Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

nah und fern sein Doktor-Jubiläum. Unter den vielen Geschenken
und Ueberraschungen, die der Tag brachte, war auch ein Goethe-
sches, eigens für diesen Tag gedichtetes Lied:

Wer müht sich wohl im Garten dort
Und mustert jedes Beet?

1825 auf 26 erweiterte er seinen Besitz durch Ankauf der
benachbarten Rittergüter Lüdersdorf und Biesdorf, und der neue
Besitz regte seinen landwirthschaftlichen Eifer noch einmal auf das
Lebhafteste an. Aber das Feuer war im Erlöschen. Schon das
Jahr zuvor hatte er an seinen Schwager Jacobi in Celle ge-
schrieben: "Wir haben nun bald unsere Laufbahn auf dieser Welt
vollendet. Wir können vor vielen Andern sagen, daß unser Leben
köstlich gewesen, aber doch nur ein elend jämmerlich Ding. Mit
Sehnsucht erwarten wir ein anderes; Gott erleichtere uns den
Uebergang in dasselbe." Noch einige Jahre waren ihm gegönnt,
aber Schmerzensjahre. Er litt an rheumatischen Beschwerden, end-
lich bildete sich ein schmerzhaftes Fußleiden aus, der Alters-
brand
. Er litt sehr. Des berühmten Dieffenbach Heilversuche
schafften vorübergehend Linderung, aber die Uhr war abgelaufen:
Thaer entschlief am 26. Oktober 1828.

Thaer war von mittlerer Größe, fein und schlank gebaut, in
allen Theilen von gutem Verhältniß, und von fester, ruhiger, im-
mer bequemer Haltung und Bewegung. Sein Aeußeres war im
Ganzen nichts weniger als imponirend, hatte jedoch etwas trocken
Ablehnendes, so daß sich der Fremde nicht leicht auf den ersten
Blick zu ihm hingezogen fühlte. Seine Züge zeigten nicht viel
Beweglichkeit; der Mund war geschlossen, zurückgezogen, schweig-
sam, aber mit dem unverkennbaren Ausdruck der absichtslosesten
Güte. Seine Augen waren rechte Künstleraugen, sehr bedeutend
und von ungewöhnlicher Klarheit; dabei ruhig prüfend, man
fühlte, daß er auch den verborgenen Fleck traf. Sein gutes, wei-
ches Herz verrieth sich leicht, auch bei geringerer zufälliger Anre-
gung. Was man jedoch ein gefälliges Wesen nennt, war ihm

nah und fern ſein Doktor-Jubiläum. Unter den vielen Geſchenken
und Ueberraſchungen, die der Tag brachte, war auch ein Goethe-
ſches, eigens für dieſen Tag gedichtetes Lied:

Wer müht ſich wohl im Garten dort
Und muſtert jedes Beet?

1825 auf 26 erweiterte er ſeinen Beſitz durch Ankauf der
benachbarten Rittergüter Lüdersdorf und Biesdorf, und der neue
Beſitz regte ſeinen landwirthſchaftlichen Eifer noch einmal auf das
Lebhafteſte an. Aber das Feuer war im Erlöſchen. Schon das
Jahr zuvor hatte er an ſeinen Schwager Jacobi in Celle ge-
ſchrieben: „Wir haben nun bald unſere Laufbahn auf dieſer Welt
vollendet. Wir können vor vielen Andern ſagen, daß unſer Leben
köſtlich geweſen, aber doch nur ein elend jämmerlich Ding. Mit
Sehnſucht erwarten wir ein anderes; Gott erleichtere uns den
Uebergang in daſſelbe.“ Noch einige Jahre waren ihm gegönnt,
aber Schmerzensjahre. Er litt an rheumatiſchen Beſchwerden, end-
lich bildete ſich ein ſchmerzhaftes Fußleiden aus, der Alters-
brand
. Er litt ſehr. Des berühmten Dieffenbach Heilverſuche
ſchafften vorübergehend Linderung, aber die Uhr war abgelaufen:
Thaer entſchlief am 26. Oktober 1828.

Thaer war von mittlerer Größe, fein und ſchlank gebaut, in
allen Theilen von gutem Verhältniß, und von feſter, ruhiger, im-
mer bequemer Haltung und Bewegung. Sein Aeußeres war im
Ganzen nichts weniger als imponirend, hatte jedoch etwas trocken
Ablehnendes, ſo daß ſich der Fremde nicht leicht auf den erſten
Blick zu ihm hingezogen fühlte. Seine Züge zeigten nicht viel
Beweglichkeit; der Mund war geſchloſſen, zurückgezogen, ſchweig-
ſam, aber mit dem unverkennbaren Ausdruck der abſichtsloſeſten
Güte. Seine Augen waren rechte Künſtleraugen, ſehr bedeutend
und von ungewöhnlicher Klarheit; dabei ruhig prüfend, man
fühlte, daß er auch den verborgenen Fleck traf. Sein gutes, wei-
ches Herz verrieth ſich leicht, auch bei geringerer zufälliger Anre-
gung. Was man jedoch ein gefälliges Weſen nennt, war ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0259" n="247"/>
nah und fern &#x017F;ein Doktor-Jubiläum. Unter den vielen Ge&#x017F;chenken<lb/>
und Ueberra&#x017F;chungen, die der Tag brachte, war auch ein Goethe-<lb/>
&#x017F;ches, eigens für die&#x017F;en Tag gedichtetes Lied:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Wer müht &#x017F;ich wohl im Garten dort</l><lb/>
            <l>Und mu&#x017F;tert jedes Beet?</l>
          </lg><lb/>
          <p>1825 auf 26 erweiterte er &#x017F;einen Be&#x017F;itz durch Ankauf der<lb/>
benachbarten Rittergüter Lüdersdorf und Biesdorf, und der neue<lb/>
Be&#x017F;itz regte &#x017F;einen landwirth&#x017F;chaftlichen Eifer noch einmal auf das<lb/>
Lebhafte&#x017F;te an. Aber das Feuer war im Erlö&#x017F;chen. Schon das<lb/>
Jahr zuvor hatte er an &#x017F;einen Schwager <hi rendition="#g">Jacobi</hi> in Celle ge-<lb/>
&#x017F;chrieben: &#x201E;Wir haben nun bald un&#x017F;ere Laufbahn auf die&#x017F;er Welt<lb/>
vollendet. Wir können vor vielen Andern &#x017F;agen, daß un&#x017F;er Leben<lb/>&#x017F;tlich gewe&#x017F;en, aber doch nur ein elend jämmerlich Ding. Mit<lb/>
Sehn&#x017F;ucht erwarten wir ein anderes; Gott erleichtere uns den<lb/>
Uebergang in da&#x017F;&#x017F;elbe.&#x201C; Noch einige Jahre waren ihm gegönnt,<lb/>
aber Schmerzensjahre. Er litt an rheumati&#x017F;chen Be&#x017F;chwerden, end-<lb/>
lich bildete &#x017F;ich ein &#x017F;chmerzhaftes Fußleiden aus, der <hi rendition="#g">Alters-<lb/>
brand</hi>. Er litt &#x017F;ehr. Des berühmten Dieffenbach Heilver&#x017F;uche<lb/>
&#x017F;chafften vorübergehend Linderung, aber die Uhr war abgelaufen:<lb/>
Thaer ent&#x017F;chlief am 26. Oktober 1828.</p><lb/>
          <p>Thaer war von mittlerer Größe, fein und &#x017F;chlank gebaut, in<lb/>
allen Theilen von gutem Verhältniß, und von fe&#x017F;ter, ruhiger, im-<lb/>
mer bequemer Haltung und Bewegung. Sein Aeußeres war im<lb/>
Ganzen nichts weniger als imponirend, hatte jedoch etwas trocken<lb/>
Ablehnendes, &#x017F;o daß &#x017F;ich der Fremde nicht leicht auf den er&#x017F;ten<lb/>
Blick zu ihm hingezogen fühlte. Seine Züge zeigten nicht viel<lb/>
Beweglichkeit; der Mund war ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, zurückgezogen, &#x017F;chweig-<lb/>
&#x017F;am, aber mit dem unverkennbaren Ausdruck der ab&#x017F;ichtslo&#x017F;e&#x017F;ten<lb/>
Güte. Seine Augen waren rechte Kün&#x017F;tleraugen, &#x017F;ehr bedeutend<lb/>
und von ungewöhnlicher Klarheit; dabei ruhig prüfend, man<lb/>
fühlte, daß er auch den verborgenen Fleck traf. Sein gutes, wei-<lb/>
ches Herz verrieth &#x017F;ich leicht, auch bei geringerer zufälliger Anre-<lb/>
gung. Was man jedoch ein <hi rendition="#g">gefälliges</hi> We&#x017F;en nennt, war ihm<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0259] nah und fern ſein Doktor-Jubiläum. Unter den vielen Geſchenken und Ueberraſchungen, die der Tag brachte, war auch ein Goethe- ſches, eigens für dieſen Tag gedichtetes Lied: Wer müht ſich wohl im Garten dort Und muſtert jedes Beet? 1825 auf 26 erweiterte er ſeinen Beſitz durch Ankauf der benachbarten Rittergüter Lüdersdorf und Biesdorf, und der neue Beſitz regte ſeinen landwirthſchaftlichen Eifer noch einmal auf das Lebhafteſte an. Aber das Feuer war im Erlöſchen. Schon das Jahr zuvor hatte er an ſeinen Schwager Jacobi in Celle ge- ſchrieben: „Wir haben nun bald unſere Laufbahn auf dieſer Welt vollendet. Wir können vor vielen Andern ſagen, daß unſer Leben köſtlich geweſen, aber doch nur ein elend jämmerlich Ding. Mit Sehnſucht erwarten wir ein anderes; Gott erleichtere uns den Uebergang in daſſelbe.“ Noch einige Jahre waren ihm gegönnt, aber Schmerzensjahre. Er litt an rheumatiſchen Beſchwerden, end- lich bildete ſich ein ſchmerzhaftes Fußleiden aus, der Alters- brand. Er litt ſehr. Des berühmten Dieffenbach Heilverſuche ſchafften vorübergehend Linderung, aber die Uhr war abgelaufen: Thaer entſchlief am 26. Oktober 1828. Thaer war von mittlerer Größe, fein und ſchlank gebaut, in allen Theilen von gutem Verhältniß, und von feſter, ruhiger, im- mer bequemer Haltung und Bewegung. Sein Aeußeres war im Ganzen nichts weniger als imponirend, hatte jedoch etwas trocken Ablehnendes, ſo daß ſich der Fremde nicht leicht auf den erſten Blick zu ihm hingezogen fühlte. Seine Züge zeigten nicht viel Beweglichkeit; der Mund war geſchloſſen, zurückgezogen, ſchweig- ſam, aber mit dem unverkennbaren Ausdruck der abſichtsloſeſten Güte. Seine Augen waren rechte Künſtleraugen, ſehr bedeutend und von ungewöhnlicher Klarheit; dabei ruhig prüfend, man fühlte, daß er auch den verborgenen Fleck traf. Sein gutes, wei- ches Herz verrieth ſich leicht, auch bei geringerer zufälliger Anre- gung. Was man jedoch ein gefälliges Weſen nennt, war ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/259
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/259>, abgerufen am 10.05.2024.