Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

zu Felde, schlugen die gräflichen Mannen in die Flucht, nahmen
Posseß vom streitigen Terrain und pflanzten ihr Banner auf dem
eroberten Grund und Boden auf. Kurzum eine mittelalterliche
Fehde
in bester Form. Streitobjekt war ein Forst, den der Graf
als seine, die Stadt als ihre beanspruchte. Die Gerichte hatten
zu Gunsten des Grafen entschieden, aber die Stadt schüttelte den
Kopf und so geschah wie eben gemeldet. Ein Bänkelsänger, der
just des Weges kam, hörte von dem kaum geschlichteten Streit
und das Balladenhafte des Vorganges rasch erkennend, brachte er
alles in "neue Reime aus diesem Jahr." Ich habe das Blatt
zufällig in die Hand bekommen und gebe etliche Strophen daraus.

Die Bürger von Buckow saßen bei'm Bier,
Das gab ein lärmen und streiten,
Sie sprachen vom Grafen und ihrem Prozeß,
Von Instanzen, ersten und zweiten.
Sie wußten es alle klipp und klar,
Daß der Graf die Richter bethörte
Und daß der Forst (trotz aller Instanz)
Von je zur Stadt gehörte.
Drum (hieß es) hätten sie appellirt
Und sie wußten aus guten Gründen,
Daß über ein Kleines, in Woch oder Tag,
Die Sachen ganz anders stünden.
So klang es. Nur einer saß am Tisch,
Der spielte mit Gabel und Teller,
Der rief jetzt: "Heh! zwei Seidel frisch,
Zwei bairisch aus dem Keller."
Er leerte das aufgehobene Glas
Mit einem einzigen Zuge
(Seine blinzelnden Augen tranken zugleich
Aus dem stehen-gebliebenen Kruge);
Er strich den Schaum sich aus dem Bart
Und wetterte über die Tische:
"He, Bürger von Buckow, was immer ihr prahlt,
's sind alles faule Fische.

zu Felde, ſchlugen die gräflichen Mannen in die Flucht, nahmen
Poſſeß vom ſtreitigen Terrain und pflanzten ihr Banner auf dem
eroberten Grund und Boden auf. Kurzum eine mittelalterliche
Fehde
in beſter Form. Streitobjekt war ein Forſt, den der Graf
als ſeine, die Stadt als ihre beanſpruchte. Die Gerichte hatten
zu Gunſten des Grafen entſchieden, aber die Stadt ſchüttelte den
Kopf und ſo geſchah wie eben gemeldet. Ein Bänkelſänger, der
juſt des Weges kam, hörte von dem kaum geſchlichteten Streit
und das Balladenhafte des Vorganges raſch erkennend, brachte er
alles in „neue Reime aus dieſem Jahr.“ Ich habe das Blatt
zufällig in die Hand bekommen und gebe etliche Strophen daraus.

Die Bürger von Buckow ſaßen bei’m Bier,
Das gab ein lärmen und ſtreiten,
Sie ſprachen vom Grafen und ihrem Prozeß,
Von Inſtanzen, erſten und zweiten.
Sie wußten es alle klipp und klar,
Daß der Graf die Richter bethörte
Und daß der Forſt (trotz aller Inſtanz)
Von je zur Stadt gehörte.
Drum (hieß es) hätten ſie appellirt
Und ſie wußten aus guten Gründen,
Daß über ein Kleines, in Woch oder Tag,
Die Sachen ganz anders ſtünden.
So klang es. Nur einer ſaß am Tiſch,
Der ſpielte mit Gabel und Teller,
Der rief jetzt: „Heh! zwei Seidel friſch,
Zwei bairiſch aus dem Keller.“
Er leerte das aufgehobene Glas
Mit einem einzigen Zuge
(Seine blinzelnden Augen tranken zugleich
Aus dem ſtehen-gebliebenen Kruge);
Er ſtrich den Schaum ſich aus dem Bart
Und wetterte über die Tiſche:
„He, Bürger von Buckow, was immer ihr prahlt,
’s ſind alles faule Fiſche.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0188" n="176"/>
zu Felde, &#x017F;chlugen die gräflichen Mannen in die Flucht, nahmen<lb/>
Po&#x017F;&#x017F;eß vom &#x017F;treitigen Terrain und pflanzten ihr Banner auf dem<lb/>
eroberten Grund und Boden auf. Kurzum eine <hi rendition="#g">mittelalterliche<lb/>
Fehde</hi> in be&#x017F;ter Form. Streitobjekt war ein For&#x017F;t, den der Graf<lb/>
als <hi rendition="#g">&#x017F;eine</hi>, die Stadt als <hi rendition="#g">ihre</hi> bean&#x017F;pruchte. Die Gerichte hatten<lb/>
zu Gun&#x017F;ten des Grafen ent&#x017F;chieden, aber die Stadt &#x017F;chüttelte den<lb/>
Kopf und &#x017F;o ge&#x017F;chah wie eben gemeldet. Ein Bänkel&#x017F;änger, der<lb/>
ju&#x017F;t des Weges kam, hörte von dem kaum ge&#x017F;chlichteten Streit<lb/>
und das Balladenhafte des Vorganges ra&#x017F;ch erkennend, brachte er<lb/>
alles in &#x201E;neue Reime aus die&#x017F;em Jahr.&#x201C; Ich habe das Blatt<lb/>
zufällig in die Hand bekommen und gebe etliche Strophen daraus.</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Die Bürger von Buckow &#x017F;aßen bei&#x2019;m Bier,</l><lb/>
            <l>Das gab ein lärmen und &#x017F;treiten,</l><lb/>
            <l>Sie &#x017F;prachen vom Grafen und ihrem Prozeß,</l><lb/>
            <l>Von In&#x017F;tanzen, er&#x017F;ten und zweiten.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Sie wußten es alle klipp und klar,</l><lb/>
            <l>Daß der Graf die Richter bethörte</l><lb/>
            <l>Und daß der For&#x017F;t (trotz aller In&#x017F;tanz)</l><lb/>
            <l>Von je zur Stadt gehörte.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Drum (hieß es) hätten &#x017F;ie appellirt</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ie wußten aus guten Gründen,</l><lb/>
            <l>Daß über ein Kleines, in Woch oder Tag,</l><lb/>
            <l>Die Sachen ganz anders &#x017F;tünden.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>So klang es. Nur einer &#x017F;aß am Ti&#x017F;ch,</l><lb/>
            <l>Der &#x017F;pielte mit Gabel und Teller,</l><lb/>
            <l>Der rief jetzt: &#x201E;Heh! zwei Seidel fri&#x017F;ch,</l><lb/>
            <l>Zwei bairi&#x017F;ch aus dem Keller.&#x201C;</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Er leerte das aufgehobene Glas</l><lb/>
            <l>Mit einem einzigen Zuge</l><lb/>
            <l>(Seine blinzelnden Augen tranken zugleich</l><lb/>
            <l>Aus dem &#x017F;tehen-gebliebenen Kruge);</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="6">
            <l>Er &#x017F;trich den Schaum &#x017F;ich aus dem Bart</l><lb/>
            <l>Und wetterte über die Ti&#x017F;che:</l><lb/>
            <l>&#x201E;He, Bürger von Buckow, was immer ihr prahlt,</l><lb/>
            <l>&#x2019;s &#x017F;ind alles faule Fi&#x017F;che.</l>
          </lg><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0188] zu Felde, ſchlugen die gräflichen Mannen in die Flucht, nahmen Poſſeß vom ſtreitigen Terrain und pflanzten ihr Banner auf dem eroberten Grund und Boden auf. Kurzum eine mittelalterliche Fehde in beſter Form. Streitobjekt war ein Forſt, den der Graf als ſeine, die Stadt als ihre beanſpruchte. Die Gerichte hatten zu Gunſten des Grafen entſchieden, aber die Stadt ſchüttelte den Kopf und ſo geſchah wie eben gemeldet. Ein Bänkelſänger, der juſt des Weges kam, hörte von dem kaum geſchlichteten Streit und das Balladenhafte des Vorganges raſch erkennend, brachte er alles in „neue Reime aus dieſem Jahr.“ Ich habe das Blatt zufällig in die Hand bekommen und gebe etliche Strophen daraus. Die Bürger von Buckow ſaßen bei’m Bier, Das gab ein lärmen und ſtreiten, Sie ſprachen vom Grafen und ihrem Prozeß, Von Inſtanzen, erſten und zweiten. Sie wußten es alle klipp und klar, Daß der Graf die Richter bethörte Und daß der Forſt (trotz aller Inſtanz) Von je zur Stadt gehörte. Drum (hieß es) hätten ſie appellirt Und ſie wußten aus guten Gründen, Daß über ein Kleines, in Woch oder Tag, Die Sachen ganz anders ſtünden. So klang es. Nur einer ſaß am Tiſch, Der ſpielte mit Gabel und Teller, Der rief jetzt: „Heh! zwei Seidel friſch, Zwei bairiſch aus dem Keller.“ Er leerte das aufgehobene Glas Mit einem einzigen Zuge (Seine blinzelnden Augen tranken zugleich Aus dem ſtehen-gebliebenen Kruge); Er ſtrich den Schaum ſich aus dem Bart Und wetterte über die Tiſche: „He, Bürger von Buckow, was immer ihr prahlt, ’s ſind alles faule Fiſche.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/188
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/188>, abgerufen am 05.05.2024.