vor Restaurirungen zu warnen, wie deren eine hier stattgefunden hat. Ermöglicht sich keine wirkliche Restaurirung -- die mit ihrem reichen Goldschmuck oft sehr kostspielig ist -- so thun die Gemeinden am besten, die Sache zu lassen wie sie ist, oder aber, wenn das aus den verschiedensten Gründen nicht geht, dem ganzen Schnitzwerk eine weiße Tünche zu geben. Ich bin diesem Aus- kunftsmittel in mehreren Dorfkirchen begegnet und muß einräumen, daß wenn man das Bessere nicht kann, dies unter dem Schlimmen das mindest Schlimme ist. Die Sachen wirken dann gipsfiguren- haft, was allerdings etwas Kaltes, aber doch nichts direkt Stö- rendes hat.
Vor dem Altar ist ein Grab. Einer der Geistlichen ist dort begraben, und die Stelle markirt sich durch nichts, als durch eine schwache muldenhafte Einsenkung des Fußbodens, wodurch die Steine lose geworden sind. Wir äußerten ein leises Befremden darüber, aber der uns begleitende Heckelberger meinte ruhig: wir thun, was wir können; alle paar Jahr schütten wir nach und stampfen's fest, mörteln auch die Steine wieder ein; aber es hilft nichts, "er geht immer tiefer" und eh wir uns versehn, ist die Mulde wieder da. -- Ein leiser Schauer überlief uns bei dieser Erzählung.
Wir kommen nun nach Trampe. Trampe ist altsparrisch und die eine Linie nannte sich danach. Aber in den Wirrsalen des 30jährigen Krieges ging es theilweis verloren und erst der Feldmarschall (Otto Christoph) eroberte es der Familie zurück. Er scheint ihm eine besondre Vorliebe zugewandt und hier und in Prenden, wenn er nicht in der Hauptstadt war, abwechselnd residirt zu haben. Auf beiden Gütern, in Trampe sowohl wie in Prenden, erbaute er sich ein Schloß; während indeß in Prenden nur noch ein Trümmerhaufen vom alten Sparr erzählt, zeigt sich in Trampe alles wohl erhalten. Schloß und Park existiren noch, verändert, umgebaut zwar, aber in der Grundanlage doch immer noch wie sie damals waren. Im Park, der kostbare alte Bäume und an seinem Flügel eine von Wasser umgebene Burgruine aufweist, befindet
vor Reſtaurirungen zu warnen, wie deren eine hier ſtattgefunden hat. Ermöglicht ſich keine wirkliche Reſtaurirung — die mit ihrem reichen Goldſchmuck oft ſehr koſtſpielig iſt — ſo thun die Gemeinden am beſten, die Sache zu laſſen wie ſie iſt, oder aber, wenn das aus den verſchiedenſten Gründen nicht geht, dem ganzen Schnitzwerk eine weiße Tünche zu geben. Ich bin dieſem Aus- kunftsmittel in mehreren Dorfkirchen begegnet und muß einräumen, daß wenn man das Beſſere nicht kann, dies unter dem Schlimmen das mindeſt Schlimme iſt. Die Sachen wirken dann gipsfiguren- haft, was allerdings etwas Kaltes, aber doch nichts direkt Stö- rendes hat.
Vor dem Altar iſt ein Grab. Einer der Geiſtlichen iſt dort begraben, und die Stelle markirt ſich durch nichts, als durch eine ſchwache muldenhafte Einſenkung des Fußbodens, wodurch die Steine loſe geworden ſind. Wir äußerten ein leiſes Befremden darüber, aber der uns begleitende Heckelberger meinte ruhig: wir thun, was wir können; alle paar Jahr ſchütten wir nach und ſtampfen’s feſt, mörteln auch die Steine wieder ein; aber es hilft nichts, „er geht immer tiefer“ und eh wir uns verſehn, iſt die Mulde wieder da. — Ein leiſer Schauer überlief uns bei dieſer Erzählung.
Wir kommen nun nach Trampe. Trampe iſt altſparriſch und die eine Linie nannte ſich danach. Aber in den Wirrſalen des 30jährigen Krieges ging es theilweis verloren und erſt der Feldmarſchall (Otto Chriſtoph) eroberte es der Familie zurück. Er ſcheint ihm eine beſondre Vorliebe zugewandt und hier und in Prenden, wenn er nicht in der Hauptſtadt war, abwechſelnd reſidirt zu haben. Auf beiden Gütern, in Trampe ſowohl wie in Prenden, erbaute er ſich ein Schloß; während indeß in Prenden nur noch ein Trümmerhaufen vom alten Sparr erzählt, zeigt ſich in Trampe alles wohl erhalten. Schloß und Park exiſtiren noch, verändert, umgebaut zwar, aber in der Grundanlage doch immer noch wie ſie damals waren. Im Park, der koſtbare alte Bäume und an ſeinem Flügel eine von Waſſer umgebene Burgruine aufweiſt, befindet
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vor Reſtaurirungen zu warnen, wie deren eine hier ſtattgefunden
hat. Ermöglicht ſich keine wirkliche Reſtaurirung — die mit
ihrem reichen Goldſchmuck oft ſehr koſtſpielig iſt — ſo thun die
Gemeinden am beſten, die Sache zu laſſen wie ſie iſt, oder aber,
wenn das aus den verſchiedenſten Gründen nicht geht, dem ganzen
Schnitzwerk eine weiße Tünche zu geben. Ich bin dieſem Aus-
kunftsmittel in mehreren Dorfkirchen begegnet und muß einräumen,
daß wenn man das Beſſere nicht kann, dies unter dem Schlimmen
das mindeſt Schlimme iſt. Die Sachen wirken dann gipsfiguren-
haft, was allerdings etwas Kaltes, aber doch nichts direkt Stö-
rendes hat.
Vor dem Altar iſt ein Grab. Einer der Geiſtlichen iſt dort
begraben, und die Stelle markirt ſich durch nichts, als durch eine
ſchwache muldenhafte Einſenkung des Fußbodens, wodurch die
Steine loſe geworden ſind. Wir äußerten ein leiſes Befremden
darüber, aber der uns begleitende Heckelberger meinte ruhig: wir
thun, was wir können; alle paar Jahr ſchütten wir nach und
ſtampfen’s feſt, mörteln auch die Steine wieder ein; aber es hilft
nichts, „er geht immer tiefer“ und eh wir uns verſehn, iſt
die Mulde wieder da. — Ein leiſer Schauer überlief uns bei
dieſer Erzählung.
Wir kommen nun nach Trampe. Trampe iſt altſparriſch
und die eine Linie nannte ſich danach. Aber in den Wirrſalen des
30jährigen Krieges ging es theilweis verloren und erſt der Feldmarſchall
(Otto Chriſtoph) eroberte es der Familie zurück. Er ſcheint ihm
eine beſondre Vorliebe zugewandt und hier und in Prenden, wenn
er nicht in der Hauptſtadt war, abwechſelnd reſidirt zu haben.
Auf beiden Gütern, in Trampe ſowohl wie in Prenden, erbaute
er ſich ein Schloß; während indeß in Prenden nur noch ein
Trümmerhaufen vom alten Sparr erzählt, zeigt ſich in Trampe
alles wohl erhalten. Schloß und Park exiſtiren noch, verändert,
umgebaut zwar, aber in der Grundanlage doch immer noch wie ſie
damals waren. Im Park, der koſtbare alte Bäume und an ſeinem
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/339>, abgerufen am 22.11.2024.
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