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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Lampen verzehren Oel und die wackere Hausfrau (die schließlich
doch für Alles aufkommen muß) stellt von ihrem Bett aus ein-
schneidende Betrachtungen über diesen Gegenstand an. Endlich, auf
der Höhe des Conflicts, tritt unser Dichter aus der Wolke des
Geheimnisses heraus und erklärt, um was es sich handle. Nun
wendet sich das Blatt. "Mit Vater Rückert ist das was andres";
über unsere Poetenfrau kommt ein wahrer Opfermuth, und siehe da

"Als durch's Immergrün umschmückte
Nied're Werkstattfensterlein
Gold'ner Frühstrahl mich erquickte,
Schloß ihr Kranz mein Liedchen ein;
Schüchtern wag' ich's darzubringen, --
Vieler Lied wird heut' Dir klingen,
Sinn'ger alle wohl wie mein's,
Inn'ger aber doch wohl keins."

Dies Lied weckte unsrem Poeten viele Freunde, aber was
wichtiger ist, es stellte ihn und sein Talent an den rechten Fleck.
Er selbst schon, in dunkler Ahnung davon, hatte diesem Liede das
Motto gegeben: "Geh vom Häuslichen aus und verbreite Dich
so gut Du kannst über die Welt." Wie diese Worte Motto sei-
nes Liedes gewesen waren, so wurden sie nun auch das Wort,
die Mahnung für sein poetisches Schaffen. Das Haus und sein
persönliches Erlebniß innerhalb desselben, vor allem seine blonde
Frau, in ihrer Schlichtheit und Häuslichkeit, wurden der Mittel-
punkt seiner Dichtung und mit innigem Gefühl konnte er von der
letztern singen:

Als Bestes wardst Du mir gegeben,
Du, die nicht meine Lieder lies't,
Und dennoch Stoff aus ihrem Leben
In jedes meiner Lieder gießt.

Ein neuer Geist kam in sein Schaffen, das Gezwungene fiel
fort, das Natürliche trat an die Stelle und ein Jahr später konnte
er der Welt seine erste wirkliche Dichtung bieten. Sie führt den

Lampen verzehren Oel und die wackere Hausfrau (die ſchließlich
doch für Alles aufkommen muß) ſtellt von ihrem Bett aus ein-
ſchneidende Betrachtungen über dieſen Gegenſtand an. Endlich, auf
der Höhe des Conflicts, tritt unſer Dichter aus der Wolke des
Geheimniſſes heraus und erklärt, um was es ſich handle. Nun
wendet ſich das Blatt. „Mit Vater Rückert iſt das was andres“;
über unſere Poetenfrau kommt ein wahrer Opfermuth, und ſiehe da

„Als durch’s Immergrün umſchmückte
Nied’re Werkſtattfenſterlein
Gold’ner Frühſtrahl mich erquickte,
Schloß ihr Kranz mein Liedchen ein;
Schüchtern wag’ ich’s darzubringen, —
Vieler Lied wird heut’ Dir klingen,
Sinn’ger alle wohl wie mein’s,
Inn’ger aber doch wohl keins.“

Dies Lied weckte unſrem Poeten viele Freunde, aber was
wichtiger iſt, es ſtellte ihn und ſein Talent an den rechten Fleck.
Er ſelbſt ſchon, in dunkler Ahnung davon, hatte dieſem Liede das
Motto gegeben: „Geh vom Häuslichen aus und verbreite Dich
ſo gut Du kannſt über die Welt.“ Wie dieſe Worte Motto ſei-
nes Liedes geweſen waren, ſo wurden ſie nun auch das Wort,
die Mahnung für ſein poetiſches Schaffen. Das Haus und ſein
perſönliches Erlebniß innerhalb deſſelben, vor allem ſeine blonde
Frau, in ihrer Schlichtheit und Häuslichkeit, wurden der Mittel-
punkt ſeiner Dichtung und mit innigem Gefühl konnte er von der
letztern ſingen:

Als Beſtes wardſt Du mir gegeben,
Du, die nicht meine Lieder lieſ’t,
Und dennoch Stoff aus ihrem Leben
In jedes meiner Lieder gießt.

Ein neuer Geiſt kam in ſein Schaffen, das Gezwungene fiel
fort, das Natürliche trat an die Stelle und ein Jahr ſpäter konnte
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[301/0313] Lampen verzehren Oel und die wackere Hausfrau (die ſchließlich doch für Alles aufkommen muß) ſtellt von ihrem Bett aus ein- ſchneidende Betrachtungen über dieſen Gegenſtand an. Endlich, auf der Höhe des Conflicts, tritt unſer Dichter aus der Wolke des Geheimniſſes heraus und erklärt, um was es ſich handle. Nun wendet ſich das Blatt. „Mit Vater Rückert iſt das was andres“; über unſere Poetenfrau kommt ein wahrer Opfermuth, und ſiehe da „Als durch’s Immergrün umſchmückte Nied’re Werkſtattfenſterlein Gold’ner Frühſtrahl mich erquickte, Schloß ihr Kranz mein Liedchen ein; Schüchtern wag’ ich’s darzubringen, — Vieler Lied wird heut’ Dir klingen, Sinn’ger alle wohl wie mein’s, Inn’ger aber doch wohl keins.“ Dies Lied weckte unſrem Poeten viele Freunde, aber was wichtiger iſt, es ſtellte ihn und ſein Talent an den rechten Fleck. Er ſelbſt ſchon, in dunkler Ahnung davon, hatte dieſem Liede das Motto gegeben: „Geh vom Häuslichen aus und verbreite Dich ſo gut Du kannſt über die Welt.“ Wie dieſe Worte Motto ſei- nes Liedes geweſen waren, ſo wurden ſie nun auch das Wort, die Mahnung für ſein poetiſches Schaffen. Das Haus und ſein perſönliches Erlebniß innerhalb deſſelben, vor allem ſeine blonde Frau, in ihrer Schlichtheit und Häuslichkeit, wurden der Mittel- punkt ſeiner Dichtung und mit innigem Gefühl konnte er von der letztern ſingen: Als Beſtes wardſt Du mir gegeben, Du, die nicht meine Lieder lieſ’t, Und dennoch Stoff aus ihrem Leben In jedes meiner Lieder gießt. Ein neuer Geiſt kam in ſein Schaffen, das Gezwungene fiel fort, das Natürliche trat an die Stelle und ein Jahr ſpäter konnte er der Welt ſeine erſte wirkliche Dichtung bieten. Sie führt den

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/313>, abgerufen am 11.05.2024.