden von damals waren wie die Polen
von heut. Ausgerüſtet mit liebenswürdigen und blendenden
Eigenſchaften, an Ritterlichkeit ihren Gegnern mindeſtens gleich,
an Leidenſchaft, an Opfermuth ihnen vielleicht überlegen, gingen
ſie dennoch zu Grunde, weil ſie jener geſtaltenden Kraft ent-
behrten. Immer voll Neigung, der Peripherie zu ihre Kräfte
ſchweifen zu laſſen, ſtatt ſie im Centrum zu einen, fehlte ihnen
das Concentriſche, während ſie excentriſch waren in jedem Sinne.
Dazu die individuelle Freiheit höher achtend als die ſtaatliche
Feſtigung —, wer erkennte in dieſem allen nicht polniſchnatio-
nale Züge? Was die Polen jetzt ſind, das waren die Wenden
damals.
Wir ſprechen zuletzt von dem Cultus der Wenden. Weil
die religiöſe Seite der zu bekehrenden Heidenſtämme unſere chriſt-
lichen Miſſionare (darunter zum Theil auch unſere Chroniſten) mehr
intereſſiren mußte als irgend eine andere Seite wendiſchen
Lebens und Thuns, ſo iſt es begreiflich, daß wir über dieſen
Punkt unſerer liutiziſchen Vorbewohner am beſten unterrichtet
ſind. Die Nachrichten, die uns geworden, beziehen ſich in ihren
Details zwar überwiegend auf jene zwei Haupttempelſtätten des
Wendenlandes, die nicht innerhalb der Mark, ſondern die eine
(Rhetra) hart an unſerer Grenze, die andere (Arkona) auf
Rügen gelegen war; aber wir dürfen faſt mit Beſtimmtheit an-
nehmen, daß ſich alle dieſe Beſchreibungen auch auf die Tempel-
ſtätten unſerer märkiſchen Wenden beziehen, wenn gleich dieſe,
Brannibor nicht ausgeſchloſſen, nur zweiten Ranges waren.
Die wendiſche Religion kannte drei Arten der Anbetung:
Naturanbetung (Stein, Quelle, Baum, Hain).
Waffenanbetung (Fahne, Schild, Lanze).
Bilderanbetung (eigentlicher Götzendienſt).
Die Natur war der Boden, aus dem der wendiſche
Cultus aufwuchs, wie die wendiſche Religion überhaupt
Die ſpätere Bilder-Anbetung war nur Natur-Anbetung in
anderer Geſtalt. Statt Stein, Quelle, Sonne ꝛc., die urſprüng-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/40>, abgerufen am 28.11.2024.
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