die Stelle von Sattel und Schabracke. So sitz ich da, einen Knittel als Peitsche in der Hand und einen Strohhut statt des Helmes auf dem Kopf. Zu beiden Seiten meines Esels marschirt ein halbes Dutzend Bauern, mit Sensen, Pflugschaaren und an- deren Attributen der Landwirthschaft, und müht sich, Schritt zu halten und einen Ernst zu zeigen, wie er der Sache angemessen ist. Dann folgt, auf der Höhe eines schwerbeladenen Heuwagens, die heroische Gestalt des Seigneur von Natzmer, der Wagen selbst von vier Ochsen und einer Stute gezogen. Ich bitte Sie, verehr- teste Cousine, mich bei Anordnung dieser Ceremonie unterstützen zu wollen. Was mich angeht, so ziehe ich es vor, eine wirkliche Ur- sache zu Hohn und Spott zu geben, als ohne allen Grund von einem frechen Volkshaufen ausgelacht zu werden. Ich treffe alle Vorbereitungen für diesen meinen Einzug und warte nur noch Ihrer Ordre, um sie ins Werk zu setzen."
Dieser Brief, mit seinen Vorzügen und Schwächen, was ist er anders, als ein kleiner humoristischer Versuch, der der schönen Freundin in Tamsel übersandt wird, um bei nächster Gelegenheit einiges Verbindliche, Schmeichelhafte darüber zu hören.
Noch einmal, die ästhetisch-literarischen Bedürfnisse des Kron- prinzen schufen und unterhielten das Verhältniß, und wenn die Neigung des jungen Poeten, wie kein Zweifel ist, zu Zeiten die Gestalt einer leidenschaftlichen Liebe annahm, so bleibt es doch mindestens ungewiß, ob diese Liebe eine glückliche, eine gegenseitige war. Wenn wir darüber die Schlußsätze des letzten Briefes vom 20. Februar zu Rathe ziehen, so scheint es beinahe, daß Frau von Wreech (wie schon angedeutet) hinnahm, was sie nicht ändern konnte, und daß sie, namentlich nachdem die erste poetische Be- wunderung vorüber war, des Kronprinzen Neigung mehr duldete, als erwiederte. Diese Schlußsätze des Prinzlichen Briefes lauten: "So schicke ich Ihnen denn mein Bild. Ich hoffe, daß es wenig- stens dazu dienen wird, mich dann und wann in Ihre Erinne- rung zu bringen und Sie sagen zu machen: er war au fond ein guter Junge (un assez bon garcon), aber er langweilte mich,
die Stelle von Sattel und Schabracke. So ſitz ich da, einen Knittel als Peitſche in der Hand und einen Strohhut ſtatt des Helmes auf dem Kopf. Zu beiden Seiten meines Eſels marſchirt ein halbes Dutzend Bauern, mit Senſen, Pflugſchaaren und an- deren Attributen der Landwirthſchaft, und müht ſich, Schritt zu halten und einen Ernſt zu zeigen, wie er der Sache angemeſſen iſt. Dann folgt, auf der Höhe eines ſchwerbeladenen Heuwagens, die heroiſche Geſtalt des Seigneur von Natzmer, der Wagen ſelbſt von vier Ochſen und einer Stute gezogen. Ich bitte Sie, verehr- teſte Couſine, mich bei Anordnung dieſer Ceremonie unterſtützen zu wollen. Was mich angeht, ſo ziehe ich es vor, eine wirkliche Ur- ſache zu Hohn und Spott zu geben, als ohne allen Grund von einem frechen Volkshaufen ausgelacht zu werden. Ich treffe alle Vorbereitungen für dieſen meinen Einzug und warte nur noch Ihrer Ordre, um ſie ins Werk zu ſetzen.“
Dieſer Brief, mit ſeinen Vorzügen und Schwächen, was iſt er anders, als ein kleiner humoriſtiſcher Verſuch, der der ſchönen Freundin in Tamſel überſandt wird, um bei nächſter Gelegenheit einiges Verbindliche, Schmeichelhafte darüber zu hören.
Noch einmal, die äſthetiſch-literariſchen Bedürfniſſe des Kron- prinzen ſchufen und unterhielten das Verhältniß, und wenn die Neigung des jungen Poeten, wie kein Zweifel iſt, zu Zeiten die Geſtalt einer leidenſchaftlichen Liebe annahm, ſo bleibt es doch mindeſtens ungewiß, ob dieſe Liebe eine glückliche, eine gegenſeitige war. Wenn wir darüber die Schlußſätze des letzten Briefes vom 20. Februar zu Rathe ziehen, ſo ſcheint es beinahe, daß Frau von Wreech (wie ſchon angedeutet) hinnahm, was ſie nicht ändern konnte, und daß ſie, namentlich nachdem die erſte poetiſche Be- wunderung vorüber war, des Kronprinzen Neigung mehr duldete, als erwiederte. Dieſe Schlußſätze des Prinzlichen Briefes lauten: „So ſchicke ich Ihnen denn mein Bild. Ich hoffe, daß es wenig- ſtens dazu dienen wird, mich dann und wann in Ihre Erinne- rung zu bringen und Sie ſagen zu machen: er war au fond ein guter Junge (un assez bon garçon), aber er langweilte mich,
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die Stelle von Sattel und Schabracke. So ſitz ich da, einen
Knittel als Peitſche in der Hand und einen Strohhut ſtatt des
Helmes auf dem Kopf. Zu beiden Seiten meines Eſels marſchirt
ein halbes Dutzend Bauern, mit Senſen, Pflugſchaaren und an-
deren Attributen der Landwirthſchaft, und müht ſich, Schritt zu
halten und einen Ernſt zu zeigen, wie er der Sache angemeſſen
iſt. Dann folgt, auf der Höhe eines ſchwerbeladenen Heuwagens,
die heroiſche Geſtalt des Seigneur von Natzmer, der Wagen ſelbſt
von vier Ochſen und einer Stute gezogen. Ich bitte Sie, verehr-
teſte Couſine, mich bei Anordnung dieſer Ceremonie unterſtützen zu
wollen. Was mich angeht, ſo ziehe ich es vor, eine wirkliche Ur-
ſache zu Hohn und Spott zu geben, als ohne allen Grund von
einem frechen Volkshaufen ausgelacht zu werden. Ich treffe alle
Vorbereitungen für dieſen meinen Einzug und warte nur noch
Ihrer Ordre, um ſie ins Werk zu ſetzen.“
Dieſer Brief, mit ſeinen Vorzügen und Schwächen, was iſt
er anders, als ein kleiner humoriſtiſcher Verſuch, der der ſchönen
Freundin in Tamſel überſandt wird, um bei nächſter Gelegenheit
einiges Verbindliche, Schmeichelhafte darüber zu hören.
Noch einmal, die äſthetiſch-literariſchen Bedürfniſſe des Kron-
prinzen ſchufen und unterhielten das Verhältniß, und wenn die
Neigung des jungen Poeten, wie kein Zweifel iſt, zu Zeiten die
Geſtalt einer leidenſchaftlichen Liebe annahm, ſo bleibt es doch
mindeſtens ungewiß, ob dieſe Liebe eine glückliche, eine gegenſeitige
war. Wenn wir darüber die Schlußſätze des letzten Briefes vom
20. Februar zu Rathe ziehen, ſo ſcheint es beinahe, daß Frau
von Wreech (wie ſchon angedeutet) hinnahm, was ſie nicht ändern
konnte, und daß ſie, namentlich nachdem die erſte poetiſche Be-
wunderung vorüber war, des Kronprinzen Neigung mehr duldete,
als erwiederte. Dieſe Schlußſätze des Prinzlichen Briefes lauten:
„So ſchicke ich Ihnen denn mein Bild. Ich hoffe, daß es wenig-
ſtens dazu dienen wird, mich dann und wann in Ihre Erinne-
rung zu bringen und Sie ſagen zu machen: er war au fond ein
guter Junge (un assez bon garçon), aber er langweilte mich,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/66>, abgerufen am 23.11.2024.
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