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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Das Jahr 1866 schien ohne Opferforderung an Alt-Geltow
vorüber gegangen zu sein. Aber jetzt! Manch neuer Name
wird sich zu den alten gesellen.

In der Kirche hatte sich ein Mann aus dem Dorfe, ich
weiß nicht, ob Lehrer oder Küster zu uns gefunden. "Nun
müssen Sie noch die Meusebachsche Begräbnißstätte sehen,"
so sagte er. Wir horchten auf, da wir von einer solchen
Begräbnißstätte nie gehört hatten, folgten dann aber unserem
neu gewonnenen Führer, bis wir draußen an einen Vorsprung
gelangten, eine Art Bastion, wo der Kirchhofshügel steil abfällt.
Hier, an höchster Stelle, die einen Ueberblick über das Dorf
und seine Gärten gestattet, bemerkten wir nunmehr einen ein-
gefriedigten, mit Eschen und Cypressen umstellten Platz, dessen
schlichtes, mit Convolvulus und wildem Wein umranktes Gitter
drei Epheugräber einschloß. In ihnen ruhten Vater, Mutter,
Sohn. Die letzten ihres Namens. Das Ganze wirkte durch
seine große Einfachheit.

Der Vater, Karl Hartwig Gregor Freih. v. Meusebach,
lange Zeit Präsident des Rheinischen Cassations- und Revisions-
hofes, war ein Kenner der deutschen Literatur, zugleich ein
Sammler ihrer Schätze, wie kaum ein zweiter. Wir finden
über ihn Folgendes: "Seine bibliographischen Bestrebungen
umfaßten das ganze Gebiet von Erfindung der Buchdruckerkunst
bis auf die Gegenwart, doch so, daß er dem Volks- und
geistlichen Liede, den Schriften Luther's, vor Allen aber
Fischart's, so wie den nach seiner Meinung zu sehr verach-
teten und vergessenen Schriftstellern des 17. Jahrhunderts einen
gewissen Vorrang zugestand. Alle erheblich scheinenden Bücher,
welche seine scharfsinnigen Untersuchungen ihn kennen gelehrt
hatten, suchte er zu erwerben. So gedieh seine Bibliothek zu
einer seltenen Vollständigkeit und zu einem fein gegliederten
inneren Zusammenhange."

Von 1819 an lebte er in Berlin, wenn ich nicht irre in
einem der Häuser, die bei dem Neuen-Museums-Bau ver-
schwunden sind. Hier besuchte ihn Anfangs der 20er Jahre

Das Jahr 1866 ſchien ohne Opferforderung an Alt-Geltow
vorüber gegangen zu ſein. Aber jetzt! Manch neuer Name
wird ſich zu den alten geſellen.

In der Kirche hatte ſich ein Mann aus dem Dorfe, ich
weiß nicht, ob Lehrer oder Küſter zu uns gefunden. „Nun
müſſen Sie noch die Meuſebachſche Begräbnißſtätte ſehen,“
ſo ſagte er. Wir horchten auf, da wir von einer ſolchen
Begräbnißſtätte nie gehört hatten, folgten dann aber unſerem
neu gewonnenen Führer, bis wir draußen an einen Vorſprung
gelangten, eine Art Baſtion, wo der Kirchhofshügel ſteil abfällt.
Hier, an höchſter Stelle, die einen Ueberblick über das Dorf
und ſeine Gärten geſtattet, bemerkten wir nunmehr einen ein-
gefriedigten, mit Eſchen und Cypreſſen umſtellten Platz, deſſen
ſchlichtes, mit Convolvulus und wildem Wein umranktes Gitter
drei Epheugräber einſchloß. In ihnen ruhten Vater, Mutter,
Sohn. Die letzten ihres Namens. Das Ganze wirkte durch
ſeine große Einfachheit.

Der Vater, Karl Hartwig Gregor Freih. v. Meuſebach,
lange Zeit Präſident des Rheiniſchen Caſſations- und Reviſions-
hofes, war ein Kenner der deutſchen Literatur, zugleich ein
Sammler ihrer Schätze, wie kaum ein zweiter. Wir finden
über ihn Folgendes: „Seine bibliographiſchen Beſtrebungen
umfaßten das ganze Gebiet von Erfindung der Buchdruckerkunſt
bis auf die Gegenwart, doch ſo, daß er dem Volks- und
geiſtlichen Liede, den Schriften Luther’s, vor Allen aber
Fiſchart’s, ſo wie den nach ſeiner Meinung zu ſehr verach-
teten und vergeſſenen Schriftſtellern des 17. Jahrhunderts einen
gewiſſen Vorrang zugeſtand. Alle erheblich ſcheinenden Bücher,
welche ſeine ſcharfſinnigen Unterſuchungen ihn kennen gelehrt
hatten, ſuchte er zu erwerben. So gedieh ſeine Bibliothek zu
einer ſeltenen Vollſtändigkeit und zu einem fein gegliederten
inneren Zuſammenhange.“

Von 1819 an lebte er in Berlin, wenn ich nicht irre in
einem der Häuſer, die bei dem Neuen-Muſeums-Bau ver-
ſchwunden ſind. Hier beſuchte ihn Anfangs der 20er Jahre

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[200/0218] Das Jahr 1866 ſchien ohne Opferforderung an Alt-Geltow vorüber gegangen zu ſein. Aber jetzt! Manch neuer Name wird ſich zu den alten geſellen. In der Kirche hatte ſich ein Mann aus dem Dorfe, ich weiß nicht, ob Lehrer oder Küſter zu uns gefunden. „Nun müſſen Sie noch die Meuſebachſche Begräbnißſtätte ſehen,“ ſo ſagte er. Wir horchten auf, da wir von einer ſolchen Begräbnißſtätte nie gehört hatten, folgten dann aber unſerem neu gewonnenen Führer, bis wir draußen an einen Vorſprung gelangten, eine Art Baſtion, wo der Kirchhofshügel ſteil abfällt. Hier, an höchſter Stelle, die einen Ueberblick über das Dorf und ſeine Gärten geſtattet, bemerkten wir nunmehr einen ein- gefriedigten, mit Eſchen und Cypreſſen umſtellten Platz, deſſen ſchlichtes, mit Convolvulus und wildem Wein umranktes Gitter drei Epheugräber einſchloß. In ihnen ruhten Vater, Mutter, Sohn. Die letzten ihres Namens. Das Ganze wirkte durch ſeine große Einfachheit. Der Vater, Karl Hartwig Gregor Freih. v. Meuſebach, lange Zeit Präſident des Rheiniſchen Caſſations- und Reviſions- hofes, war ein Kenner der deutſchen Literatur, zugleich ein Sammler ihrer Schätze, wie kaum ein zweiter. Wir finden über ihn Folgendes: „Seine bibliographiſchen Beſtrebungen umfaßten das ganze Gebiet von Erfindung der Buchdruckerkunſt bis auf die Gegenwart, doch ſo, daß er dem Volks- und geiſtlichen Liede, den Schriften Luther’s, vor Allen aber Fiſchart’s, ſo wie den nach ſeiner Meinung zu ſehr verach- teten und vergeſſenen Schriftſtellern des 17. Jahrhunderts einen gewiſſen Vorrang zugeſtand. Alle erheblich ſcheinenden Bücher, welche ſeine ſcharfſinnigen Unterſuchungen ihn kennen gelehrt hatten, ſuchte er zu erwerben. So gedieh ſeine Bibliothek zu einer ſeltenen Vollſtändigkeit und zu einem fein gegliederten inneren Zuſammenhange.“ Von 1819 an lebte er in Berlin, wenn ich nicht irre in einem der Häuſer, die bei dem Neuen-Muſeums-Bau ver- ſchwunden ſind. Hier beſuchte ihn Anfangs der 20er Jahre

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/218>, abgerufen am 27.11.2024.