auch (kein geringes Vorrecht in jenen Tagen) für ihre Person, sammt Kind und Kindeskind von aller Werbung frei waren. Dem König, wie wohlbekannt, lag vor allem daran, seine dünn besäten Staaten reicher bevölkert zu sehen. Nach der Ver- theilung der Ländereien blieben ihm noch 20,000 Morgen, im Hinblick auf welche ein benachbarter Gutsbesitzer dem Könige den Rath gab, "daß sich vorzügliche Domainen-Vorwerke daraus wür- den bilden lassen." Der König sah den Rathgeber durchdringen- den Blickes an und bemerkte dann scharf: "wäre ich, was Er ist, so würd' ich auch so denken; da ich aber König bin, so muß ich Unterthanen haben." Er gab auch diese 20,000 Morgen noch fort.
Die Colonisten waren nun angesetzt und die Urbarmachung begann. Das nächste, was der Trockenlegung folgte, war die Aus- rodung. Diese Ausrodung führte in den ersten Jahren zu selt- samen Scenen, wie sie seitdem, wenigstens in unsrer Provinz, wohl nicht wieder beobachtet worden sind. Die ausgerodeten Bäume und Sträucher, -- da keine Gelegenheit gegeben war, die ganze Fülle dieses Holzreichthums zu verkaufen oder wirthschaftlich zu verwerthen, -- wurden zu mächtigen Haufen aufgeschichtet und endlich, nachdem sie völlig ausgetrocknet waren, angezündet und verbrannt. Aber das Austrocknen dieser ausgerodeten Sumpf-Ve- getation dauerte oft monatelang und so kam es, daß diese auf- geschichteten Holz- und Strauchhaufen eine willkommene Zufluchts- stätte für all' die Thiere wurden, die bei den Ausrodungen rings umher aus ihren Schlupfwinkeln aufgescheucht worden waren. In diesen Holz- und Strauchhaufen steckten nun die Thiere drin, bis der Tag des Anzündens kam. Dann, wenn Qualm und Flamme aufschlugen, begann es, bei hellem Tagesschein, in dem Strauch- haufen lebendig zu werden, und nach allen Seiten hin jagten nun die geängstigten Thiere, wilde Katzen, Iltisse, Marder, Füchse und Wölfe über das Feld. Ebenso wurde ein Vernichtungskrieg gegen Wildpret und Geflügel geführt, und jeder Haushalt hatte Ueber- fluß an Hirschen, Rehen, Hasen, Sumpfhühnern und wilden En-
auch (kein geringes Vorrecht in jenen Tagen) für ihre Perſon, ſammt Kind und Kindeskind von aller Werbung frei waren. Dem König, wie wohlbekannt, lag vor allem daran, ſeine dünn beſäten Staaten reicher bevölkert zu ſehen. Nach der Ver- theilung der Ländereien blieben ihm noch 20,000 Morgen, im Hinblick auf welche ein benachbarter Gutsbeſitzer dem Könige den Rath gab, „daß ſich vorzügliche Domainen-Vorwerke daraus wür- den bilden laſſen.“ Der König ſah den Rathgeber durchdringen- den Blickes an und bemerkte dann ſcharf: „wäre ich, was Er iſt, ſo würd’ ich auch ſo denken; da ich aber König bin, ſo muß ich Unterthanen haben.“ Er gab auch dieſe 20,000 Morgen noch fort.
Die Coloniſten waren nun angeſetzt und die Urbarmachung begann. Das nächſte, was der Trockenlegung folgte, war die Aus- rodung. Dieſe Ausrodung führte in den erſten Jahren zu ſelt- ſamen Scenen, wie ſie ſeitdem, wenigſtens in unſrer Provinz, wohl nicht wieder beobachtet worden ſind. Die ausgerodeten Bäume und Sträucher, — da keine Gelegenheit gegeben war, die ganze Fülle dieſes Holzreichthums zu verkaufen oder wirthſchaftlich zu verwerthen, — wurden zu mächtigen Haufen aufgeſchichtet und endlich, nachdem ſie völlig ausgetrocknet waren, angezündet und verbrannt. Aber das Austrocknen dieſer ausgerodeten Sumpf-Ve- getation dauerte oft monatelang und ſo kam es, daß dieſe auf- geſchichteten Holz- und Strauchhaufen eine willkommene Zufluchts- ſtätte für all’ die Thiere wurden, die bei den Ausrodungen rings umher aus ihren Schlupfwinkeln aufgeſcheucht worden waren. In dieſen Holz- und Strauchhaufen ſteckten nun die Thiere drin, bis der Tag des Anzündens kam. Dann, wenn Qualm und Flamme aufſchlugen, begann es, bei hellem Tagesſchein, in dem Strauch- haufen lebendig zu werden, und nach allen Seiten hin jagten nun die geängſtigten Thiere, wilde Katzen, Iltiſſe, Marder, Füchſe und Wölfe über das Feld. Ebenſo wurde ein Vernichtungskrieg gegen Wildpret und Geflügel geführt, und jeder Haushalt hatte Ueber- fluß an Hirſchen, Rehen, Haſen, Sumpfhühnern und wilden En-
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auch (kein geringes Vorrecht in jenen Tagen) für ihre Perſon,
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dünn beſäten Staaten reicher bevölkert zu ſehen. Nach der Ver-
theilung der Ländereien blieben ihm noch 20,000 Morgen, im
Hinblick auf welche ein benachbarter Gutsbeſitzer dem Könige den
Rath gab, „daß ſich vorzügliche Domainen-Vorwerke daraus wür-
den bilden laſſen.“ Der König ſah den Rathgeber durchdringen-
den Blickes an und bemerkte dann ſcharf: „wäre ich, was Er iſt,
ſo würd’ ich auch ſo denken; da ich aber König bin, ſo muß ich
Unterthanen haben.“ Er gab auch dieſe 20,000 Morgen
noch fort.
Die Coloniſten waren nun angeſetzt und die Urbarmachung
begann. Das nächſte, was der Trockenlegung folgte, war die Aus-
rodung. Dieſe Ausrodung führte in den erſten Jahren zu ſelt-
ſamen Scenen, wie ſie ſeitdem, wenigſtens in unſrer Provinz,
wohl nicht wieder beobachtet worden ſind. Die ausgerodeten Bäume
und Sträucher, — da keine Gelegenheit gegeben war, die ganze
Fülle dieſes Holzreichthums zu verkaufen oder wirthſchaftlich zu
verwerthen, — wurden zu mächtigen Haufen aufgeſchichtet und
endlich, nachdem ſie völlig ausgetrocknet waren, angezündet und
verbrannt. Aber das Austrocknen dieſer ausgerodeten Sumpf-Ve-
getation dauerte oft monatelang und ſo kam es, daß dieſe auf-
geſchichteten Holz- und Strauchhaufen eine willkommene Zufluchts-
ſtätte für all’ die Thiere wurden, die bei den Ausrodungen rings
umher aus ihren Schlupfwinkeln aufgeſcheucht worden waren. In
dieſen Holz- und Strauchhaufen ſteckten nun die Thiere drin, bis
der Tag des Anzündens kam. Dann, wenn Qualm und Flamme
aufſchlugen, begann es, bei hellem Tagesſchein, in dem Strauch-
haufen lebendig zu werden, und nach allen Seiten hin jagten nun
die geängſtigten Thiere, wilde Katzen, Iltiſſe, Marder, Füchſe und
Wölfe über das Feld. Ebenſo wurde ein Vernichtungskrieg gegen
Wildpret und Geflügel geführt, und jeder Haushalt hatte Ueber-
fluß an Hirſchen, Rehen, Haſen, Sumpfhühnern und wilden En-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/231>, abgerufen am 26.11.2024.
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