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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Grenze der Gegenwart geführt, aber noch haben wir in aller Kürze
von Tagen zu erzählen, die dem Anfange dieses Jahrhunderts an-
gehören; ich meine die Kriegs- und die Franzosenzeit, die ganze
Epoche von Jena bis Leipzig. Auch Cunersdorf hat seine Erinne-
rungen und sogar seine kleinen historischen Momente aus jener
Zeit her.

Die Schlacht von Jena war geschlagen und die Sieger gin-
gen wie eine Welle über das Land hin. Von dieser ersten Kriegs-
noth scheint Cunersdorf wenig oder gar nicht berührt worden zu
sein, erst der Rückschlag der Welle (wie er dem Frieden von Tilsit
folgte) brachte den Feind auch in diese Gegenden. Die Marken,
unter allerhand Vorwand, blieben okkupirt, trotzdem der Wortlaut
des Friedens alles Land östlich der Elbe dem besiegten Preußen
gelassen hatte und von den okkupirenden Truppen kamen die be-
rühmten Kavallerie-Regimenter, die die Division Nansouty bildeten,
in die Oderbruchdörfer zu liegen. Die Wahl war gut getroffen;
wo hätten die 10,000 Pferde sich wohler fühlen können, als in
der Kornkammer der Provinz? In Schloß Cunersdorf allein lagen
48 Franzosen in Quartier, darunter wenigstens zehn Offiziere.
Einzelne gehörten guten Familien an, die meisten aber waren roh
und ungebildet und machten es der Itzenplitz'schen Familie un-
möglich, mit ihnen zu leben. Zehn Monate lang lag diese "schwere
Cavallerie" (schwer in jedem Sinne) in den Oderbruchdörfern;
endlich rückte sie westwärts. Liebesaventuren, Händel, Hazard und
Pistolenschießen hatten plötzlich ein Ende, und Schloß Cunersdorf
wurde gelüftet und gebadet, als wäre der Böse darin gewesen.
Die Regimenter zogen nach Spanien, später, wenigstens theilweis,
nach Rußland.

Aber wenn man im Oderbruch und speciell in Cunersdorf
dieser schweren Kavallerie nicht vergaß, so vergaß diese auch ihrer-
seits nicht, wie "fette Weide" diese Gegenden für Roß und Reiter
geboten. Im Januar 1813 kamen Quartiermacher durch das Dorf
und gaben Zettel im Schloß und auf dem Schulzenamt ab, in denen
die nahe Ankunft der "Nansouth'schen" und ihrer Anverwandten

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Grenze der Gegenwart geführt, aber noch haben wir in aller Kürze
von Tagen zu erzählen, die dem Anfange dieſes Jahrhunderts an-
gehören; ich meine die Kriegs- und die Franzoſenzeit, die ganze
Epoche von Jena bis Leipzig. Auch Cunersdorf hat ſeine Erinne-
rungen und ſogar ſeine kleinen hiſtoriſchen Momente aus jener
Zeit her.

Die Schlacht von Jena war geſchlagen und die Sieger gin-
gen wie eine Welle über das Land hin. Von dieſer erſten Kriegs-
noth ſcheint Cunersdorf wenig oder gar nicht berührt worden zu
ſein, erſt der Rückſchlag der Welle (wie er dem Frieden von Tilſit
folgte) brachte den Feind auch in dieſe Gegenden. Die Marken,
unter allerhand Vorwand, blieben okkupirt, trotzdem der Wortlaut
des Friedens alles Land öſtlich der Elbe dem beſiegten Preußen
gelaſſen hatte und von den okkupirenden Truppen kamen die be-
rühmten Kavallerie-Regimenter, die die Diviſion Nanſouty bildeten,
in die Oderbruchdörfer zu liegen. Die Wahl war gut getroffen;
wo hätten die 10,000 Pferde ſich wohler fühlen können, als in
der Kornkammer der Provinz? In Schloß Cunersdorf allein lagen
48 Franzoſen in Quartier, darunter wenigſtens zehn Offiziere.
Einzelne gehörten guten Familien an, die meiſten aber waren roh
und ungebildet und machten es der Itzenplitz’ſchen Familie un-
möglich, mit ihnen zu leben. Zehn Monate lang lag dieſe „ſchwere
Cavallerie“ (ſchwer in jedem Sinne) in den Oderbruchdörfern;
endlich rückte ſie weſtwärts. Liebesaventuren, Händel, Hazard und
Piſtolenſchießen hatten plötzlich ein Ende, und Schloß Cunersdorf
wurde gelüftet und gebadet, als wäre der Böſe darin geweſen.
Die Regimenter zogen nach Spanien, ſpäter, wenigſtens theilweis,
nach Rußland.

Aber wenn man im Oderbruch und ſpeciell in Cunersdorf
dieſer ſchweren Kavallerie nicht vergaß, ſo vergaß dieſe auch ihrer-
ſeits nicht, wie „fette Weide“ dieſe Gegenden für Roß und Reiter
geboten. Im Januar 1813 kamen Quartiermacher durch das Dorf
und gaben Zettel im Schloß und auf dem Schulzenamt ab, in denen
die nahe Ankunft der „Nanſouth’ſchen“ und ihrer Anverwandten

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[467/0479] Grenze der Gegenwart geführt, aber noch haben wir in aller Kürze von Tagen zu erzählen, die dem Anfange dieſes Jahrhunderts an- gehören; ich meine die Kriegs- und die Franzoſenzeit, die ganze Epoche von Jena bis Leipzig. Auch Cunersdorf hat ſeine Erinne- rungen und ſogar ſeine kleinen hiſtoriſchen Momente aus jener Zeit her. Die Schlacht von Jena war geſchlagen und die Sieger gin- gen wie eine Welle über das Land hin. Von dieſer erſten Kriegs- noth ſcheint Cunersdorf wenig oder gar nicht berührt worden zu ſein, erſt der Rückſchlag der Welle (wie er dem Frieden von Tilſit folgte) brachte den Feind auch in dieſe Gegenden. Die Marken, unter allerhand Vorwand, blieben okkupirt, trotzdem der Wortlaut des Friedens alles Land öſtlich der Elbe dem beſiegten Preußen gelaſſen hatte und von den okkupirenden Truppen kamen die be- rühmten Kavallerie-Regimenter, die die Diviſion Nanſouty bildeten, in die Oderbruchdörfer zu liegen. Die Wahl war gut getroffen; wo hätten die 10,000 Pferde ſich wohler fühlen können, als in der Kornkammer der Provinz? In Schloß Cunersdorf allein lagen 48 Franzoſen in Quartier, darunter wenigſtens zehn Offiziere. Einzelne gehörten guten Familien an, die meiſten aber waren roh und ungebildet und machten es der Itzenplitz’ſchen Familie un- möglich, mit ihnen zu leben. Zehn Monate lang lag dieſe „ſchwere Cavallerie“ (ſchwer in jedem Sinne) in den Oderbruchdörfern; endlich rückte ſie weſtwärts. Liebesaventuren, Händel, Hazard und Piſtolenſchießen hatten plötzlich ein Ende, und Schloß Cunersdorf wurde gelüftet und gebadet, als wäre der Böſe darin geweſen. Die Regimenter zogen nach Spanien, ſpäter, wenigſtens theilweis, nach Rußland. Aber wenn man im Oderbruch und ſpeciell in Cunersdorf dieſer ſchweren Kavallerie nicht vergaß, ſo vergaß dieſe auch ihrer- ſeits nicht, wie „fette Weide“ dieſe Gegenden für Roß und Reiter geboten. Im Januar 1813 kamen Quartiermacher durch das Dorf und gaben Zettel im Schloß und auf dem Schulzenamt ab, in denen die nahe Ankunft der „Nanſouth’ſchen“ und ihrer Anverwandten 30*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/479>, abgerufen am 25.11.2024.