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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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cher und Böhmen, die größte Anzahl aus den drei erst genannten
Ländern. Neu-Barnim ist eine Pfälzer-Colonie, ebenso Neu-Trebbin.
Neu-Lewin wurde mit Polen, auch wohl mit Böhmen, jedenfalls
mit slavischen Elementen besetzt. Diese Unterschiede zeigen sich zum
Theil noch in Erscheinung und Character der Bewohner. In den
Pfälzer-Dörfern begegnet man einem mehr blonden, in Neu-Lewin
einem mehr brünetten Menschenschlag. Auch von der Ausgelassenheit
und dem leichten, lebhaften Sinn der Pfälzer hört man erzählen.*)
Jede Familie erhielt 90, 60, 45, 20 und ein größerer Theil
10 Morgen Ackers von dem entwässerten Boden, bei welcher Ver-
theilung man, wie billig, auf die Stärke der Familie und die
Größe des Vermögens Rücksicht nahm. Jegliche Religionsausübung
war frei. Der König ließ sechs neue Kirchen bauen, setzte vier
Prediger, zwei reformirte und zwei lutherische ein und gab jedem
Dorf eine Schule. Der Unterricht war frei; Pfarre und Schule
erhielten Ländereien. Noch andre Vortheile wurden den Ansiedlern
gewährt. Allen denen, die sich niederließen, ward eine vollständige
Freiheit von allen Lasten auf 15 Jahre gewährt, wie sie denn

*) Wie die Bewohner, so sind auch die Dörfer selbst, in ihrer Erschei-
nung verschieden, doch ist es fraglich, ob sich diese Verschiedenartigkeit auf
etwas Nationales zurückführen läßt. Vielleicht sind die Gründe nur
lokaler Natur. Das Vorhandensein oder das Fehlen eines Wassers,
anderer Zufälligkeiten zu geschweigen, mag solche Unterschiede geschaffen
haben. Neu-Barnim (Pfälzer-Dorf) ist langgestreckt, und eine Baum-An-
lage, die sich mitten durch die breite Dorfstraße zieht, theilt diese in drei
Längs-Theile, in zwei Fahrwege, rechts und links, und einen Baumgang
zwischen denselben. Neu-Trebbin ist ähnlich, wenn wir nicht irren. Neu-
Lewin (das mit Polen besetzte Dorf) präsentirt sich malerischer. Die Dorf-
straße entlang läuft ein Fließ, das auf seiner ganzen Länge von schräg
oder auch terrassenförmig ansteigenden Gärten eingefaßt ist. Zwischen den
Häusern und diesen Gärten zieht sich rechts und links der Fahrweg. Die
Häuser selbst haben vielfach Lauben und Veranden und der Fußwanderer,
der hier an einem Sommerabend des Weges kommt und vor den Häu-
sern das Singen hört, während die dunklen, schöngewachsenen Mädchen
mit den klappernden Eimern zum Brunnen gehen, der vergißt auf Augen-
blicke wohl, daß er das verspottete Sumpf- und Sand-Land der Mark
Brandenburg durchreist.

cher und Böhmen, die größte Anzahl aus den drei erſt genannten
Ländern. Neu-Barnim iſt eine Pfälzer-Colonie, ebenſo Neu-Trebbin.
Neu-Lewin wurde mit Polen, auch wohl mit Böhmen, jedenfalls
mit ſlaviſchen Elementen beſetzt. Dieſe Unterſchiede zeigen ſich zum
Theil noch in Erſcheinung und Character der Bewohner. In den
Pfälzer-Dörfern begegnet man einem mehr blonden, in Neu-Lewin
einem mehr brünetten Menſchenſchlag. Auch von der Ausgelaſſenheit
und dem leichten, lebhaften Sinn der Pfälzer hört man erzählen.*)
Jede Familie erhielt 90, 60, 45, 20 und ein größerer Theil
10 Morgen Ackers von dem entwäſſerten Boden, bei welcher Ver-
theilung man, wie billig, auf die Stärke der Familie und die
Größe des Vermögens Rückſicht nahm. Jegliche Religionsausübung
war frei. Der König ließ ſechs neue Kirchen bauen, ſetzte vier
Prediger, zwei reformirte und zwei lutheriſche ein und gab jedem
Dorf eine Schule. Der Unterricht war frei; Pfarre und Schule
erhielten Ländereien. Noch andre Vortheile wurden den Anſiedlern
gewährt. Allen denen, die ſich niederließen, ward eine vollſtändige
Freiheit von allen Laſten auf 15 Jahre gewährt, wie ſie denn

*) Wie die Bewohner, ſo ſind auch die Dörfer ſelbſt, in ihrer Erſchei-
nung verſchieden, doch iſt es fraglich, ob ſich dieſe Verſchiedenartigkeit auf
etwas Nationales zurückführen läßt. Vielleicht ſind die Gründe nur
lokaler Natur. Das Vorhandenſein oder das Fehlen eines Waſſers,
anderer Zufälligkeiten zu geſchweigen, mag ſolche Unterſchiede geſchaffen
haben. Neu-Barnim (Pfälzer-Dorf) iſt langgeſtreckt, und eine Baum-An-
lage, die ſich mitten durch die breite Dorfſtraße zieht, theilt dieſe in drei
Längs-Theile, in zwei Fahrwege, rechts und links, und einen Baumgang
zwiſchen denſelben. Neu-Trebbin iſt ähnlich, wenn wir nicht irren. Neu-
Lewin (das mit Polen beſetzte Dorf) präſentirt ſich maleriſcher. Die Dorf-
ſtraße entlang läuft ein Fließ, das auf ſeiner ganzen Länge von ſchräg
oder auch terraſſenförmig anſteigenden Gärten eingefaßt iſt. Zwiſchen den
Häuſern und dieſen Gärten zieht ſich rechts und links der Fahrweg. Die
Häuſer ſelbſt haben vielfach Lauben und Veranden und der Fußwanderer,
der hier an einem Sommerabend des Weges kommt und vor den Häu-
ſern das Singen hört, während die dunklen, ſchöngewachſenen Mädchen
mit den klappernden Eimern zum Brunnen gehen, der vergißt auf Augen-
blicke wohl, daß er das verſpottete Sumpf- und Sand-Land der Mark
Brandenburg durchreiſt.
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[218/0230] cher und Böhmen, die größte Anzahl aus den drei erſt genannten Ländern. Neu-Barnim iſt eine Pfälzer-Colonie, ebenſo Neu-Trebbin. Neu-Lewin wurde mit Polen, auch wohl mit Böhmen, jedenfalls mit ſlaviſchen Elementen beſetzt. Dieſe Unterſchiede zeigen ſich zum Theil noch in Erſcheinung und Character der Bewohner. In den Pfälzer-Dörfern begegnet man einem mehr blonden, in Neu-Lewin einem mehr brünetten Menſchenſchlag. Auch von der Ausgelaſſenheit und dem leichten, lebhaften Sinn der Pfälzer hört man erzählen. *) Jede Familie erhielt 90, 60, 45, 20 und ein größerer Theil 10 Morgen Ackers von dem entwäſſerten Boden, bei welcher Ver- theilung man, wie billig, auf die Stärke der Familie und die Größe des Vermögens Rückſicht nahm. Jegliche Religionsausübung war frei. Der König ließ ſechs neue Kirchen bauen, ſetzte vier Prediger, zwei reformirte und zwei lutheriſche ein und gab jedem Dorf eine Schule. Der Unterricht war frei; Pfarre und Schule erhielten Ländereien. Noch andre Vortheile wurden den Anſiedlern gewährt. Allen denen, die ſich niederließen, ward eine vollſtändige Freiheit von allen Laſten auf 15 Jahre gewährt, wie ſie denn *) Wie die Bewohner, ſo ſind auch die Dörfer ſelbſt, in ihrer Erſchei- nung verſchieden, doch iſt es fraglich, ob ſich dieſe Verſchiedenartigkeit auf etwas Nationales zurückführen läßt. Vielleicht ſind die Gründe nur lokaler Natur. Das Vorhandenſein oder das Fehlen eines Waſſers, anderer Zufälligkeiten zu geſchweigen, mag ſolche Unterſchiede geſchaffen haben. Neu-Barnim (Pfälzer-Dorf) iſt langgeſtreckt, und eine Baum-An- lage, die ſich mitten durch die breite Dorfſtraße zieht, theilt dieſe in drei Längs-Theile, in zwei Fahrwege, rechts und links, und einen Baumgang zwiſchen denſelben. Neu-Trebbin iſt ähnlich, wenn wir nicht irren. Neu- Lewin (das mit Polen beſetzte Dorf) präſentirt ſich maleriſcher. Die Dorf- ſtraße entlang läuft ein Fließ, das auf ſeiner ganzen Länge von ſchräg oder auch terraſſenförmig anſteigenden Gärten eingefaßt iſt. Zwiſchen den Häuſern und dieſen Gärten zieht ſich rechts und links der Fahrweg. Die Häuſer ſelbſt haben vielfach Lauben und Veranden und der Fußwanderer, der hier an einem Sommerabend des Weges kommt und vor den Häu- ſern das Singen hört, während die dunklen, ſchöngewachſenen Mädchen mit den klappernden Eimern zum Brunnen gehen, der vergißt auf Augen- blicke wohl, daß er das verſpottete Sumpf- und Sand-Land der Mark Brandenburg durchreiſt.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/230>, abgerufen am 26.11.2024.