Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.cher und Böhmen, die größte Anzahl aus den drei erst genannten *) Wie die Bewohner, so sind auch die Dörfer selbst, in ihrer Erschei-
nung verschieden, doch ist es fraglich, ob sich diese Verschiedenartigkeit auf etwas Nationales zurückführen läßt. Vielleicht sind die Gründe nur lokaler Natur. Das Vorhandensein oder das Fehlen eines Wassers, anderer Zufälligkeiten zu geschweigen, mag solche Unterschiede geschaffen haben. Neu-Barnim (Pfälzer-Dorf) ist langgestreckt, und eine Baum-An- lage, die sich mitten durch die breite Dorfstraße zieht, theilt diese in drei Längs-Theile, in zwei Fahrwege, rechts und links, und einen Baumgang zwischen denselben. Neu-Trebbin ist ähnlich, wenn wir nicht irren. Neu- Lewin (das mit Polen besetzte Dorf) präsentirt sich malerischer. Die Dorf- straße entlang läuft ein Fließ, das auf seiner ganzen Länge von schräg oder auch terrassenförmig ansteigenden Gärten eingefaßt ist. Zwischen den Häusern und diesen Gärten zieht sich rechts und links der Fahrweg. Die Häuser selbst haben vielfach Lauben und Veranden und der Fußwanderer, der hier an einem Sommerabend des Weges kommt und vor den Häu- sern das Singen hört, während die dunklen, schöngewachsenen Mädchen mit den klappernden Eimern zum Brunnen gehen, der vergißt auf Augen- blicke wohl, daß er das verspottete Sumpf- und Sand-Land der Mark Brandenburg durchreist. cher und Böhmen, die größte Anzahl aus den drei erſt genannten *) Wie die Bewohner, ſo ſind auch die Dörfer ſelbſt, in ihrer Erſchei-
nung verſchieden, doch iſt es fraglich, ob ſich dieſe Verſchiedenartigkeit auf etwas Nationales zurückführen läßt. Vielleicht ſind die Gründe nur lokaler Natur. Das Vorhandenſein oder das Fehlen eines Waſſers, anderer Zufälligkeiten zu geſchweigen, mag ſolche Unterſchiede geſchaffen haben. Neu-Barnim (Pfälzer-Dorf) iſt langgeſtreckt, und eine Baum-An- lage, die ſich mitten durch die breite Dorfſtraße zieht, theilt dieſe in drei Längs-Theile, in zwei Fahrwege, rechts und links, und einen Baumgang zwiſchen denſelben. Neu-Trebbin iſt ähnlich, wenn wir nicht irren. Neu- Lewin (das mit Polen beſetzte Dorf) präſentirt ſich maleriſcher. Die Dorf- ſtraße entlang läuft ein Fließ, das auf ſeiner ganzen Länge von ſchräg oder auch terraſſenförmig anſteigenden Gärten eingefaßt iſt. Zwiſchen den Häuſern und dieſen Gärten zieht ſich rechts und links der Fahrweg. Die Häuſer ſelbſt haben vielfach Lauben und Veranden und der Fußwanderer, der hier an einem Sommerabend des Weges kommt und vor den Häu- ſern das Singen hört, während die dunklen, ſchöngewachſenen Mädchen mit den klappernden Eimern zum Brunnen gehen, der vergißt auf Augen- blicke wohl, daß er das verſpottete Sumpf- und Sand-Land der Mark Brandenburg durchreiſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0230" n="218"/> cher und Böhmen, die größte Anzahl aus den drei erſt genannten<lb/> Ländern. Neu-Barnim iſt eine Pfälzer-Colonie, ebenſo Neu-Trebbin.<lb/> Neu-Lewin wurde mit Polen, auch wohl mit Böhmen, jedenfalls<lb/> mit ſlaviſchen Elementen beſetzt. Dieſe Unterſchiede zeigen ſich zum<lb/> Theil noch in Erſcheinung und Character der Bewohner. In den<lb/> Pfälzer-Dörfern begegnet man einem mehr blonden, in Neu-Lewin<lb/> einem mehr brünetten Menſchenſchlag. Auch von der Ausgelaſſenheit<lb/> und dem leichten, lebhaften Sinn der Pfälzer hört man erzählen.<note place="foot" n="*)">Wie die Bewohner, ſo ſind auch die Dörfer ſelbſt, in ihrer Erſchei-<lb/> nung verſchieden, doch iſt es fraglich, ob ſich dieſe Verſchiedenartigkeit auf<lb/> etwas <hi rendition="#g">Nationales</hi> zurückführen läßt. Vielleicht ſind die Gründe nur<lb/><hi rendition="#g">lokaler</hi> Natur. Das Vorhandenſein oder das Fehlen eines Waſſers,<lb/> anderer Zufälligkeiten zu geſchweigen, mag ſolche Unterſchiede geſchaffen<lb/> haben. Neu-Barnim (Pfälzer-Dorf) iſt langgeſtreckt, und eine Baum-An-<lb/> lage, die ſich mitten durch die breite Dorfſtraße zieht, theilt dieſe in drei<lb/> Längs-Theile, in zwei Fahrwege, rechts und links, und einen Baumgang<lb/> zwiſchen denſelben. Neu-Trebbin iſt ähnlich, wenn wir nicht irren. Neu-<lb/> Lewin (das mit Polen beſetzte Dorf) präſentirt ſich maleriſcher. Die Dorf-<lb/> ſtraße entlang läuft ein Fließ, das auf ſeiner ganzen Länge von ſchräg<lb/> oder auch terraſſenförmig anſteigenden Gärten eingefaßt iſt. Zwiſchen den<lb/> Häuſern und dieſen Gärten zieht ſich rechts und links der Fahrweg. Die<lb/> Häuſer ſelbſt haben vielfach Lauben und Veranden und der Fußwanderer,<lb/> der hier an einem Sommerabend des Weges kommt und vor den Häu-<lb/> ſern das Singen hört, während die dunklen, ſchöngewachſenen Mädchen<lb/> mit den klappernden Eimern zum Brunnen gehen, der vergißt auf Augen-<lb/> blicke wohl, daß er das verſpottete Sumpf- und Sand-Land der Mark<lb/> Brandenburg durchreiſt.</note><lb/> Jede Familie erhielt 90, 60, 45, 20 und ein größerer Theil<lb/> 10 Morgen Ackers von dem entwäſſerten Boden, bei welcher Ver-<lb/> theilung man, wie billig, auf die Stärke der Familie und die<lb/> Größe des Vermögens Rückſicht nahm. Jegliche Religionsausübung<lb/> war frei. Der König ließ ſechs neue Kirchen bauen, ſetzte vier<lb/> Prediger, zwei reformirte und zwei lutheriſche ein und gab jedem<lb/> Dorf eine Schule. Der Unterricht war frei; Pfarre und Schule<lb/> erhielten Ländereien. Noch andre Vortheile wurden den Anſiedlern<lb/> gewährt. Allen denen, die ſich niederließen, ward eine vollſtändige<lb/> Freiheit von allen Laſten auf 15 Jahre gewährt, wie ſie denn<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [218/0230]
cher und Böhmen, die größte Anzahl aus den drei erſt genannten
Ländern. Neu-Barnim iſt eine Pfälzer-Colonie, ebenſo Neu-Trebbin.
Neu-Lewin wurde mit Polen, auch wohl mit Böhmen, jedenfalls
mit ſlaviſchen Elementen beſetzt. Dieſe Unterſchiede zeigen ſich zum
Theil noch in Erſcheinung und Character der Bewohner. In den
Pfälzer-Dörfern begegnet man einem mehr blonden, in Neu-Lewin
einem mehr brünetten Menſchenſchlag. Auch von der Ausgelaſſenheit
und dem leichten, lebhaften Sinn der Pfälzer hört man erzählen. *)
Jede Familie erhielt 90, 60, 45, 20 und ein größerer Theil
10 Morgen Ackers von dem entwäſſerten Boden, bei welcher Ver-
theilung man, wie billig, auf die Stärke der Familie und die
Größe des Vermögens Rückſicht nahm. Jegliche Religionsausübung
war frei. Der König ließ ſechs neue Kirchen bauen, ſetzte vier
Prediger, zwei reformirte und zwei lutheriſche ein und gab jedem
Dorf eine Schule. Der Unterricht war frei; Pfarre und Schule
erhielten Ländereien. Noch andre Vortheile wurden den Anſiedlern
gewährt. Allen denen, die ſich niederließen, ward eine vollſtändige
Freiheit von allen Laſten auf 15 Jahre gewährt, wie ſie denn
*) Wie die Bewohner, ſo ſind auch die Dörfer ſelbſt, in ihrer Erſchei-
nung verſchieden, doch iſt es fraglich, ob ſich dieſe Verſchiedenartigkeit auf
etwas Nationales zurückführen läßt. Vielleicht ſind die Gründe nur
lokaler Natur. Das Vorhandenſein oder das Fehlen eines Waſſers,
anderer Zufälligkeiten zu geſchweigen, mag ſolche Unterſchiede geſchaffen
haben. Neu-Barnim (Pfälzer-Dorf) iſt langgeſtreckt, und eine Baum-An-
lage, die ſich mitten durch die breite Dorfſtraße zieht, theilt dieſe in drei
Längs-Theile, in zwei Fahrwege, rechts und links, und einen Baumgang
zwiſchen denſelben. Neu-Trebbin iſt ähnlich, wenn wir nicht irren. Neu-
Lewin (das mit Polen beſetzte Dorf) präſentirt ſich maleriſcher. Die Dorf-
ſtraße entlang läuft ein Fließ, das auf ſeiner ganzen Länge von ſchräg
oder auch terraſſenförmig anſteigenden Gärten eingefaßt iſt. Zwiſchen den
Häuſern und dieſen Gärten zieht ſich rechts und links der Fahrweg. Die
Häuſer ſelbſt haben vielfach Lauben und Veranden und der Fußwanderer,
der hier an einem Sommerabend des Weges kommt und vor den Häu-
ſern das Singen hört, während die dunklen, ſchöngewachſenen Mädchen
mit den klappernden Eimern zum Brunnen gehen, der vergißt auf Augen-
blicke wohl, daß er das verſpottete Sumpf- und Sand-Land der Mark
Brandenburg durchreiſt.
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