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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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wie den Kunstbetrieb kennen zu lernen. Dabei wurde, über
die Glasfabrikation hinaus, viel experimentirt.

Worauf diese Bemühungen gerichtet waren, ist nicht mit
Sicherheit festzustellen. Daß es sich um Goldmachekunst und
um Entdeckung des Steins der Weisen gehandelt habe, ist sehr
unwahrscheinlich. Nachweisbar verhielt sich Kunkel gegen solche
Versuche, wenigstens wenn sie von andern ausgingen, sehr
ablehnend. So entzog ihm denn auch der große Kurfürst nie
seine Gnade, wiewohl die Erfolglosigkeit, auch die wissenschaft-
liche, aller der damals unternommenen Experimente so ziemlich
feststeht. Friedrich Wilhelm rechnete (wie Kunkel ihn selbst sagen
läßt) die daran gewendeten Summen zu solchen, die er verspielt
oder im Feuerwerk verpufft habe. Da er jetzt weniger spiele,
so dürfe er das dadurch Gesparte an Forschungen in der Wissen-
schaft setzen.

Mit dem Hinscheiden des Kurfürsten schied aber auch Kun-
kel's Ansehen, wenigstens innerhalb der Mark Brandenburg.
Man machte ihm den Prozeß auf Veruntreuung und Unterschleif
und wenn auch nichts bewiesen werden konnte, eben weil nichts
zu beweisen war,*) so mochte er dennoch von Glück sagen,
durch eine Aufforderung König Karls XI. von Schweden seiner
alten Umgebung entrissen zu werden. Dies war 1692. Er
ging nach Stockholm, wurde schwedischer Bergrath und unter

*) Der Prozeß lief im Wesentlichen auf bloße Chikanen hinaus
und kann einem keine besonders hohe Meinung von der Rechtspflege
jener Epoche beibringen. Der Beklagte sollte eingeschüchtert, abgeschreckt
werden. Als ihm Unterschleife nicht nachgewiesen werden konnten, rich-
tete man schließlich die Frage an ihn: was denn bei all dem Laboriren
und Experimentiren in mehr als 9 Jahren herausgekommen sei? Das
ist nun in der That eine Frage, die schließlich jeden Menschen in Ver-
legenheit setzen kann, und Kunkel gab die beste Antwort, die er unter
so bewandten Umständen geben konnte. Er sagte: "Der hochselige Herr
Kurfürst war ein Liebhaber von seltenen und kuriosen Dingen und
freute sich, wenn etwas zu Stande gebracht wurde, was schön und
zierlich
war. Was dies genutzt hat, diese Frage kann ich nicht
beantworten."
10*

wie den Kunſtbetrieb kennen zu lernen. Dabei wurde, über
die Glasfabrikation hinaus, viel experimentirt.

Worauf dieſe Bemühungen gerichtet waren, iſt nicht mit
Sicherheit feſtzuſtellen. Daß es ſich um Goldmachekunſt und
um Entdeckung des Steins der Weiſen gehandelt habe, iſt ſehr
unwahrſcheinlich. Nachweisbar verhielt ſich Kunkel gegen ſolche
Verſuche, wenigſtens wenn ſie von andern ausgingen, ſehr
ablehnend. So entzog ihm denn auch der große Kurfürſt nie
ſeine Gnade, wiewohl die Erfolgloſigkeit, auch die wiſſenſchaft-
liche, aller der damals unternommenen Experimente ſo ziemlich
feſtſteht. Friedrich Wilhelm rechnete (wie Kunkel ihn ſelbſt ſagen
läßt) die daran gewendeten Summen zu ſolchen, die er verſpielt
oder im Feuerwerk verpufft habe. Da er jetzt weniger ſpiele,
ſo dürfe er das dadurch Geſparte an Forſchungen in der Wiſſen-
ſchaft ſetzen.

Mit dem Hinſcheiden des Kurfürſten ſchied aber auch Kun-
kel’s Anſehen, wenigſtens innerhalb der Mark Brandenburg.
Man machte ihm den Prozeß auf Veruntreuung und Unterſchleif
und wenn auch nichts bewieſen werden konnte, eben weil nichts
zu beweiſen war,*) ſo mochte er dennoch von Glück ſagen,
durch eine Aufforderung König Karls XI. von Schweden ſeiner
alten Umgebung entriſſen zu werden. Dies war 1692. Er
ging nach Stockholm, wurde ſchwediſcher Bergrath und unter

*) Der Prozeß lief im Weſentlichen auf bloße Chikanen hinaus
und kann einem keine beſonders hohe Meinung von der Rechtspflege
jener Epoche beibringen. Der Beklagte ſollte eingeſchüchtert, abgeſchreckt
werden. Als ihm Unterſchleife nicht nachgewieſen werden konnten, rich-
tete man ſchließlich die Frage an ihn: was denn bei all dem Laboriren
und Experimentiren in mehr als 9 Jahren herausgekommen ſei? Das
iſt nun in der That eine Frage, die ſchließlich jeden Menſchen in Ver-
legenheit ſetzen kann, und Kunkel gab die beſte Antwort, die er unter
ſo bewandten Umſtänden geben konnte. Er ſagte: „Der hochſelige Herr
Kurfürſt war ein Liebhaber von ſeltenen und kurioſen Dingen und
freute ſich, wenn etwas zu Stande gebracht wurde, was ſchön und
zierlich
war. Was dies genutzt hat, dieſe Frage kann ich nicht
beantworten.“
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[147/0165] wie den Kunſtbetrieb kennen zu lernen. Dabei wurde, über die Glasfabrikation hinaus, viel experimentirt. Worauf dieſe Bemühungen gerichtet waren, iſt nicht mit Sicherheit feſtzuſtellen. Daß es ſich um Goldmachekunſt und um Entdeckung des Steins der Weiſen gehandelt habe, iſt ſehr unwahrſcheinlich. Nachweisbar verhielt ſich Kunkel gegen ſolche Verſuche, wenigſtens wenn ſie von andern ausgingen, ſehr ablehnend. So entzog ihm denn auch der große Kurfürſt nie ſeine Gnade, wiewohl die Erfolgloſigkeit, auch die wiſſenſchaft- liche, aller der damals unternommenen Experimente ſo ziemlich feſtſteht. Friedrich Wilhelm rechnete (wie Kunkel ihn ſelbſt ſagen läßt) die daran gewendeten Summen zu ſolchen, die er verſpielt oder im Feuerwerk verpufft habe. Da er jetzt weniger ſpiele, ſo dürfe er das dadurch Geſparte an Forſchungen in der Wiſſen- ſchaft ſetzen. Mit dem Hinſcheiden des Kurfürſten ſchied aber auch Kun- kel’s Anſehen, wenigſtens innerhalb der Mark Brandenburg. Man machte ihm den Prozeß auf Veruntreuung und Unterſchleif und wenn auch nichts bewieſen werden konnte, eben weil nichts zu beweiſen war, *) ſo mochte er dennoch von Glück ſagen, durch eine Aufforderung König Karls XI. von Schweden ſeiner alten Umgebung entriſſen zu werden. Dies war 1692. Er ging nach Stockholm, wurde ſchwediſcher Bergrath und unter *) Der Prozeß lief im Weſentlichen auf bloße Chikanen hinaus und kann einem keine beſonders hohe Meinung von der Rechtspflege jener Epoche beibringen. Der Beklagte ſollte eingeſchüchtert, abgeſchreckt werden. Als ihm Unterſchleife nicht nachgewieſen werden konnten, rich- tete man ſchließlich die Frage an ihn: was denn bei all dem Laboriren und Experimentiren in mehr als 9 Jahren herausgekommen ſei? Das iſt nun in der That eine Frage, die ſchließlich jeden Menſchen in Ver- legenheit ſetzen kann, und Kunkel gab die beſte Antwort, die er unter ſo bewandten Umſtänden geben konnte. Er ſagte: „Der hochſelige Herr Kurfürſt war ein Liebhaber von ſeltenen und kurioſen Dingen und freute ſich, wenn etwas zu Stande gebracht wurde, was ſchön und zierlich war. Was dies genutzt hat, dieſe Frage kann ich nicht beantworten.“ 10*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/165>, abgerufen am 29.11.2024.