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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Sagen Sie, wie denken Sie über die Uchtenhagens?

Der Angeredete läßt sich Zeit, und zweimal mit der Leine
auf den Rücken des Pferdes klatschend, um die lange Pause min-
der auffällig zu machen, antwortet er endlich in sehr unbestimmten
Ausdrücken:

Ja, da ist viel.

Der Wagen rollt weiter in den stillen Abend hinein, dessen
allerstillste Stelle unser Wagen zu werden droht. Ich will aber
die Stille unterbrechen, es koste was es wolle, und fahre also fort:

Sagen Sie, hier soll ja auch eine große Schlacht gewesen
sein, hier hinter den Bergen; ich glaube, sie nennen es das "rothe
Land."

Er nickte mit dem Kopfe.

Nun sagen Sie mir, ist denn das Land noch immer roth?

"So roth" antwortete er, halb wie im Echo, auf meine
Frage und machte dabei eine Handbewegung, als ob er sagen
wollte: lieber Herr, sprechen wir davon lieber nicht.

Nichtsdestoweniger hatte diese Frage das Eis gebrochen (ich
sah das an seiner veränderten Haltung), und mit der Rechten auf
die quadratmeilenweite Niederung deutend, die all einst Uchten-
hagenscher Besitz gewesen war, fuhr ich fort: Die Uchtenhagens
müssen sehr reich gewesen sein.

Er sah unter seinem Mützenschirm zu mir auf, ein halbweh-
müthiges Lächeln flog über sein Gesicht, dann wiederholte er nur
meine Worte: die Uchtenhagens müssen sehr reich gewesen sein.

Es war ersichtlich, daß er einen Nachsatz machen wollte, ihn
aber rücksichtsvoll verschwieg; ich kam ihm also auf halbem Wege
entgegen und ergänzte:

Sehr reich, aber wie?

Dies Wort schien wie ein Erkennungszeichen auf ihn zu wir-
ken, an dem er nun Gewißheit zu finden glaubte, daß ich einer
von dem romantischen Geheimbund sein müßte, der nach Art
andrer Geheimbünde, zwar seine unausgesprochenen, aber nichts-
destoweniger seine ganz bestimmten Erkennungszeichen hat. Er
wußte nun, daß er sprechen dürfe, ohne Furcht vor Profanation.


Sagen Sie, wie denken Sie über die Uchtenhagens?

Der Angeredete läßt ſich Zeit, und zweimal mit der Leine
auf den Rücken des Pferdes klatſchend, um die lange Pauſe min-
der auffällig zu machen, antwortet er endlich in ſehr unbeſtimmten
Ausdrücken:

Ja, da iſt viel.

Der Wagen rollt weiter in den ſtillen Abend hinein, deſſen
allerſtillſte Stelle unſer Wagen zu werden droht. Ich will aber
die Stille unterbrechen, es koſte was es wolle, und fahre alſo fort:

Sagen Sie, hier ſoll ja auch eine große Schlacht geweſen
ſein, hier hinter den Bergen; ich glaube, ſie nennen es das „rothe
Land.“

Er nickte mit dem Kopfe.

Nun ſagen Sie mir, iſt denn das Land noch immer roth?

„So roth“ antwortete er, halb wie im Echo, auf meine
Frage und machte dabei eine Handbewegung, als ob er ſagen
wollte: lieber Herr, ſprechen wir davon lieber nicht.

Nichtsdeſtoweniger hatte dieſe Frage das Eis gebrochen (ich
ſah das an ſeiner veränderten Haltung), und mit der Rechten auf
die quadratmeilenweite Niederung deutend, die all einſt Uchten-
hagenſcher Beſitz geweſen war, fuhr ich fort: Die Uchtenhagens
müſſen ſehr reich geweſen ſein.

Er ſah unter ſeinem Mützenſchirm zu mir auf, ein halbweh-
müthiges Lächeln flog über ſein Geſicht, dann wiederholte er nur
meine Worte: die Uchtenhagens müſſen ſehr reich geweſen ſein.

Es war erſichtlich, daß er einen Nachſatz machen wollte, ihn
aber rückſichtsvoll verſchwieg; ich kam ihm alſo auf halbem Wege
entgegen und ergänzte:

Sehr reich, aber wie?

Dies Wort ſchien wie ein Erkennungszeichen auf ihn zu wir-
ken, an dem er nun Gewißheit zu finden glaubte, daß ich einer
von dem romantiſchen Geheimbund ſein müßte, der nach Art
andrer Geheimbünde, zwar ſeine unausgeſprochenen, aber nichts-
deſtoweniger ſeine ganz beſtimmten Erkennungszeichen hat. Er
wußte nun, daß er ſprechen dürfe, ohne Furcht vor Profanation.


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[310/0322] Sagen Sie, wie denken Sie über die Uchtenhagens? Der Angeredete läßt ſich Zeit, und zweimal mit der Leine auf den Rücken des Pferdes klatſchend, um die lange Pauſe min- der auffällig zu machen, antwortet er endlich in ſehr unbeſtimmten Ausdrücken: Ja, da iſt viel. Der Wagen rollt weiter in den ſtillen Abend hinein, deſſen allerſtillſte Stelle unſer Wagen zu werden droht. Ich will aber die Stille unterbrechen, es koſte was es wolle, und fahre alſo fort: Sagen Sie, hier ſoll ja auch eine große Schlacht geweſen ſein, hier hinter den Bergen; ich glaube, ſie nennen es das „rothe Land.“ Er nickte mit dem Kopfe. Nun ſagen Sie mir, iſt denn das Land noch immer roth? „So roth“ antwortete er, halb wie im Echo, auf meine Frage und machte dabei eine Handbewegung, als ob er ſagen wollte: lieber Herr, ſprechen wir davon lieber nicht. Nichtsdeſtoweniger hatte dieſe Frage das Eis gebrochen (ich ſah das an ſeiner veränderten Haltung), und mit der Rechten auf die quadratmeilenweite Niederung deutend, die all einſt Uchten- hagenſcher Beſitz geweſen war, fuhr ich fort: Die Uchtenhagens müſſen ſehr reich geweſen ſein. Er ſah unter ſeinem Mützenſchirm zu mir auf, ein halbweh- müthiges Lächeln flog über ſein Geſicht, dann wiederholte er nur meine Worte: die Uchtenhagens müſſen ſehr reich geweſen ſein. Es war erſichtlich, daß er einen Nachſatz machen wollte, ihn aber rückſichtsvoll verſchwieg; ich kam ihm alſo auf halbem Wege entgegen und ergänzte: Sehr reich, aber wie? Dies Wort ſchien wie ein Erkennungszeichen auf ihn zu wir- ken, an dem er nun Gewißheit zu finden glaubte, daß ich einer von dem romantiſchen Geheimbund ſein müßte, der nach Art andrer Geheimbünde, zwar ſeine unausgeſprochenen, aber nichts- deſtoweniger ſeine ganz beſtimmten Erkennungszeichen hat. Er wußte nun, daß er ſprechen dürfe, ohne Furcht vor Profanation.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/322>, abgerufen am 22.11.2024.