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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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und von Schöning, der sie mit nach Tamsel nahm, sorgfältig
erzogen.

Fatime kam später nach Warschau, wo sie eben so sehr durch
ihre blendende Schönheit wie durch das romantische Interesse ihres
Geschicks, aller Augen auf sich zog und ein Glanzpunkt der Gesell-
schaft wurde. Unter ihren Bewerbern war auch König August, dem
sie lange widerstand, bis sie endlich dem Grafen Rutowski das
Leben gab. Fatime vermählte sich später in die Spiegelsche Familie;
ihr Sohn Rutowski aber stieg bis zum sächsischen Feldmarschall
und ist, wenn wir nicht irren, derselbe, der bei Ausbruch des
siebenjährigen Kriegs gezwungen war, bei Pirna zu kapituliren. *)


*) Wie Fatime in Polen und Sachsen, so spielte eine andere Türkin,
Emmetah Uellah, fünfzig Jahre später in Preußen eine Rolle. Im Jahr
1766 kam der bekannte Lord Marshall, der letzte "Freund" des Königs
nach Potsdam und lebte in dem nach ihm genannten Hause in Sans-
souci. Ihn begleitete seine Pflegetochter Emmetah Uellah, die Tochter eines
Janitscharenhauptmanns, welche sein Bruder, der Feldmarschall Keith, im
Jahre 1737 bei der Erstürmung der Festung Oczakow, vor sicherem Tode
gerettet hatte. Emmetah Uellah ("die Barmherzigkeit Gottes") war eine
auffallende Schönheit, sorglich von ihrem Pflegevater gebildet und in hohem
Grade liebenswürdig. Schon 1747, als sie mit dem damals noch kaiserlich
russischen Feldmarschall zum erstenmal nach Berlin kam, hatte sie allge-
meines Aufsehen durch ihre eigenthümliche Schönheit und Lebhaftigkeit er-
regt, dann auf den Gesandtschaftsreisen ihres Pflegevaters sich so vortheil-
haft ausgebildet, daß sie mit ungezwungenstem Anstand die Honneurs des
Hauses machen konnte. D'Alembert erzählt von ihr, Lord Marshall, ob-
gleich schon im Greisenalter, habe eine leidenschaftliche Neigung für sie ge-
faßt, sei aber nicht erhört worden. Emmetah erwiederte auf den Antrag des
Lords: "Ich bin deine Sklavin, und du kannst mit mir schalten, wie du
willst; aber du würdest mich sehr unglücklich machen, wenn du von dei-
nem Rechte Gebrauch machen wolltest. Ich liebe dich wie eine zärtliche
Tochter ihren Vater nur lieben kann, mehr aber verlange nicht von mir!"
Lord Marshall dachte viel zu edel, um der Unterwürfigkeit einer Sklavin
zu verdanken, was die Liebe des Mädchens ihm versagte, und selbst die
giftigste Zunge unter den Tischgenossen Friedrichs hat es nicht gewagt,
das Verhältniß zwischen beiden zu verdächtigen. Der König, welcher nicht
liebte, Frauenzimmern in Sanssouci zu begegnen, sah sie nur bei seinen
Besuchen in Lord Marshalls Hause, wo sie in den ersten Jahren die lie-
benswürdigste Wirthin zu machen wußte. Emmetah war wohl vorzüglich

und von Schöning, der ſie mit nach Tamſel nahm, ſorgfältig
erzogen.

Fatime kam ſpäter nach Warſchau, wo ſie eben ſo ſehr durch
ihre blendende Schönheit wie durch das romantiſche Intereſſe ihres
Geſchicks, aller Augen auf ſich zog und ein Glanzpunkt der Geſell-
ſchaft wurde. Unter ihren Bewerbern war auch König Auguſt, dem
ſie lange widerſtand, bis ſie endlich dem Grafen Rutowski das
Leben gab. Fatime vermählte ſich ſpäter in die Spiegelſche Familie;
ihr Sohn Rutowski aber ſtieg bis zum ſächſiſchen Feldmarſchall
und iſt, wenn wir nicht irren, derſelbe, der bei Ausbruch des
ſiebenjährigen Kriegs gezwungen war, bei Pirna zu kapituliren. *)


*) Wie Fatime in Polen und Sachſen, ſo ſpielte eine andere Türkin,
Emmetah Uellah, fünfzig Jahre ſpäter in Preußen eine Rolle. Im Jahr
1766 kam der bekannte Lord Marſhall, der letzte „Freund“ des Königs
nach Potsdam und lebte in dem nach ihm genannten Hauſe in Sans-
ſouci. Ihn begleitete ſeine Pflegetochter Emmetah Uellah, die Tochter eines
Janitſcharenhauptmanns, welche ſein Bruder, der Feldmarſchall Keith, im
Jahre 1737 bei der Erſtürmung der Feſtung Oczakow, vor ſicherem Tode
gerettet hatte. Emmetah Uellah („die Barmherzigkeit Gottes“) war eine
auffallende Schönheit, ſorglich von ihrem Pflegevater gebildet und in hohem
Grade liebenswürdig. Schon 1747, als ſie mit dem damals noch kaiſerlich
ruſſiſchen Feldmarſchall zum erſtenmal nach Berlin kam, hatte ſie allge-
meines Aufſehen durch ihre eigenthümliche Schönheit und Lebhaftigkeit er-
regt, dann auf den Geſandtſchaftsreiſen ihres Pflegevaters ſich ſo vortheil-
haft ausgebildet, daß ſie mit ungezwungenſtem Anſtand die Honneurs des
Hauſes machen konnte. D’Alembert erzählt von ihr, Lord Marſhall, ob-
gleich ſchon im Greiſenalter, habe eine leidenſchaftliche Neigung für ſie ge-
faßt, ſei aber nicht erhört worden. Emmetah erwiederte auf den Antrag des
Lords: „Ich bin deine Sklavin, und du kannſt mit mir ſchalten, wie du
willſt; aber du würdeſt mich ſehr unglücklich machen, wenn du von dei-
nem Rechte Gebrauch machen wollteſt. Ich liebe dich wie eine zärtliche
Tochter ihren Vater nur lieben kann, mehr aber verlange nicht von mir!“
Lord Marſhall dachte viel zu edel, um der Unterwürfigkeit einer Sklavin
zu verdanken, was die Liebe des Mädchens ihm verſagte, und ſelbſt die
giftigſte Zunge unter den Tiſchgenoſſen Friedrichs hat es nicht gewagt,
das Verhältniß zwiſchen beiden zu verdächtigen. Der König, welcher nicht
liebte, Frauenzimmern in Sansſouci zu begegnen, ſah ſie nur bei ſeinen
Beſuchen in Lord Marſhalls Hauſe, wo ſie in den erſten Jahren die lie-
benswürdigſte Wirthin zu machen wußte. Emmetah war wohl vorzüglich
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[30/0042] und von Schöning, der ſie mit nach Tamſel nahm, ſorgfältig erzogen. Fatime kam ſpäter nach Warſchau, wo ſie eben ſo ſehr durch ihre blendende Schönheit wie durch das romantiſche Intereſſe ihres Geſchicks, aller Augen auf ſich zog und ein Glanzpunkt der Geſell- ſchaft wurde. Unter ihren Bewerbern war auch König Auguſt, dem ſie lange widerſtand, bis ſie endlich dem Grafen Rutowski das Leben gab. Fatime vermählte ſich ſpäter in die Spiegelſche Familie; ihr Sohn Rutowski aber ſtieg bis zum ſächſiſchen Feldmarſchall und iſt, wenn wir nicht irren, derſelbe, der bei Ausbruch des ſiebenjährigen Kriegs gezwungen war, bei Pirna zu kapituliren. *) *) Wie Fatime in Polen und Sachſen, ſo ſpielte eine andere Türkin, Emmetah Uellah, fünfzig Jahre ſpäter in Preußen eine Rolle. Im Jahr 1766 kam der bekannte Lord Marſhall, der letzte „Freund“ des Königs nach Potsdam und lebte in dem nach ihm genannten Hauſe in Sans- ſouci. Ihn begleitete ſeine Pflegetochter Emmetah Uellah, die Tochter eines Janitſcharenhauptmanns, welche ſein Bruder, der Feldmarſchall Keith, im Jahre 1737 bei der Erſtürmung der Feſtung Oczakow, vor ſicherem Tode gerettet hatte. Emmetah Uellah („die Barmherzigkeit Gottes“) war eine auffallende Schönheit, ſorglich von ihrem Pflegevater gebildet und in hohem Grade liebenswürdig. Schon 1747, als ſie mit dem damals noch kaiſerlich ruſſiſchen Feldmarſchall zum erſtenmal nach Berlin kam, hatte ſie allge- meines Aufſehen durch ihre eigenthümliche Schönheit und Lebhaftigkeit er- regt, dann auf den Geſandtſchaftsreiſen ihres Pflegevaters ſich ſo vortheil- haft ausgebildet, daß ſie mit ungezwungenſtem Anſtand die Honneurs des Hauſes machen konnte. D’Alembert erzählt von ihr, Lord Marſhall, ob- gleich ſchon im Greiſenalter, habe eine leidenſchaftliche Neigung für ſie ge- faßt, ſei aber nicht erhört worden. Emmetah erwiederte auf den Antrag des Lords: „Ich bin deine Sklavin, und du kannſt mit mir ſchalten, wie du willſt; aber du würdeſt mich ſehr unglücklich machen, wenn du von dei- nem Rechte Gebrauch machen wollteſt. Ich liebe dich wie eine zärtliche Tochter ihren Vater nur lieben kann, mehr aber verlange nicht von mir!“ Lord Marſhall dachte viel zu edel, um der Unterwürfigkeit einer Sklavin zu verdanken, was die Liebe des Mädchens ihm verſagte, und ſelbſt die giftigſte Zunge unter den Tiſchgenoſſen Friedrichs hat es nicht gewagt, das Verhältniß zwiſchen beiden zu verdächtigen. Der König, welcher nicht liebte, Frauenzimmern in Sansſouci zu begegnen, ſah ſie nur bei ſeinen Beſuchen in Lord Marſhalls Hauſe, wo ſie in den erſten Jahren die lie- benswürdigſte Wirthin zu machen wußte. Emmetah war wohl vorzüglich

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/42>, abgerufen am 29.03.2024.