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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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einen der sonderbarsten Baustyle aller Zeiten kennen lernen; das
Schloß hat weder Treppe noch Küche und besteht ausschließlich aus
12 Zimmern und 12 Closets, Closets in des Worts verwegenster
Bedeutung."

So eingeführt, beginnen wir unsren Umgang durch das
Haus. Was nun zunächst den delikaten Punkt angeht, mit dem
unser Cicerone seine Eröffnungsrede schloß, so hat es damit aller-
dings seine völlige Richtigkeit, wie überhaupt denn eine Total-Be-
schreibung des Schlosses in weniger Worten, als die seinigen,
schlechterdings nicht gegeben werden kann. Was sich der Baumei-
ster, er heiße nun Chiaramelli oder Roncha, eigentlich dabei gedacht
hat, ist schwer zu sagen. Ich bin allerdings Schlössern begegnet,
z. B. dem berühmten Lochleven-Schloß, in dem Maria Stuart
gefangen saß, in denen die enorme Dicke ihrer Mauern ebenfalls
zur Herstellung solcher Recesse und Bequemlichkeiten diente; bei all
diesen alten Schlössern indeß, die meist nur aus einem runden
oder viereckigen Feldsteinthurm bestanden, war diese Einrichtung
durch die äußerste Raumbeschränkung geboten. Wenn es nun aber
irgend etwas giebt, dessen das Lichterfelder Schloß sicherlich nicht
ermangelt, so ist dies eben -- Raum, denn der großen Flure und
Dielen ganz zu geschweigen, sind die Zimmer selber von so saal-
und hallenartiger Ausdehnung, daß eine Viertheilung jedes einzel-
nen Raumes immer noch vier hübsche Wohnzimmer, resp. ander-
weitig nutzbare Räume geschaffen haben würde.

Genug, wir constatiren einfach das Faktum der 12 Recesse
(die selbstverständlich ihren früheren Beruf längst eingebüßt haben)
und widmen nun der Grundanlage des Baus unsre Aufmerksam-
keit. Das Erdgeschoß besteht aus einem breiten Flur, der zu jeder
Seite zwei Zimmer hat (im Ganzen also vier); diese selbe Ein-
theilung wiederholt sich im ersten und zweiten Stock, so daß wir
im Ganzen drei Flure und 12 Zimmer zu registriren haben. Im
Erdgeschoß und ersten Stock sind Flur und Zimmer gewölbt. Die
Fensternischen sind wie Zimmer für sich und die Dicke der Mauern,
-- dazu die labende Kühle innerhalb derselben, während draußen

einen der ſonderbarſten Bauſtyle aller Zeiten kennen lernen; das
Schloß hat weder Treppe noch Küche und beſteht ausſchließlich aus
12 Zimmern und 12 Cloſets, Cloſets in des Worts verwegenſter
Bedeutung.“

So eingeführt, beginnen wir unſren Umgang durch das
Haus. Was nun zunächſt den delikaten Punkt angeht, mit dem
unſer Cicerone ſeine Eröffnungsrede ſchloß, ſo hat es damit aller-
dings ſeine völlige Richtigkeit, wie überhaupt denn eine Total-Be-
ſchreibung des Schloſſes in weniger Worten, als die ſeinigen,
ſchlechterdings nicht gegeben werden kann. Was ſich der Baumei-
ſter, er heiße nun Chiaramelli oder Roncha, eigentlich dabei gedacht
hat, iſt ſchwer zu ſagen. Ich bin allerdings Schlöſſern begegnet,
z. B. dem berühmten Lochleven-Schloß, in dem Maria Stuart
gefangen ſaß, in denen die enorme Dicke ihrer Mauern ebenfalls
zur Herſtellung ſolcher Receſſe und Bequemlichkeiten diente; bei all
dieſen alten Schlöſſern indeß, die meiſt nur aus einem runden
oder viereckigen Feldſteinthurm beſtanden, war dieſe Einrichtung
durch die äußerſte Raumbeſchränkung geboten. Wenn es nun aber
irgend etwas giebt, deſſen das Lichterfelder Schloß ſicherlich nicht
ermangelt, ſo iſt dies eben — Raum, denn der großen Flure und
Dielen ganz zu geſchweigen, ſind die Zimmer ſelber von ſo ſaal-
und hallenartiger Ausdehnung, daß eine Viertheilung jedes einzel-
nen Raumes immer noch vier hübſche Wohnzimmer, reſp. ander-
weitig nutzbare Räume geſchaffen haben würde.

Genug, wir conſtatiren einfach das Faktum der 12 Receſſe
(die ſelbſtverſtändlich ihren früheren Beruf längſt eingebüßt haben)
und widmen nun der Grundanlage des Baus unſre Aufmerkſam-
keit. Das Erdgeſchoß beſteht aus einem breiten Flur, der zu jeder
Seite zwei Zimmer hat (im Ganzen alſo vier); dieſe ſelbe Ein-
theilung wiederholt ſich im erſten und zweiten Stock, ſo daß wir
im Ganzen drei Flure und 12 Zimmer zu regiſtriren haben. Im
Erdgeſchoß und erſten Stock ſind Flur und Zimmer gewölbt. Die
Fenſterniſchen ſind wie Zimmer für ſich und die Dicke der Mauern,
— dazu die labende Kühle innerhalb derſelben, während draußen

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[333/0345] einen der ſonderbarſten Bauſtyle aller Zeiten kennen lernen; das Schloß hat weder Treppe noch Küche und beſteht ausſchließlich aus 12 Zimmern und 12 Cloſets, Cloſets in des Worts verwegenſter Bedeutung.“ So eingeführt, beginnen wir unſren Umgang durch das Haus. Was nun zunächſt den delikaten Punkt angeht, mit dem unſer Cicerone ſeine Eröffnungsrede ſchloß, ſo hat es damit aller- dings ſeine völlige Richtigkeit, wie überhaupt denn eine Total-Be- ſchreibung des Schloſſes in weniger Worten, als die ſeinigen, ſchlechterdings nicht gegeben werden kann. Was ſich der Baumei- ſter, er heiße nun Chiaramelli oder Roncha, eigentlich dabei gedacht hat, iſt ſchwer zu ſagen. Ich bin allerdings Schlöſſern begegnet, z. B. dem berühmten Lochleven-Schloß, in dem Maria Stuart gefangen ſaß, in denen die enorme Dicke ihrer Mauern ebenfalls zur Herſtellung ſolcher Receſſe und Bequemlichkeiten diente; bei all dieſen alten Schlöſſern indeß, die meiſt nur aus einem runden oder viereckigen Feldſteinthurm beſtanden, war dieſe Einrichtung durch die äußerſte Raumbeſchränkung geboten. Wenn es nun aber irgend etwas giebt, deſſen das Lichterfelder Schloß ſicherlich nicht ermangelt, ſo iſt dies eben — Raum, denn der großen Flure und Dielen ganz zu geſchweigen, ſind die Zimmer ſelber von ſo ſaal- und hallenartiger Ausdehnung, daß eine Viertheilung jedes einzel- nen Raumes immer noch vier hübſche Wohnzimmer, reſp. ander- weitig nutzbare Räume geſchaffen haben würde. Genug, wir conſtatiren einfach das Faktum der 12 Receſſe (die ſelbſtverſtändlich ihren früheren Beruf längſt eingebüßt haben) und widmen nun der Grundanlage des Baus unſre Aufmerkſam- keit. Das Erdgeſchoß beſteht aus einem breiten Flur, der zu jeder Seite zwei Zimmer hat (im Ganzen alſo vier); dieſe ſelbe Ein- theilung wiederholt ſich im erſten und zweiten Stock, ſo daß wir im Ganzen drei Flure und 12 Zimmer zu regiſtriren haben. Im Erdgeſchoß und erſten Stock ſind Flur und Zimmer gewölbt. Die Fenſterniſchen ſind wie Zimmer für ſich und die Dicke der Mauern, — dazu die labende Kühle innerhalb derſelben, während draußen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/345>, abgerufen am 22.11.2024.