Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

sein, abzuschwächen oder ganz zu verwischen wußte, ist Freienwalde
eine märkische Stadt geblieben. Kein Wunder. Nicht der Welt-
tourist, nur die Mark kehrt hier bei sich selber zum Be-
suche ein
.

Freienwalde, wie wir sahen, ist eine Bergstadt; Bergstädte
aber sind selten die Stätten einer glänzenden Architektur. Die
Häuser, überall ein "bestes Plätzchen" suchend, schaffen mehr Gas-
sen und Winkel als eigentliche Straßen, und das Beste, was wir
von Freienwalde zu sagen wissen, ist, daß es von dem bedenklich-
pittoresken Vorrecht wirklicher Bergstädte keinen allzustarken Ge-
brauch macht. Die Buden-Gasse, der seidene Beutel, der Köter-
oder Rosmarinweg sind freilich Lokalitäten, die dem Klange ihres
Namens so ziemlich gleich kommen, aber der Marktplatz mit seiner
kahlen Geräumigkeit (nur Raum, nur Weite) macht vieles wie-
der gut. Weite hier und Enge dort, hätten sich gegenseitig aus-
helfen können.

Die Schönheit der eigentlichen Stadt ist mäßig, ihr Reiz
liegt draußen auf den Bergen. Diesen Bergen verdankt es Alles,
was es ist: von dort aus kommen seine Quellen und von dort
aus gehen die "Blicke" in's Land hinein. Diese Quellen aber und
diese Aussichtspunkte sind es, die die Stadt zu einem Brunnen-
und Fremdenort gemacht haben. Wer nicht kommt, um hier die
Eisenquelle zu trinken, der kommt doch um einen Blick in die
"märkische Schweiz" zu thun. Diesen Freienwalder Bergen nun,
den Hütern, Wächtern und zum Theil den Ernährern der Stadt,
schreiten wir jetzt zu.

Zunächst der Ruinenberg. Er erhebt sich unmittelbar im
Rücken der Stadt und hat mit dem bekannten Potsdamer "Brau-
hausberge" das eine gemein, daß er, wie dieser, gleichsam die
älteste Aussichts-Firma und nach Ansicht vieler noch immer die
bestfundirte, repräsentirt. Er ist am leichtesten zu ersteigen; das ist
eins, was ihn empfiehlt. Keine Schneckengänge winden sich endlos
hinauf, bequeme Terrassen bilden den Weg, und (die Aussicht auf
Gärten rechts und links), so erreicht man die Höhe, plaudernd-

17

ſein, abzuſchwächen oder ganz zu verwiſchen wußte, iſt Freienwalde
eine märkiſche Stadt geblieben. Kein Wunder. Nicht der Welt-
touriſt, nur die Mark kehrt hier bei ſich ſelber zum Be-
ſuche ein
.

Freienwalde, wie wir ſahen, iſt eine Bergſtadt; Bergſtädte
aber ſind ſelten die Stätten einer glänzenden Architektur. Die
Häuſer, überall ein „beſtes Plätzchen“ ſuchend, ſchaffen mehr Gaſ-
ſen und Winkel als eigentliche Straßen, und das Beſte, was wir
von Freienwalde zu ſagen wiſſen, iſt, daß es von dem bedenklich-
pittoresken Vorrecht wirklicher Bergſtädte keinen allzuſtarken Ge-
brauch macht. Die Buden-Gaſſe, der ſeidene Beutel, der Köter-
oder Rosmarinweg ſind freilich Lokalitäten, die dem Klange ihres
Namens ſo ziemlich gleich kommen, aber der Marktplatz mit ſeiner
kahlen Geräumigkeit (nur Raum, nur Weite) macht vieles wie-
der gut. Weite hier und Enge dort, hätten ſich gegenſeitig aus-
helfen können.

Die Schönheit der eigentlichen Stadt iſt mäßig, ihr Reiz
liegt draußen auf den Bergen. Dieſen Bergen verdankt es Alles,
was es iſt: von dort aus kommen ſeine Quellen und von dort
aus gehen die „Blicke“ in’s Land hinein. Dieſe Quellen aber und
dieſe Ausſichtspunkte ſind es, die die Stadt zu einem Brunnen-
und Fremdenort gemacht haben. Wer nicht kommt, um hier die
Eiſenquelle zu trinken, der kommt doch um einen Blick in die
„märkiſche Schweiz“ zu thun. Dieſen Freienwalder Bergen nun,
den Hütern, Wächtern und zum Theil den Ernährern der Stadt,
ſchreiten wir jetzt zu.

Zunächſt der Ruinenberg. Er erhebt ſich unmittelbar im
Rücken der Stadt und hat mit dem bekannten Potsdamer „Brau-
hausberge“ das eine gemein, daß er, wie dieſer, gleichſam die
älteſte Ausſichts-Firma und nach Anſicht vieler noch immer die
beſtfundirte, repräſentirt. Er iſt am leichteſten zu erſteigen; das iſt
eins, was ihn empfiehlt. Keine Schneckengänge winden ſich endlos
hinauf, bequeme Terraſſen bilden den Weg, und (die Ausſicht auf
Gärten rechts und links), ſo erreicht man die Höhe, plaudernd-

17
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0269" n="257"/>
&#x017F;ein, abzu&#x017F;chwächen oder ganz zu verwi&#x017F;chen wußte, i&#x017F;t Freienwalde<lb/>
eine <hi rendition="#g">märki&#x017F;che</hi> Stadt geblieben. Kein Wunder. Nicht der Welt-<lb/>
touri&#x017F;t, <hi rendition="#g">nur die Mark kehrt hier bei &#x017F;ich &#x017F;elber zum Be-<lb/>
&#x017F;uche ein</hi>.</p><lb/>
          <p>Freienwalde, wie wir &#x017F;ahen, i&#x017F;t eine Berg&#x017F;tadt; Berg&#x017F;tädte<lb/>
aber &#x017F;ind &#x017F;elten die Stätten einer glänzenden Architektur. Die<lb/>
Häu&#x017F;er, überall ein &#x201E;be&#x017F;tes Plätzchen&#x201C; &#x017F;uchend, &#x017F;chaffen mehr Ga&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en und Winkel als eigentliche Straßen, und das Be&#x017F;te, was wir<lb/>
von Freienwalde zu &#x017F;agen wi&#x017F;&#x017F;en, i&#x017F;t, daß es von dem bedenklich-<lb/>
pittoresken Vorrecht wirklicher Berg&#x017F;tädte keinen allzu&#x017F;tarken Ge-<lb/>
brauch macht. Die Buden-Ga&#x017F;&#x017F;e, der &#x017F;eidene Beutel, der Köter-<lb/>
oder Rosmarinweg &#x017F;ind freilich Lokalitäten, die dem Klange ihres<lb/>
Namens &#x017F;o ziemlich gleich kommen, aber der Marktplatz mit &#x017F;einer<lb/>
kahlen Geräumigkeit (nur <hi rendition="#g">Raum</hi>, nur <hi rendition="#g">Weite</hi>) macht vieles wie-<lb/>
der gut. Weite hier und Enge dort, hätten &#x017F;ich gegen&#x017F;eitig aus-<lb/>
helfen können.</p><lb/>
          <p>Die Schönheit der eigentlichen Stadt i&#x017F;t mäßig, ihr Reiz<lb/>
liegt draußen auf den Bergen. Die&#x017F;en Bergen verdankt es Alles,<lb/>
was es i&#x017F;t: von dort aus kommen &#x017F;eine Quellen und von dort<lb/>
aus gehen die &#x201E;Blicke&#x201C; in&#x2019;s Land hinein. Die&#x017F;e Quellen aber und<lb/>
die&#x017F;e Aus&#x017F;ichtspunkte &#x017F;ind es, die die Stadt zu einem Brunnen-<lb/>
und Fremdenort gemacht haben. Wer nicht kommt, um hier die<lb/>
Ei&#x017F;enquelle zu trinken, der kommt doch um einen Blick in die<lb/>
&#x201E;märki&#x017F;che Schweiz&#x201C; zu thun. Die&#x017F;en Freienwalder Bergen nun,<lb/>
den Hütern, Wächtern und zum Theil den Ernährern der Stadt,<lb/>
&#x017F;chreiten wir jetzt zu.</p><lb/>
          <p>Zunäch&#x017F;t der <hi rendition="#g">Ruinenberg</hi>. Er erhebt &#x017F;ich unmittelbar im<lb/>
Rücken der Stadt und hat mit dem bekannten Potsdamer &#x201E;Brau-<lb/>
hausberge&#x201C; das eine gemein, daß er, wie die&#x017F;er, gleich&#x017F;am die<lb/>
älte&#x017F;te Aus&#x017F;ichts-Firma und nach An&#x017F;icht vieler noch immer die<lb/>
be&#x017F;tfundirte, reprä&#x017F;entirt. Er i&#x017F;t am leichte&#x017F;ten zu er&#x017F;teigen; das i&#x017F;t<lb/>
eins, was ihn empfiehlt. Keine Schneckengänge winden &#x017F;ich endlos<lb/>
hinauf, bequeme Terra&#x017F;&#x017F;en bilden den Weg, und (die Aus&#x017F;icht auf<lb/>
Gärten rechts und links), &#x017F;o erreicht man die Höhe, plaudernd-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">17</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0269] ſein, abzuſchwächen oder ganz zu verwiſchen wußte, iſt Freienwalde eine märkiſche Stadt geblieben. Kein Wunder. Nicht der Welt- touriſt, nur die Mark kehrt hier bei ſich ſelber zum Be- ſuche ein. Freienwalde, wie wir ſahen, iſt eine Bergſtadt; Bergſtädte aber ſind ſelten die Stätten einer glänzenden Architektur. Die Häuſer, überall ein „beſtes Plätzchen“ ſuchend, ſchaffen mehr Gaſ- ſen und Winkel als eigentliche Straßen, und das Beſte, was wir von Freienwalde zu ſagen wiſſen, iſt, daß es von dem bedenklich- pittoresken Vorrecht wirklicher Bergſtädte keinen allzuſtarken Ge- brauch macht. Die Buden-Gaſſe, der ſeidene Beutel, der Köter- oder Rosmarinweg ſind freilich Lokalitäten, die dem Klange ihres Namens ſo ziemlich gleich kommen, aber der Marktplatz mit ſeiner kahlen Geräumigkeit (nur Raum, nur Weite) macht vieles wie- der gut. Weite hier und Enge dort, hätten ſich gegenſeitig aus- helfen können. Die Schönheit der eigentlichen Stadt iſt mäßig, ihr Reiz liegt draußen auf den Bergen. Dieſen Bergen verdankt es Alles, was es iſt: von dort aus kommen ſeine Quellen und von dort aus gehen die „Blicke“ in’s Land hinein. Dieſe Quellen aber und dieſe Ausſichtspunkte ſind es, die die Stadt zu einem Brunnen- und Fremdenort gemacht haben. Wer nicht kommt, um hier die Eiſenquelle zu trinken, der kommt doch um einen Blick in die „märkiſche Schweiz“ zu thun. Dieſen Freienwalder Bergen nun, den Hütern, Wächtern und zum Theil den Ernährern der Stadt, ſchreiten wir jetzt zu. Zunächſt der Ruinenberg. Er erhebt ſich unmittelbar im Rücken der Stadt und hat mit dem bekannten Potsdamer „Brau- hausberge“ das eine gemein, daß er, wie dieſer, gleichſam die älteſte Ausſichts-Firma und nach Anſicht vieler noch immer die beſtfundirte, repräſentirt. Er iſt am leichteſten zu erſteigen; das iſt eins, was ihn empfiehlt. Keine Schneckengänge winden ſich endlos hinauf, bequeme Terraſſen bilden den Weg, und (die Ausſicht auf Gärten rechts und links), ſo erreicht man die Höhe, plaudernd- 17

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/269
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/269>, abgerufen am 10.05.2024.