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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Mittel gegen hartnäckige Fieber. Was dabei wirksam war, ist
schwer zu sagen. Auch Augenkranke kamen. Sie legten von dem
braunen Ockerschlamm auf das Auge, und sahen nach kurzer Zeit
wieder klarer und besser. Schwerlich war es der braune Eisen-
schlamm als solcher, der so vortheilhaft wirkte, vielmehr die an-
haftende Flüssigkeit, die Eisenvitriol enthielt. Gehört doch der Zink-
vitriol (eine Art Geschwisterkind des ebengenannten Eisensalzes)
bis diese Stunde noch zu den bevorzugten Mitteln der Augen-
heilkunde.

Jedenfalls war der Ruf und Ruhm des Freienwalder Quells
allerlokalster Natur, bis 1684 die Kunde nach Berlin und bis in
das churfürstliche Schloß drang, daß in Freienwalde ein "minera-
lisches Wasser" entdeckt worden sei. Einige mit Fieber und Läh-
mung Behaftete seien gesund geworden. Der Churfürst (bereits in
seinen alten Tagen und von der Gicht schwer geplagt) schöpfte
Hoffnung, daß ihm vielleicht das eigne Land gewähren möchte,
was ihm so viele Heilquellen bis dahin versagt hatten und er
schickte seinen Kammerdiener und Chemikus, den berühmten Kunckel
(den Entdecker des Phosphors) nach Freienwalde, um sich von
der mineralischen Kraft des neu entdeckten Quells zu überzeugen.
Der Bericht lautete günstig und noch im selben Jahre trafen der
Churfürst und seine Gemahlin als erste Brunnengäste im Bade
zu Freienwalde ein.

Nun brachen glänzende Tage an. Der Ruf von der Heilkraft
des Brunnens verbreitete sich bis in ferne Gegenden (ferne, nach
damaliger Vorstellung) und im nächsten Jahre, 1685, fanden sich
1500 Gäste in Freienwalde zusammen. Freilich diese 1500 Gäste
waren nicht sammt und sonders Brunnengäste, vielleicht nur
zum kleineren Theile. "Der Churfürst (der auch in diesem Jahre
mit seinem Hofe erschienen war), ließ zehn Wispel Getreide ver-
backen und die Brote sammt einer Geldbeisteuer wöchentlich zwei-
mal vertheilen" -- woraus genugsam zu ersehen ist, daß die chur-
fürstliche Gegenwart allerhand armes Volk herbeigelockt hatte, um
von der Mildthätigkeit des Fürsten Nutzen zu ziehen. 1686 (in

Mittel gegen hartnäckige Fieber. Was dabei wirkſam war, iſt
ſchwer zu ſagen. Auch Augenkranke kamen. Sie legten von dem
braunen Ockerſchlamm auf das Auge, und ſahen nach kurzer Zeit
wieder klarer und beſſer. Schwerlich war es der braune Eiſen-
ſchlamm als ſolcher, der ſo vortheilhaft wirkte, vielmehr die an-
haftende Flüſſigkeit, die Eiſenvitriol enthielt. Gehört doch der Zink-
vitriol (eine Art Geſchwiſterkind des ebengenannten Eiſenſalzes)
bis dieſe Stunde noch zu den bevorzugten Mitteln der Augen-
heilkunde.

Jedenfalls war der Ruf und Ruhm des Freienwalder Quells
allerlokalſter Natur, bis 1684 die Kunde nach Berlin und bis in
das churfürſtliche Schloß drang, daß in Freienwalde ein „minera-
liſches Waſſer“ entdeckt worden ſei. Einige mit Fieber und Läh-
mung Behaftete ſeien geſund geworden. Der Churfürſt (bereits in
ſeinen alten Tagen und von der Gicht ſchwer geplagt) ſchöpfte
Hoffnung, daß ihm vielleicht das eigne Land gewähren möchte,
was ihm ſo viele Heilquellen bis dahin verſagt hatten und er
ſchickte ſeinen Kammerdiener und Chemikus, den berühmten Kunckel
(den Entdecker des Phosphors) nach Freienwalde, um ſich von
der mineraliſchen Kraft des neu entdeckten Quells zu überzeugen.
Der Bericht lautete günſtig und noch im ſelben Jahre trafen der
Churfürſt und ſeine Gemahlin als erſte Brunnengäſte im Bade
zu Freienwalde ein.

Nun brachen glänzende Tage an. Der Ruf von der Heilkraft
des Brunnens verbreitete ſich bis in ferne Gegenden (ferne, nach
damaliger Vorſtellung) und im nächſten Jahre, 1685, fanden ſich
1500 Gäſte in Freienwalde zuſammen. Freilich dieſe 1500 Gäſte
waren nicht ſammt und ſonders Brunnengäſte, vielleicht nur
zum kleineren Theile. „Der Churfürſt (der auch in dieſem Jahre
mit ſeinem Hofe erſchienen war), ließ zehn Wispel Getreide ver-
backen und die Brote ſammt einer Geldbeiſteuer wöchentlich zwei-
mal vertheilen“ — woraus genugſam zu erſehen iſt, daß die chur-
fürſtliche Gegenwart allerhand armes Volk herbeigelockt hatte, um
von der Mildthätigkeit des Fürſten Nutzen zu ziehen. 1686 (in

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[284/0296] Mittel gegen hartnäckige Fieber. Was dabei wirkſam war, iſt ſchwer zu ſagen. Auch Augenkranke kamen. Sie legten von dem braunen Ockerſchlamm auf das Auge, und ſahen nach kurzer Zeit wieder klarer und beſſer. Schwerlich war es der braune Eiſen- ſchlamm als ſolcher, der ſo vortheilhaft wirkte, vielmehr die an- haftende Flüſſigkeit, die Eiſenvitriol enthielt. Gehört doch der Zink- vitriol (eine Art Geſchwiſterkind des ebengenannten Eiſenſalzes) bis dieſe Stunde noch zu den bevorzugten Mitteln der Augen- heilkunde. Jedenfalls war der Ruf und Ruhm des Freienwalder Quells allerlokalſter Natur, bis 1684 die Kunde nach Berlin und bis in das churfürſtliche Schloß drang, daß in Freienwalde ein „minera- liſches Waſſer“ entdeckt worden ſei. Einige mit Fieber und Läh- mung Behaftete ſeien geſund geworden. Der Churfürſt (bereits in ſeinen alten Tagen und von der Gicht ſchwer geplagt) ſchöpfte Hoffnung, daß ihm vielleicht das eigne Land gewähren möchte, was ihm ſo viele Heilquellen bis dahin verſagt hatten und er ſchickte ſeinen Kammerdiener und Chemikus, den berühmten Kunckel (den Entdecker des Phosphors) nach Freienwalde, um ſich von der mineraliſchen Kraft des neu entdeckten Quells zu überzeugen. Der Bericht lautete günſtig und noch im ſelben Jahre trafen der Churfürſt und ſeine Gemahlin als erſte Brunnengäſte im Bade zu Freienwalde ein. Nun brachen glänzende Tage an. Der Ruf von der Heilkraft des Brunnens verbreitete ſich bis in ferne Gegenden (ferne, nach damaliger Vorſtellung) und im nächſten Jahre, 1685, fanden ſich 1500 Gäſte in Freienwalde zuſammen. Freilich dieſe 1500 Gäſte waren nicht ſammt und ſonders Brunnengäſte, vielleicht nur zum kleineren Theile. „Der Churfürſt (der auch in dieſem Jahre mit ſeinem Hofe erſchienen war), ließ zehn Wispel Getreide ver- backen und die Brote ſammt einer Geldbeiſteuer wöchentlich zwei- mal vertheilen“ — woraus genugſam zu erſehen iſt, daß die chur- fürſtliche Gegenwart allerhand armes Volk herbeigelockt hatte, um von der Mildthätigkeit des Fürſten Nutzen zu ziehen. 1686 (in

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/296>, abgerufen am 10.05.2024.