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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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desto reicheren und besseren Jagdgrund zu machen. Der nahe See
mit seinem kostbar klaren Wasser (eine Folge seiner Kalk- und
Thon-Gründigkeit) macht ihn zur Tränke vorzüglich geeignet,
während außerdem Brunnen in den Wald gegraben sind, und
überall ausgebreitete Heu- und Moosbetten dem Wilde über die
Gefahren und Beschwerden des Winters hinweghelfen. Und das
alles nicht einmal mit der hinterlistigen Absicht, den heute noch ge-
hegten und gepflegten Hirsch bei nächster Gelegenheit in's Blatt
zu treffen. Der Wildstand hier ist eine Parade-Truppe, und wird
auf jede erdenkliche Weise geschont. Letzlingen, so heißt es, ist
für den Gebrauch; Werbellin und Grimnitz sind für die
Repräsentation. Dort jagten die Hohenzollern um des Jagens
willen; in Werbellin jagen sie, ausnahmsweise, an Fest- und
Gala-Tagen, um ihren Gästen zu zeigen, was hohe Jagd in den
Marken ist.

Letzlingen freilich ist auch ein kostbarer Jagdgrund, und in
einzelnen Branchen, z. B. an Damm- und Edelhirschen, überragt
es seinen Rivalen. Aber an Rothwild bleibt Werbellin a la tete.
Die Forsten, die seinem Reviere angehören, umschließen 3000
Hirsche, die größte Anzahl (so weit die Kenntniß davon reicht), die
an irgend einem Punkte der Welt, innerhalb eines bestimmt ab-
gegrenzten Reviers, gehalten wird. Hier war denn auch, wie selbst-
verständlich, der Platz, wo sich die Zahl der getödteten Hirsche
(denn trotz des Prinzips der Schonung müssen die alten weg-
geschossen werden) auf eine Höhe bringen ließ, gegen die wahr-
scheinlich die Thaten des Cooper'schen "Hirschtödters" zu einem
Minimum zusammenschrumpfen. Wildmeister Grußdorf (jetzt im
Potsdamer Wildpark) war 30 oder 40 Jahr lang Förster im
Werbelliner Forst, und die Leute erzählen von ihm, daß er muth-
maßlich derjenige Jäger sei, der in seinem Leben die meisten Hirsche
geschossen habe. Es heißt: er kannte nicht nur alle, die über-
haupt da waren, er fand auch alle, die er finden wollte (die
alten, wegzuschießenden), und traf alle, die er treffen wollte. Nur

deſto reicheren und beſſeren Jagdgrund zu machen. Der nahe See
mit ſeinem koſtbar klaren Waſſer (eine Folge ſeiner Kalk- und
Thon-Gründigkeit) macht ihn zur Tränke vorzüglich geeignet,
während außerdem Brunnen in den Wald gegraben ſind, und
überall ausgebreitete Heu- und Moosbetten dem Wilde über die
Gefahren und Beſchwerden des Winters hinweghelfen. Und das
alles nicht einmal mit der hinterliſtigen Abſicht, den heute noch ge-
hegten und gepflegten Hirſch bei nächſter Gelegenheit in’s Blatt
zu treffen. Der Wildſtand hier iſt eine Parade-Truppe, und wird
auf jede erdenkliche Weiſe geſchont. Letzlingen, ſo heißt es, iſt
für den Gebrauch; Werbellin und Grimnitz ſind für die
Repräſentation. Dort jagten die Hohenzollern um des Jagens
willen; in Werbellin jagen ſie, ausnahmsweiſe, an Feſt- und
Gala-Tagen, um ihren Gäſten zu zeigen, was hohe Jagd in den
Marken iſt.

Letzlingen freilich iſt auch ein koſtbarer Jagdgrund, und in
einzelnen Branchen, z. B. an Damm- und Edelhirſchen, überragt
es ſeinen Rivalen. Aber an Rothwild bleibt Werbellin à la tête.
Die Forſten, die ſeinem Reviere angehören, umſchließen 3000
Hirſche, die größte Anzahl (ſo weit die Kenntniß davon reicht), die
an irgend einem Punkte der Welt, innerhalb eines beſtimmt ab-
gegrenzten Reviers, gehalten wird. Hier war denn auch, wie ſelbſt-
verſtändlich, der Platz, wo ſich die Zahl der getödteten Hirſche
(denn trotz des Prinzips der Schonung müſſen die alten weg-
geſchoſſen werden) auf eine Höhe bringen ließ, gegen die wahr-
ſcheinlich die Thaten des Cooper’ſchen „Hirſchtödters“ zu einem
Minimum zuſammenſchrumpfen. Wildmeiſter Grußdorf (jetzt im
Potsdamer Wildpark) war 30 oder 40 Jahr lang Förſter im
Werbelliner Forſt, und die Leute erzählen von ihm, daß er muth-
maßlich derjenige Jäger ſei, der in ſeinem Leben die meiſten Hirſche
geſchoſſen habe. Es heißt: er kannte nicht nur alle, die über-
haupt da waren, er fand auch alle, die er finden wollte (die
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[342/0354] deſto reicheren und beſſeren Jagdgrund zu machen. Der nahe See mit ſeinem koſtbar klaren Waſſer (eine Folge ſeiner Kalk- und Thon-Gründigkeit) macht ihn zur Tränke vorzüglich geeignet, während außerdem Brunnen in den Wald gegraben ſind, und überall ausgebreitete Heu- und Moosbetten dem Wilde über die Gefahren und Beſchwerden des Winters hinweghelfen. Und das alles nicht einmal mit der hinterliſtigen Abſicht, den heute noch ge- hegten und gepflegten Hirſch bei nächſter Gelegenheit in’s Blatt zu treffen. Der Wildſtand hier iſt eine Parade-Truppe, und wird auf jede erdenkliche Weiſe geſchont. Letzlingen, ſo heißt es, iſt für den Gebrauch; Werbellin und Grimnitz ſind für die Repräſentation. Dort jagten die Hohenzollern um des Jagens willen; in Werbellin jagen ſie, ausnahmsweiſe, an Feſt- und Gala-Tagen, um ihren Gäſten zu zeigen, was hohe Jagd in den Marken iſt. Letzlingen freilich iſt auch ein koſtbarer Jagdgrund, und in einzelnen Branchen, z. B. an Damm- und Edelhirſchen, überragt es ſeinen Rivalen. Aber an Rothwild bleibt Werbellin à la tête. Die Forſten, die ſeinem Reviere angehören, umſchließen 3000 Hirſche, die größte Anzahl (ſo weit die Kenntniß davon reicht), die an irgend einem Punkte der Welt, innerhalb eines beſtimmt ab- gegrenzten Reviers, gehalten wird. Hier war denn auch, wie ſelbſt- verſtändlich, der Platz, wo ſich die Zahl der getödteten Hirſche (denn trotz des Prinzips der Schonung müſſen die alten weg- geſchoſſen werden) auf eine Höhe bringen ließ, gegen die wahr- ſcheinlich die Thaten des Cooper’ſchen „Hirſchtödters“ zu einem Minimum zuſammenſchrumpfen. Wildmeiſter Grußdorf (jetzt im Potsdamer Wildpark) war 30 oder 40 Jahr lang Förſter im Werbelliner Forſt, und die Leute erzählen von ihm, daß er muth- maßlich derjenige Jäger ſei, der in ſeinem Leben die meiſten Hirſche geſchoſſen habe. Es heißt: er kannte nicht nur alle, die über- haupt da waren, er fand auch alle, die er finden wollte (die alten, wegzuſchießenden), und traf alle, die er treffen wollte. Nur

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/354>, abgerufen am 09.05.2024.