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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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colaus an und spielte auf. Da entsetzten sich die Barfuse und lie-
ßen den Pfarrer holen. Als er kam, fingen sie an mit ihm zu
beten, und beteten, bis der Sackpfeifer wieder verschwunden war.

Aber der Teufel war doch im Hause gewesen und Unfrieden
ließ er zurück. Fehde brach aus zwischen den Brüdern; die beiden
älteren standen sich im Zweikampf gegenüber, und auf dem Gras-
platz am Teich, hundert Schritt hinter dem rothen Hause, fiel
Richard, der älteste, von der Hand des zweiten Bruders, eben
jenes Nicolaus, der an dem geschilderten Zechabend den unheimli-
chen Sackpfeifer herbei gerufen hatte.

Unfriede kam in's Haus und alsbald jedes Unglück im Geleit.
Der dreißigjährige Krieg legte die Felder wüst und fünfzig Jahre
später war kein Barfus mehr in Predikow. Intrigue und Gewalt
hatten ihnen ihr altes Erbe entwunden.

In Predikow ist wenig oder nichts mehr, das an die alten
Barfus-Zeiten erinnerte. Noch unterscheidet man ein Ober- und
Unterdorf, noch weiß man, wo das "rothe Haus" gestanden und
wo der älteste Bruder, zum Tod getroffen, zusammensank; aber
sonst schweigt an dieser Stelle alles von den Barfusen, wiewohl
die alte Ulmenallee noch steht, die sie gepflanzt, und die alte Kirche,
die sie gebaut haben.

Diese Kirche ist eine jener einfach malerischen Feldsteinbauten,
wie man ihnen, aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert
her, so oft in den Marken begegnet. Ein Christuskopf auf dem
Schweißtuch der heiligen Veronica, eine rohe Arbeit, stammt viel-
leicht noch aus jener Zeit der "vier Brüder", aber niemand weiß
es zu sagen. Im Jahr 1821 war ferner noch ein Barfussches
Wappenfenster da; indessen protestantisches "Lichtbedürfniß" hat
längst seitdem das bunte Glas beseitigt und eine "helle Scheibe"
an die Stelle der bunten gesetzt. Nichts mehr mahnt an die Bar-
fuse hier als ihre Gruft, aber auch die Sprache der Särge ist
stumm gemacht. Der Eingang in das Gewölbe ist zugemauert, und
die Gruft selber, so würden wir glauben, längst verschüttet, wenn
nicht der Estrich hie und da tief versänke und hohlen Klang gäbe

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colaus an und ſpielte auf. Da entſetzten ſich die Barfuſe und lie-
ßen den Pfarrer holen. Als er kam, fingen ſie an mit ihm zu
beten, und beteten, bis der Sackpfeifer wieder verſchwunden war.

Aber der Teufel war doch im Hauſe geweſen und Unfrieden
ließ er zurück. Fehde brach aus zwiſchen den Brüdern; die beiden
älteren ſtanden ſich im Zweikampf gegenüber, und auf dem Gras-
platz am Teich, hundert Schritt hinter dem rothen Hauſe, fiel
Richard, der älteſte, von der Hand des zweiten Bruders, eben
jenes Nicolaus, der an dem geſchilderten Zechabend den unheimli-
chen Sackpfeifer herbei gerufen hatte.

Unfriede kam in’s Haus und alsbald jedes Unglück im Geleit.
Der dreißigjährige Krieg legte die Felder wüſt und fünfzig Jahre
ſpäter war kein Barfus mehr in Predikow. Intrigue und Gewalt
hatten ihnen ihr altes Erbe entwunden.

In Predikow iſt wenig oder nichts mehr, das an die alten
Barfus-Zeiten erinnerte. Noch unterſcheidet man ein Ober- und
Unterdorf, noch weiß man, wo das „rothe Haus“ geſtanden und
wo der älteſte Bruder, zum Tod getroffen, zuſammenſank; aber
ſonſt ſchweigt an dieſer Stelle alles von den Barfuſen, wiewohl
die alte Ulmenallee noch ſteht, die ſie gepflanzt, und die alte Kirche,
die ſie gebaut haben.

Dieſe Kirche iſt eine jener einfach maleriſchen Feldſteinbauten,
wie man ihnen, aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert
her, ſo oft in den Marken begegnet. Ein Chriſtuskopf auf dem
Schweißtuch der heiligen Veronica, eine rohe Arbeit, ſtammt viel-
leicht noch aus jener Zeit der „vier Brüder“, aber niemand weiß
es zu ſagen. Im Jahr 1821 war ferner noch ein Barfusſches
Wappenfenſter da; indeſſen proteſtantiſches „Lichtbedürfniß“ hat
längſt ſeitdem das bunte Glas beſeitigt und eine „helle Scheibe“
an die Stelle der bunten geſetzt. Nichts mehr mahnt an die Bar-
fuſe hier als ihre Gruft, aber auch die Sprache der Särge iſt
ſtumm gemacht. Der Eingang in das Gewölbe iſt zugemauert, und
die Gruft ſelber, ſo würden wir glauben, längſt verſchüttet, wenn
nicht der Eſtrich hie und da tief verſänke und hohlen Klang gäbe

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[83/0095] colaus an und ſpielte auf. Da entſetzten ſich die Barfuſe und lie- ßen den Pfarrer holen. Als er kam, fingen ſie an mit ihm zu beten, und beteten, bis der Sackpfeifer wieder verſchwunden war. Aber der Teufel war doch im Hauſe geweſen und Unfrieden ließ er zurück. Fehde brach aus zwiſchen den Brüdern; die beiden älteren ſtanden ſich im Zweikampf gegenüber, und auf dem Gras- platz am Teich, hundert Schritt hinter dem rothen Hauſe, fiel Richard, der älteſte, von der Hand des zweiten Bruders, eben jenes Nicolaus, der an dem geſchilderten Zechabend den unheimli- chen Sackpfeifer herbei gerufen hatte. Unfriede kam in’s Haus und alsbald jedes Unglück im Geleit. Der dreißigjährige Krieg legte die Felder wüſt und fünfzig Jahre ſpäter war kein Barfus mehr in Predikow. Intrigue und Gewalt hatten ihnen ihr altes Erbe entwunden. In Predikow iſt wenig oder nichts mehr, das an die alten Barfus-Zeiten erinnerte. Noch unterſcheidet man ein Ober- und Unterdorf, noch weiß man, wo das „rothe Haus“ geſtanden und wo der älteſte Bruder, zum Tod getroffen, zuſammenſank; aber ſonſt ſchweigt an dieſer Stelle alles von den Barfuſen, wiewohl die alte Ulmenallee noch ſteht, die ſie gepflanzt, und die alte Kirche, die ſie gebaut haben. Dieſe Kirche iſt eine jener einfach maleriſchen Feldſteinbauten, wie man ihnen, aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert her, ſo oft in den Marken begegnet. Ein Chriſtuskopf auf dem Schweißtuch der heiligen Veronica, eine rohe Arbeit, ſtammt viel- leicht noch aus jener Zeit der „vier Brüder“, aber niemand weiß es zu ſagen. Im Jahr 1821 war ferner noch ein Barfusſches Wappenfenſter da; indeſſen proteſtantiſches „Lichtbedürfniß“ hat längſt ſeitdem das bunte Glas beſeitigt und eine „helle Scheibe“ an die Stelle der bunten geſetzt. Nichts mehr mahnt an die Bar- fuſe hier als ihre Gruft, aber auch die Sprache der Särge iſt ſtumm gemacht. Der Eingang in das Gewölbe iſt zugemauert, und die Gruft ſelber, ſo würden wir glauben, längſt verſchüttet, wenn nicht der Eſtrich hie und da tief verſänke und hohlen Klang gäbe 6*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/95>, abgerufen am 02.05.2024.