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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Schon während der letzten Regierungsjahre des ersten Kö-
nigs hatte das Bad (Friedrich I. scheint es nach jenem Vorfall
nicht wieder besucht zu haben) an Ansehen verloren; unter seinem
Nachfolger dem "Soldatenkönig" sank es mehr und mehr. Ein
glückliches Ohngefähr indeß wollte es, daß im Jahre 1733 einige
von den allerlängsten Potsdamer Grenadieren ihre Gesundheit hier
wieder fanden und von dem Augenblick an war das Bad zu
Freienwalde dem König bestens empfohlen. Ein neuer Flügel (der
alt-königliche) wurde gebaut, die Quellen erhielten eine neue Fas-
sung und über der bedeutendsten derselben ward ein auf acht
Säulen ruhendes, natürlich hölzernes Brunnenhaus errichtet, das
den stolzen Namen "Tempel" führte und folgende Inschrift er-
hielt:

Steh' stille, Wanderer, betrachte diese Quellen,
Sie helfen wunderbar in vielen Krankheitsfällen.
Eh' Du von dannen geh'st, gedenk' an Deine Pflicht,
Sei dankbar gegen Gott, vergiß der Armen nicht.
Hast Du dies Haus und Bad bewundernd angeschaut
Und fragst, warum es denn nach Tempel-Art gebaut, --
So wisse, Gott ist ja der Segens-Quell allein,
Darum muß unser Herz auch hier sein Tempel sein.

Wie der unbekannte Verfasser die Logik dieser letzten Zeile

mancherlei erklärendes Licht auf die beinahe gleichzeitigen Vorkommnisse
in Berlin. 1706 stürzte am Schloß der von Schlüter (freilich gegen seinen
Rath) erbaute Münzthurm ein und von da ab begann die siegreiche Ka-
bale seiner Gegner. Das Verfahren gegen Schlüter ist immer als hart
und ungerecht verurtheilt worden. Bringt man nun aber andererseits in
Anschlag, daß fast unmittelbar darauf, im Sommer 1707, das "Münz-
thurm-Malheur" sich in Freienwalde wiederholte, so erscheint das
harte Verfahren gegen Schlüter um vieles verzeihlicher. Die Kabale bleibt
verwerflich, aber der König urtheilte nach dem Augenschein. (Neue Arbeiten
Professor Adlers haben aus den damaligen Berliner Bauakten ohnehin
dargethan, daß Schlüter, bei all seiner Größe und Genialität, doch keines-
wegs schuldlos war und daß er in allem, was construktive Kenntniß an-
ging, allerdings hinter seinem, ihm sonst in keiner Weise ebenbürtigen
Rivalen, Eosander von Goethe, zurückblieb.)

Schon während der letzten Regierungsjahre des erſten Kö-
nigs hatte das Bad (Friedrich I. ſcheint es nach jenem Vorfall
nicht wieder beſucht zu haben) an Anſehen verloren; unter ſeinem
Nachfolger dem „Soldatenkönig“ ſank es mehr und mehr. Ein
glückliches Ohngefähr indeß wollte es, daß im Jahre 1733 einige
von den allerlängſten Potsdamer Grenadieren ihre Geſundheit hier
wieder fanden und von dem Augenblick an war das Bad zu
Freienwalde dem König beſtens empfohlen. Ein neuer Flügel (der
alt-königliche) wurde gebaut, die Quellen erhielten eine neue Faſ-
ſung und über der bedeutendſten derſelben ward ein auf acht
Säulen ruhendes, natürlich hölzernes Brunnenhaus errichtet, das
den ſtolzen Namen „Tempel“ führte und folgende Inſchrift er-
hielt:

Steh’ ſtille, Wanderer, betrachte dieſe Quellen,
Sie helfen wunderbar in vielen Krankheitsfällen.
Eh’ Du von dannen geh’ſt, gedenk’ an Deine Pflicht,
Sei dankbar gegen Gott, vergiß der Armen nicht.
Haſt Du dies Haus und Bad bewundernd angeſchaut
Und fragſt, warum es denn nach Tempel-Art gebaut, —
So wiſſe, Gott iſt ja der Segens-Quell allein,
Darum muß unſer Herz auch hier ſein Tempel ſein.

Wie der unbekannte Verfaſſer die Logik dieſer letzten Zeile

mancherlei erklärendes Licht auf die beinahe gleichzeitigen Vorkommniſſe
in Berlin. 1706 ſtürzte am Schloß der von Schlüter (freilich gegen ſeinen
Rath) erbaute Münzthurm ein und von da ab begann die ſiegreiche Ka-
bale ſeiner Gegner. Das Verfahren gegen Schlüter iſt immer als hart
und ungerecht verurtheilt worden. Bringt man nun aber andererſeits in
Anſchlag, daß faſt unmittelbar darauf, im Sommer 1707, das „Münz-
thurm-Malheur“ ſich in Freienwalde wiederholte, ſo erſcheint das
harte Verfahren gegen Schlüter um vieles verzeihlicher. Die Kabale bleibt
verwerflich, aber der König urtheilte nach dem Augenſchein. (Neue Arbeiten
Profeſſor Adlers haben aus den damaligen Berliner Bauakten ohnehin
dargethan, daß Schlüter, bei all ſeiner Größe und Genialität, doch keines-
wegs ſchuldlos war und daß er in allem, was conſtruktive Kenntniß an-
ging, allerdings hinter ſeinem, ihm ſonſt in keiner Weiſe ebenbürtigen
Rivalen, Eoſander von Goethe, zurückblieb.)
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[286/0298] Schon während der letzten Regierungsjahre des erſten Kö- nigs hatte das Bad (Friedrich I. ſcheint es nach jenem Vorfall nicht wieder beſucht zu haben) an Anſehen verloren; unter ſeinem Nachfolger dem „Soldatenkönig“ ſank es mehr und mehr. Ein glückliches Ohngefähr indeß wollte es, daß im Jahre 1733 einige von den allerlängſten Potsdamer Grenadieren ihre Geſundheit hier wieder fanden und von dem Augenblick an war das Bad zu Freienwalde dem König beſtens empfohlen. Ein neuer Flügel (der alt-königliche) wurde gebaut, die Quellen erhielten eine neue Faſ- ſung und über der bedeutendſten derſelben ward ein auf acht Säulen ruhendes, natürlich hölzernes Brunnenhaus errichtet, das den ſtolzen Namen „Tempel“ führte und folgende Inſchrift er- hielt: Steh’ ſtille, Wanderer, betrachte dieſe Quellen, Sie helfen wunderbar in vielen Krankheitsfällen. Eh’ Du von dannen geh’ſt, gedenk’ an Deine Pflicht, Sei dankbar gegen Gott, vergiß der Armen nicht. Haſt Du dies Haus und Bad bewundernd angeſchaut Und fragſt, warum es denn nach Tempel-Art gebaut, — So wiſſe, Gott iſt ja der Segens-Quell allein, Darum muß unſer Herz auch hier ſein Tempel ſein. Wie der unbekannte Verfaſſer die Logik dieſer letzten Zeile *) *) mancherlei erklärendes Licht auf die beinahe gleichzeitigen Vorkommniſſe in Berlin. 1706 ſtürzte am Schloß der von Schlüter (freilich gegen ſeinen Rath) erbaute Münzthurm ein und von da ab begann die ſiegreiche Ka- bale ſeiner Gegner. Das Verfahren gegen Schlüter iſt immer als hart und ungerecht verurtheilt worden. Bringt man nun aber andererſeits in Anſchlag, daß faſt unmittelbar darauf, im Sommer 1707, das „Münz- thurm-Malheur“ ſich in Freienwalde wiederholte, ſo erſcheint das harte Verfahren gegen Schlüter um vieles verzeihlicher. Die Kabale bleibt verwerflich, aber der König urtheilte nach dem Augenſchein. (Neue Arbeiten Profeſſor Adlers haben aus den damaligen Berliner Bauakten ohnehin dargethan, daß Schlüter, bei all ſeiner Größe und Genialität, doch keines- wegs ſchuldlos war und daß er in allem, was conſtruktive Kenntniß an- ging, allerdings hinter ſeinem, ihm ſonſt in keiner Weiſe ebenbürtigen Rivalen, Eoſander von Goethe, zurückblieb.)

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/298>, abgerufen am 22.11.2024.