seit 1630 an dieser Stelle; vielleicht viel länger. Die Kaehnes waren damals schlichte Bauern. In genanntem Jahre, also während des 30jährigen Krieges, erwarben sie das Lehnschulzen- gut und hielten es nicht nur fest, sondern wußten auch ihren Besitz derart zu erweitern, daß im Jahre 1840 der damalige Träger des Namens in den Adelsstand und fünf Jahre später (1845) der Gesammtbesitz zu einem kreistagsfähigen Rittergute erhoben wurde.
Ein Beispiel derartigen Aufdienens "von der Pike," wie es die Familie Kaehne giebt, ist sehr selten; viel seltener, als man glaubt. Ein Blick auf die Geschichte der Rittergüter belehrt uns darüber. Was in den altadeligen Grundbesitz als Neu- Element einrückt oder gar durch Zusammenlegung von Bauer- gütern (und selbstverständlich unter schließlicher Ernennung seitens des Landesherrn) neue Rittergüter creirt, das sind entweder selbst wieder prosperirende, ihren Besitz erweiternde Adelige, die für jüngere Söhne einen ebenbürtigen Neubesitz stiften, oder aber -- und das ist das Häufigere -- es sind Geldleute, Städter, Repräsentanten einer modernen Zeit, die den Han- dels- und Industriegeist in die Landwirthschaft hineintragen. Der Bauer folgt selten diesem Beispiel; er ist stabil, er bleibt was er ist. Wenn er nichts desto weniger zu speculiren beginnt, so thut ers auf seine Weise. Es reizt ihn dann weit mehr das Geld, als das Wachsen der Ackerfläche. Er erweitert sich nicht innerhalb seiner eigenen Sphäre; er wird eben einfach ein Anderer.
Die Familie Kaehne bezeichnet einen Ausnahmefall.
Schloß und Park, so sagten wir, sind Schöpfungen dieses Jahrhunderts.
Das Schloß, in seiner gegenwärtigen Gestalt, wurde nach einem Schinkelschen Plane ausgeführt. Es zeigt eine Mischung von italienischem Castell- und englischem Tudorstil, denen beiden die gothische Grundlage gemeinsam ist. Der Bau, wie er sich unter Epheu und Linden darstellt, wirkt pittoresk genug, ohne daß er im Uebrigen besonders zu loben wäre. Es
ſeit 1630 an dieſer Stelle; vielleicht viel länger. Die Kaehnes waren damals ſchlichte Bauern. In genanntem Jahre, alſo während des 30jährigen Krieges, erwarben ſie das Lehnſchulzen- gut und hielten es nicht nur feſt, ſondern wußten auch ihren Beſitz derart zu erweitern, daß im Jahre 1840 der damalige Träger des Namens in den Adelsſtand und fünf Jahre ſpäter (1845) der Geſammtbeſitz zu einem kreistagsfähigen Rittergute erhoben wurde.
Ein Beiſpiel derartigen Aufdienens „von der Pike,“ wie es die Familie Kaehne giebt, iſt ſehr ſelten; viel ſeltener, als man glaubt. Ein Blick auf die Geſchichte der Rittergüter belehrt uns darüber. Was in den altadeligen Grundbeſitz als Neu- Element einrückt oder gar durch Zuſammenlegung von Bauer- gütern (und ſelbſtverſtändlich unter ſchließlicher Ernennung ſeitens des Landesherrn) neue Rittergüter creirt, das ſind entweder ſelbſt wieder prosperirende, ihren Beſitz erweiternde Adelige, die für jüngere Söhne einen ebenbürtigen Neubeſitz ſtiften, oder aber — und das iſt das Häufigere — es ſind Geldleute, Städter, Repräſentanten einer modernen Zeit, die den Han- dels- und Induſtriegeiſt in die Landwirthſchaft hineintragen. Der Bauer folgt ſelten dieſem Beiſpiel; er iſt ſtabil, er bleibt was er iſt. Wenn er nichts deſto weniger zu ſpeculiren beginnt, ſo thut ers auf ſeine Weiſe. Es reizt ihn dann weit mehr das Geld, als das Wachſen der Ackerfläche. Er erweitert ſich nicht innerhalb ſeiner eigenen Sphäre; er wird eben einfach ein Anderer.
Die Familie Kaehne bezeichnet einen Ausnahmefall.
Schloß und Park, ſo ſagten wir, ſind Schöpfungen dieſes Jahrhunderts.
Das Schloß, in ſeiner gegenwärtigen Geſtalt, wurde nach einem Schinkelſchen Plane ausgeführt. Es zeigt eine Miſchung von italieniſchem Caſtell- und engliſchem Tudorſtil, denen beiden die gothiſche Grundlage gemeinſam iſt. Der Bau, wie er ſich unter Epheu und Linden darſtellt, wirkt pittoresk genug, ohne daß er im Uebrigen beſonders zu loben wäre. Es
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ſeit 1630 an dieſer Stelle; vielleicht viel länger. Die Kaehnes
waren damals ſchlichte Bauern. In genanntem Jahre, alſo
während des 30jährigen Krieges, erwarben ſie das Lehnſchulzen-
gut und hielten es nicht nur feſt, ſondern wußten auch ihren
Beſitz derart zu erweitern, daß im Jahre 1840 der damalige
Träger des Namens in den Adelsſtand und fünf Jahre ſpäter
(1845) der Geſammtbeſitz zu einem kreistagsfähigen Rittergute
erhoben wurde.
Ein Beiſpiel derartigen Aufdienens „von der Pike,“ wie
es die Familie Kaehne giebt, iſt ſehr ſelten; viel ſeltener, als
man glaubt. Ein Blick auf die Geſchichte der Rittergüter belehrt
uns darüber. Was in den altadeligen Grundbeſitz als Neu-
Element einrückt oder gar durch Zuſammenlegung von Bauer-
gütern (und ſelbſtverſtändlich unter ſchließlicher Ernennung ſeitens
des Landesherrn) neue Rittergüter creirt, das ſind entweder
ſelbſt wieder prosperirende, ihren Beſitz erweiternde Adelige, die
für jüngere Söhne einen ebenbürtigen Neubeſitz ſtiften, oder
aber — und das iſt das Häufigere — es ſind Geldleute,
Städter, Repräſentanten einer modernen Zeit, die den Han-
dels- und Induſtriegeiſt in die Landwirthſchaft hineintragen.
Der Bauer folgt ſelten dieſem Beiſpiel; er iſt ſtabil, er bleibt
was er iſt. Wenn er nichts deſto weniger zu ſpeculiren beginnt,
ſo thut ers auf ſeine Weiſe. Es reizt ihn dann weit mehr
das Geld, als das Wachſen der Ackerfläche. Er erweitert ſich
nicht innerhalb ſeiner eigenen Sphäre; er wird eben einfach ein
Anderer.
Die Familie Kaehne bezeichnet einen Ausnahmefall.
Schloß und Park, ſo ſagten wir, ſind Schöpfungen dieſes
Jahrhunderts.
Das Schloß, in ſeiner gegenwärtigen Geſtalt, wurde
nach einem Schinkelſchen Plane ausgeführt. Es zeigt eine
Miſchung von italieniſchem Caſtell- und engliſchem Tudorſtil,
denen beiden die gothiſche Grundlage gemeinſam iſt. Der Bau,
wie er ſich unter Epheu und Linden darſtellt, wirkt pittoresk
genug, ohne daß er im Uebrigen beſonders zu loben wäre. Es
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/203>, abgerufen am 25.11.2024.
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