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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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auf (auch wohl ausgeschmückt), was einst That gewesen war. Die
großen Tage wurden wieder lebendig. Ein Gang durch den Park,
ein Ritt in's Feld, die Freuden der Tafel, auch Billardspiel füll-
ten den Tag aus (zur Jagd war man zu alt, auch war sie nicht
Mode unter dem großen König); der Abend gehörte dem Tarock
oder dem Geplauder. Festtage waren die Besuchstage in der Um-
gegend, zumal bei "Prittwitzens" in dem nahe gelegenen Qui-
litz. Mit allen Dehors, die dem gegenseitigen Range gebührten,
ging man dabei zu Werke; 6 Pferde (nie weniger) wurden vor
die Staatskarosse gelegt, der Staub auf dem ziemlich öden und
sandigen Wege wirbelte auf und der Kutscher beschrieb mit mög-
lichster Eleganz die Curve, die das langgespannte Gefährt auf die
Rampe des Quilitzer Schlosses führte. Aber solche Besuche fanden
nicht häufig statt. Prittwitz spielte hoch (noch 1790 nahm er
dem Herzog von Mecklenburg 30,000 Thaler in einer Nacht ab)
und Lestwitz war ein guter Wirth und frommer Christ.

So vergingen die Tage in Schloß Cunersdorf bis 1788,
vielleicht auch noch bis 1793, wo die Generalin von Lestwitz
ihrem Gatten folgte. Von da ab wurde es anders. Sinn und
Geschmack der Frau von Friedland lagen nach anderer Seite
hin, und statt der "alten Kameraden", die nichts hatten als ihre
Erinnerungen und nichts liebten als ihre Spielparthie, wurden
nun -- gleichsam eine andere Hinterlassenschaft aus der Fridricia-
nischen Zeit her -- die Berliner Savants, die Akademiker und
Philosophen in Schloß Cunersdorf heimisch. Zum Theil mochte
das Nicolai'sche Haus (in welchem Frau von Friedland ihre
Stadtwohnung beibehielt) eine äußerliche Veranlassung dazu bieten,
was aber den Ausschlag gab, das lag tiefer. Die Epoche der geist-
reichen Cirkel, die, zehn Jahre später, in der Prinz Louis Fer-
dinand
-Zeit ihren Höhepunkt erreichte, war eben angebrochen;
Geburt war nicht viel (oder sollte nicht viel sein), Talent war
alles. Diese Anschauung, damals die herrschende, herrschte auch in
Schloß Cunersdorf. An Stelle der Obersten und Generale
traten mehr und mehr die Gelehrten und Akademiker in den Vor-

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auf (auch wohl ausgeſchmückt), was einſt That geweſen war. Die
großen Tage wurden wieder lebendig. Ein Gang durch den Park,
ein Ritt in’s Feld, die Freuden der Tafel, auch Billardſpiel füll-
ten den Tag aus (zur Jagd war man zu alt, auch war ſie nicht
Mode unter dem großen König); der Abend gehörte dem Tarock
oder dem Geplauder. Feſttage waren die Beſuchstage in der Um-
gegend, zumal bei „Prittwitzens“ in dem nahe gelegenen Qui-
litz. Mit allen Dehors, die dem gegenſeitigen Range gebührten,
ging man dabei zu Werke; 6 Pferde (nie weniger) wurden vor
die Staatskaroſſe gelegt, der Staub auf dem ziemlich öden und
ſandigen Wege wirbelte auf und der Kutſcher beſchrieb mit mög-
lichſter Eleganz die Curve, die das langgeſpannte Gefährt auf die
Rampe des Quilitzer Schloſſes führte. Aber ſolche Beſuche fanden
nicht häufig ſtatt. Prittwitz ſpielte hoch (noch 1790 nahm er
dem Herzog von Mecklenburg 30,000 Thaler in einer Nacht ab)
und Leſtwitz war ein guter Wirth und frommer Chriſt.

So vergingen die Tage in Schloß Cunersdorf bis 1788,
vielleicht auch noch bis 1793, wo die Generalin von Leſtwitz
ihrem Gatten folgte. Von da ab wurde es anders. Sinn und
Geſchmack der Frau von Friedland lagen nach anderer Seite
hin, und ſtatt der „alten Kameraden“, die nichts hatten als ihre
Erinnerungen und nichts liebten als ihre Spielparthie, wurden
nun — gleichſam eine andere Hinterlaſſenſchaft aus der Fridricia-
niſchen Zeit her — die Berliner Savants, die Akademiker und
Philoſophen in Schloß Cunersdorf heimiſch. Zum Theil mochte
das Nicolai’ſche Haus (in welchem Frau von Friedland ihre
Stadtwohnung beibehielt) eine äußerliche Veranlaſſung dazu bieten,
was aber den Ausſchlag gab, das lag tiefer. Die Epoche der geiſt-
reichen Cirkel, die, zehn Jahre ſpäter, in der Prinz Louis Fer-
dinand
-Zeit ihren Höhepunkt erreichte, war eben angebrochen;
Geburt war nicht viel (oder ſollte nicht viel ſein), Talent war
alles. Dieſe Anſchauung, damals die herrſchende, herrſchte auch in
Schloß Cunersdorf. An Stelle der Oberſten und Generale
traten mehr und mehr die Gelehrten und Akademiker in den Vor-

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[465/0477] auf (auch wohl ausgeſchmückt), was einſt That geweſen war. Die großen Tage wurden wieder lebendig. Ein Gang durch den Park, ein Ritt in’s Feld, die Freuden der Tafel, auch Billardſpiel füll- ten den Tag aus (zur Jagd war man zu alt, auch war ſie nicht Mode unter dem großen König); der Abend gehörte dem Tarock oder dem Geplauder. Feſttage waren die Beſuchstage in der Um- gegend, zumal bei „Prittwitzens“ in dem nahe gelegenen Qui- litz. Mit allen Dehors, die dem gegenſeitigen Range gebührten, ging man dabei zu Werke; 6 Pferde (nie weniger) wurden vor die Staatskaroſſe gelegt, der Staub auf dem ziemlich öden und ſandigen Wege wirbelte auf und der Kutſcher beſchrieb mit mög- lichſter Eleganz die Curve, die das langgeſpannte Gefährt auf die Rampe des Quilitzer Schloſſes führte. Aber ſolche Beſuche fanden nicht häufig ſtatt. Prittwitz ſpielte hoch (noch 1790 nahm er dem Herzog von Mecklenburg 30,000 Thaler in einer Nacht ab) und Leſtwitz war ein guter Wirth und frommer Chriſt. So vergingen die Tage in Schloß Cunersdorf bis 1788, vielleicht auch noch bis 1793, wo die Generalin von Leſtwitz ihrem Gatten folgte. Von da ab wurde es anders. Sinn und Geſchmack der Frau von Friedland lagen nach anderer Seite hin, und ſtatt der „alten Kameraden“, die nichts hatten als ihre Erinnerungen und nichts liebten als ihre Spielparthie, wurden nun — gleichſam eine andere Hinterlaſſenſchaft aus der Fridricia- niſchen Zeit her — die Berliner Savants, die Akademiker und Philoſophen in Schloß Cunersdorf heimiſch. Zum Theil mochte das Nicolai’ſche Haus (in welchem Frau von Friedland ihre Stadtwohnung beibehielt) eine äußerliche Veranlaſſung dazu bieten, was aber den Ausſchlag gab, das lag tiefer. Die Epoche der geiſt- reichen Cirkel, die, zehn Jahre ſpäter, in der Prinz Louis Fer- dinand-Zeit ihren Höhepunkt erreichte, war eben angebrochen; Geburt war nicht viel (oder ſollte nicht viel ſein), Talent war alles. Dieſe Anſchauung, damals die herrſchende, herrſchte auch in Schloß Cunersdorf. An Stelle der Oberſten und Generale traten mehr und mehr die Gelehrten und Akademiker in den Vor- 30

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/477>, abgerufen am 11.05.2024.