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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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schaftsgebäude vorfand, so entwarf er einen Plan zu einem "Ge-
höft" und ließ Wohnhaus und Wirthschaftsgebäude nach seinem
eigenen Plane aufführen. Er hatte dabei überall nur das Zweck-
mäßige, nirgends die Eleganz im Auge und verfuhr ganz nach der
Regel des M. P. Cato: "Baue dein Gehöft so, daß es weder
den Gebäuden an Ländereien, noch den Ländereien an Gebäuden
fehlt." Der Boden bestand aus Lehm und Sand; drei Arbeits-
pferde und 14 Kühe wurden angeschafft und zwei Knechte und zwei
Mägde in Dienst genommen.

So war Thaer, nachdem er die Stadien des Blumisten und
Gärtners durchgemacht hatte, zum Landwirth geworden. Er blieb
noch Arzt, sogar ein beschäftigter, vielfach ausgezeichneter (1796
ward er zum Leibarzt des Königs Georgs III. ernannt), aber
sein Herz, sein Sinnen und Trachten gehörte der "Wirthschaft"
draußen und die Sommermonate pflegte er, sammt seiner Familie,
auf dem "Gute" zu wohnen. Sein Leben war ein sehr ange-
strengtes; die Frühstunden von 4--7 und der Spätabend gehör-
ten seinen landwirthschaftlichen Studien, der Tag seinem ärztlichen
Beruf. Nur die Passion half über Alles hinweg.

Es lag ihm zunächst daran, seiner Umgebung augenscheinlich
darzuthun, daß es einen Ackerbau gebe, der vollkommener und er-
giebiger sei, als der, welchen man im Celle'schen Felde betreibe.
Er wollte durch sein eignes Beispiel zeigen, wie man den Ackerbau,
mit höchstem Unrecht, nur als ein Handwerk, ja oft noch geringer
ansehe, in der Meinung, daß weniger Kunst dazu gehöre, einen
Acker zu bestellen, als einen Schuh zu machen. Er wollte die Be-
treibung dieses wichtigen, verwickelten, dieses unerschöpflich künst-
lichen Gewerbes zu wohlverdienten Ehren bringen. Er stellte sich
bei seiner kleinen Wirthschaft einen doppelten Zweck: den zum Theil
widerstrebenden Boden in eine möglichst hohe Culturstufe zu heben
und vor allem eine Experimental-Wirthschaft zu seiner eig-
nen Belehrung und Förderung zur Hand zu haben.

Selbstdenkend, aber auch Rath nicht verschmähend, wie gute
Bücher oder bewährte Landwirthe ihm boten, ging er ans Werk.

ſchaftsgebäude vorfand, ſo entwarf er einen Plan zu einem „Ge-
höft“ und ließ Wohnhaus und Wirthſchaftsgebäude nach ſeinem
eigenen Plane aufführen. Er hatte dabei überall nur das Zweck-
mäßige, nirgends die Eleganz im Auge und verfuhr ganz nach der
Regel des M. P. Cato: „Baue dein Gehöft ſo, daß es weder
den Gebäuden an Ländereien, noch den Ländereien an Gebäuden
fehlt.“ Der Boden beſtand aus Lehm und Sand; drei Arbeits-
pferde und 14 Kühe wurden angeſchafft und zwei Knechte und zwei
Mägde in Dienſt genommen.

So war Thaer, nachdem er die Stadien des Blumiſten und
Gärtners durchgemacht hatte, zum Landwirth geworden. Er blieb
noch Arzt, ſogar ein beſchäftigter, vielfach ausgezeichneter (1796
ward er zum Leibarzt des Königs Georgs III. ernannt), aber
ſein Herz, ſein Sinnen und Trachten gehörte der „Wirthſchaft“
draußen und die Sommermonate pflegte er, ſammt ſeiner Familie,
auf dem „Gute“ zu wohnen. Sein Leben war ein ſehr ange-
ſtrengtes; die Frühſtunden von 4—7 und der Spätabend gehör-
ten ſeinen landwirthſchaftlichen Studien, der Tag ſeinem ärztlichen
Beruf. Nur die Paſſion half über Alles hinweg.

Es lag ihm zunächſt daran, ſeiner Umgebung augenſcheinlich
darzuthun, daß es einen Ackerbau gebe, der vollkommener und er-
giebiger ſei, als der, welchen man im Celle’ſchen Felde betreibe.
Er wollte durch ſein eignes Beiſpiel zeigen, wie man den Ackerbau,
mit höchſtem Unrecht, nur als ein Handwerk, ja oft noch geringer
anſehe, in der Meinung, daß weniger Kunſt dazu gehöre, einen
Acker zu beſtellen, als einen Schuh zu machen. Er wollte die Be-
treibung dieſes wichtigen, verwickelten, dieſes unerſchöpflich künſt-
lichen Gewerbes zu wohlverdienten Ehren bringen. Er ſtellte ſich
bei ſeiner kleinen Wirthſchaft einen doppelten Zweck: den zum Theil
widerſtrebenden Boden in eine möglichſt hohe Culturſtufe zu heben
und vor allem eine Experimental-Wirthſchaft zu ſeiner eig-
nen Belehrung und Förderung zur Hand zu haben.

Selbſtdenkend, aber auch Rath nicht verſchmähend, wie gute
Bücher oder bewährte Landwirthe ihm boten, ging er ans Werk.

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[231/0243] ſchaftsgebäude vorfand, ſo entwarf er einen Plan zu einem „Ge- höft“ und ließ Wohnhaus und Wirthſchaftsgebäude nach ſeinem eigenen Plane aufführen. Er hatte dabei überall nur das Zweck- mäßige, nirgends die Eleganz im Auge und verfuhr ganz nach der Regel des M. P. Cato: „Baue dein Gehöft ſo, daß es weder den Gebäuden an Ländereien, noch den Ländereien an Gebäuden fehlt.“ Der Boden beſtand aus Lehm und Sand; drei Arbeits- pferde und 14 Kühe wurden angeſchafft und zwei Knechte und zwei Mägde in Dienſt genommen. So war Thaer, nachdem er die Stadien des Blumiſten und Gärtners durchgemacht hatte, zum Landwirth geworden. Er blieb noch Arzt, ſogar ein beſchäftigter, vielfach ausgezeichneter (1796 ward er zum Leibarzt des Königs Georgs III. ernannt), aber ſein Herz, ſein Sinnen und Trachten gehörte der „Wirthſchaft“ draußen und die Sommermonate pflegte er, ſammt ſeiner Familie, auf dem „Gute“ zu wohnen. Sein Leben war ein ſehr ange- ſtrengtes; die Frühſtunden von 4—7 und der Spätabend gehör- ten ſeinen landwirthſchaftlichen Studien, der Tag ſeinem ärztlichen Beruf. Nur die Paſſion half über Alles hinweg. Es lag ihm zunächſt daran, ſeiner Umgebung augenſcheinlich darzuthun, daß es einen Ackerbau gebe, der vollkommener und er- giebiger ſei, als der, welchen man im Celle’ſchen Felde betreibe. Er wollte durch ſein eignes Beiſpiel zeigen, wie man den Ackerbau, mit höchſtem Unrecht, nur als ein Handwerk, ja oft noch geringer anſehe, in der Meinung, daß weniger Kunſt dazu gehöre, einen Acker zu beſtellen, als einen Schuh zu machen. Er wollte die Be- treibung dieſes wichtigen, verwickelten, dieſes unerſchöpflich künſt- lichen Gewerbes zu wohlverdienten Ehren bringen. Er ſtellte ſich bei ſeiner kleinen Wirthſchaft einen doppelten Zweck: den zum Theil widerſtrebenden Boden in eine möglichſt hohe Culturſtufe zu heben und vor allem eine Experimental-Wirthſchaft zu ſeiner eig- nen Belehrung und Förderung zur Hand zu haben. Selbſtdenkend, aber auch Rath nicht verſchmähend, wie gute Bücher oder bewährte Landwirthe ihm boten, ging er ans Werk.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/243>, abgerufen am 27.04.2024.