Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

sich aber die Stunde günstig, so war es wie ein Geschenk der
Götter.

So Großes fehlt hier; aber auch das Kleine genügt.
Genien und wieder Genien, blonde und braune, geflügelte und
ungeflügelte, umschweben und umschwirren uns und die Guir-
landen, die sich zwischen den Fingerspitzen der lachenden Amo-
retten hinziehen, sie haben eine Pracht und Wahrheit der Farbe,
daß es ist, als fielen noch jetzt die Rosen in vollen rothen
Flocken auf uns nieder. Im Theezimmer bringt eine dieser
geflügelten Kleinen ein Tablet mit blaugerändertem Theezeug, --
selbst Boßdorf, als er sein Riesen-Tablet der Lautenschlägerin
präsentirte, hätte von diesem Liebling der Grazien lernen
können.

Diese Zeit sinnlich blühender Renaissance, sie ist dahin.
Was wir jetzt haben, mit allen unsren Prätensionen, wird
nach zweihundert Jahren schwerlich gleiche Freude und Zustim-
mung wecken.

Es war Mittag, als wir wieder auf die Freitreppe hin-
austraten. Der Himmel hatte sich bezogen und gestattete jetzt
einen unbehinderten Blick auf das weite Wasser-Panorama.

Die holländische Yacht mit drei Königen und einem ganzen
Silber-Tresor an Bord, steuerte nicht mehr Havel-abwärts;
aber statt ihrer schwamm eine ganze Flottille von Havelkähnen
heran und am Horizonte stand in scharfen Linien steif-grenadier-
haft die Garnisonkirche von Potsdam: das Symbol des Jüngst-
geborenen im alten Europa, des Militärstaats Preußen.


ſich aber die Stunde günſtig, ſo war es wie ein Geſchenk der
Götter.

So Großes fehlt hier; aber auch das Kleine genügt.
Genien und wieder Genien, blonde und braune, geflügelte und
ungeflügelte, umſchweben und umſchwirren uns und die Guir-
landen, die ſich zwiſchen den Fingerſpitzen der lachenden Amo-
retten hinziehen, ſie haben eine Pracht und Wahrheit der Farbe,
daß es iſt, als fielen noch jetzt die Roſen in vollen rothen
Flocken auf uns nieder. Im Theezimmer bringt eine dieſer
geflügelten Kleinen ein Tablet mit blaugerändertem Theezeug, —
ſelbſt Boßdorf, als er ſein Rieſen-Tablet der Lautenſchlägerin
präſentirte, hätte von dieſem Liebling der Grazien lernen
können.

Dieſe Zeit ſinnlich blühender Renaiſſance, ſie iſt dahin.
Was wir jetzt haben, mit allen unſren Prätenſionen, wird
nach zweihundert Jahren ſchwerlich gleiche Freude und Zuſtim-
mung wecken.

Es war Mittag, als wir wieder auf die Freitreppe hin-
austraten. Der Himmel hatte ſich bezogen und geſtattete jetzt
einen unbehinderten Blick auf das weite Waſſer-Panorama.

Die holländiſche Yacht mit drei Königen und einem ganzen
Silber-Treſor an Bord, ſteuerte nicht mehr Havel-abwärts;
aber ſtatt ihrer ſchwamm eine ganze Flottille von Havelkähnen
heran und am Horizonte ſtand in ſcharfen Linien ſteif-grenadier-
haft die Garniſonkirche von Potsdam: das Symbol des Jüngſt-
geborenen im alten Europa, des Militärſtaats Preußen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0201" n="183"/>
&#x017F;ich aber die Stunde gün&#x017F;tig, &#x017F;o war es wie ein Ge&#x017F;chenk der<lb/>
Götter.</p><lb/>
          <p>So Großes fehlt hier; aber auch das Kleine genügt.<lb/>
Genien und wieder Genien, blonde und braune, geflügelte und<lb/>
ungeflügelte, um&#x017F;chweben und um&#x017F;chwirren uns und die Guir-<lb/>
landen, die &#x017F;ich zwi&#x017F;chen den Finger&#x017F;pitzen der lachenden Amo-<lb/>
retten hinziehen, &#x017F;ie haben eine Pracht und Wahrheit der Farbe,<lb/>
daß es i&#x017F;t, als fielen noch jetzt die Ro&#x017F;en in vollen rothen<lb/>
Flocken auf uns nieder. Im Theezimmer bringt eine die&#x017F;er<lb/>
geflügelten Kleinen ein Tablet mit blaugerändertem Theezeug, &#x2014;<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t Boßdorf, als er &#x017F;ein Rie&#x017F;en-Tablet der Lauten&#x017F;chlägerin<lb/>
prä&#x017F;entirte, hätte von die&#x017F;em Liebling der Grazien lernen<lb/>
können.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Zeit &#x017F;innlich blühender Renai&#x017F;&#x017F;ance, &#x017F;ie i&#x017F;t dahin.<lb/>
Was wir <hi rendition="#g">jetzt</hi> haben, mit allen un&#x017F;ren Präten&#x017F;ionen, wird<lb/>
nach zweihundert Jahren &#x017F;chwerlich gleiche Freude und Zu&#x017F;tim-<lb/>
mung wecken.</p><lb/>
          <p>Es war Mittag, als wir wieder auf die Freitreppe hin-<lb/>
austraten. Der Himmel hatte &#x017F;ich bezogen und ge&#x017F;tattete jetzt<lb/>
einen unbehinderten Blick auf das weite Wa&#x017F;&#x017F;er-Panorama.</p><lb/>
          <p>Die holländi&#x017F;che Yacht mit drei Königen und einem ganzen<lb/>
Silber-Tre&#x017F;or an Bord, &#x017F;teuerte nicht mehr Havel-abwärts;<lb/>
aber &#x017F;tatt ihrer &#x017F;chwamm eine ganze Flottille von Havelkähnen<lb/>
heran und am Horizonte &#x017F;tand in &#x017F;charfen Linien &#x017F;teif-grenadier-<lb/>
haft die Garni&#x017F;onkirche von Potsdam: das Symbol des Jüng&#x017F;t-<lb/>
geborenen im alten Europa, des Militär&#x017F;taats <hi rendition="#g">Preußen</hi>.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0201] ſich aber die Stunde günſtig, ſo war es wie ein Geſchenk der Götter. So Großes fehlt hier; aber auch das Kleine genügt. Genien und wieder Genien, blonde und braune, geflügelte und ungeflügelte, umſchweben und umſchwirren uns und die Guir- landen, die ſich zwiſchen den Fingerſpitzen der lachenden Amo- retten hinziehen, ſie haben eine Pracht und Wahrheit der Farbe, daß es iſt, als fielen noch jetzt die Roſen in vollen rothen Flocken auf uns nieder. Im Theezimmer bringt eine dieſer geflügelten Kleinen ein Tablet mit blaugerändertem Theezeug, — ſelbſt Boßdorf, als er ſein Rieſen-Tablet der Lautenſchlägerin präſentirte, hätte von dieſem Liebling der Grazien lernen können. Dieſe Zeit ſinnlich blühender Renaiſſance, ſie iſt dahin. Was wir jetzt haben, mit allen unſren Prätenſionen, wird nach zweihundert Jahren ſchwerlich gleiche Freude und Zuſtim- mung wecken. Es war Mittag, als wir wieder auf die Freitreppe hin- austraten. Der Himmel hatte ſich bezogen und geſtattete jetzt einen unbehinderten Blick auf das weite Waſſer-Panorama. Die holländiſche Yacht mit drei Königen und einem ganzen Silber-Treſor an Bord, ſteuerte nicht mehr Havel-abwärts; aber ſtatt ihrer ſchwamm eine ganze Flottille von Havelkähnen heran und am Horizonte ſtand in ſcharfen Linien ſteif-grenadier- haft die Garniſonkirche von Potsdam: das Symbol des Jüngſt- geborenen im alten Europa, des Militärſtaats Preußen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/201
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/201>, abgerufen am 25.11.2024.