Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

auch einzelne historische Daten angegeben waren. Diese Täfelchen
(so erzählt der alte Küster) kamen in die Pfarre, wo sie bei Um-
zug und Neubauten längst verloren gegangen sind. Der gegen-
wärtige Geistliche, der einen Sinn für die historischen Ueberliefe-
rungen seiner Stadt und Kirche hat, hat mit Mühe eine kleine
Glasmalerei gerettet, die einen Hergang aus katholischer Zeit (ein
Mönch steht predigend auf der Kanzel) darstellt. Sonst ist der
Kirche aus der "Schenken-Zeit" nichts geblieben, als ein einziger
Backstein am Hintergiebel, der die eingebrannte Inschrift trägt:
nobil. v. Otto Schenk v. Landsb. (nobilis vir Otto Schenk
von Landsberg.)
Wahrscheinlich war er es, unter dem eine frü-
here Restaurirung der Kirche (1566) stattfand.

Wir haben den See befahren, das Schloß und die Kirche
besucht, es bleibt uns noch eins in Teupitz übrig -- der Jeesen-
berg
, ein Hügel am Südrande der Stadt gelegen, von dessen
Höhe aus man das Schenkenländchen panoramatisch überblickt.
Wir erreichen die Höhe und haben nach allen Seiten hin, in weit-
gespanntem Bogen, eine Kessellandschaft vor und unter uns. Wo-
hin wir blicken, vom Horizont zu uns her, dieselbe Reihenfolge
von Hügel, See und Haide, und in der Mitte des Bildes wir
selbst und der Berg, auf dem wir stehen.

Das Panorama ist schön, schöner aber wird das Bild, wenn
wir auf den Rundblick verzichten und uns damit begnügen, in die
östlich gelegene Hälfte der Landschaft hineinzublicken. Es ist dies
die Hälfte, wo Teupitz und sein See gelegen sind. Der Wind
weht scharf vom Wasser her, aber eine Hecke von wildem Pflaum-
baum giebt uns Schutz, während Einschnitte, wie Schießscharten,
uns einen Blick in die Näh und Ferne gestatten. Ein Kornfeld
läuft vor uns am Abhang nieder, am Fuß des Hügels zieht sich
ein Feldweg hin, dahinter dehnen sich Gärten und Wiesen, hinter
den Wiesen steigt die Stadt auf und hinter der Stadt der See
mit seinen Inseln und seinen Hügeln am andern Ufer. Aber auch
Leben hat das Bild. Wie losgelöste Ackerschollen treiben die In-
seln den See entlang (oder scheinen doch zu treiben), ein satter

auch einzelne hiſtoriſche Daten angegeben waren. Dieſe Täfelchen
(ſo erzählt der alte Küſter) kamen in die Pfarre, wo ſie bei Um-
zug und Neubauten längſt verloren gegangen ſind. Der gegen-
wärtige Geiſtliche, der einen Sinn für die hiſtoriſchen Ueberliefe-
rungen ſeiner Stadt und Kirche hat, hat mit Mühe eine kleine
Glasmalerei gerettet, die einen Hergang aus katholiſcher Zeit (ein
Mönch ſteht predigend auf der Kanzel) darſtellt. Sonſt iſt der
Kirche aus der „Schenken-Zeit“ nichts geblieben, als ein einziger
Backſtein am Hintergiebel, der die eingebrannte Inſchrift trägt:
nobil. v. Otto Schenk v. Landsb. (nobilis vir Otto Schenk
von Landsberg.)
Wahrſcheinlich war er es, unter dem eine frü-
here Reſtaurirung der Kirche (1566) ſtattfand.

Wir haben den See befahren, das Schloß und die Kirche
beſucht, es bleibt uns noch eins in Teupitz übrig — der Jeeſen-
berg
, ein Hügel am Südrande der Stadt gelegen, von deſſen
Höhe aus man das Schenkenländchen panoramatiſch überblickt.
Wir erreichen die Höhe und haben nach allen Seiten hin, in weit-
geſpanntem Bogen, eine Keſſellandſchaft vor und unter uns. Wo-
hin wir blicken, vom Horizont zu uns her, dieſelbe Reihenfolge
von Hügel, See und Haide, und in der Mitte des Bildes wir
ſelbſt und der Berg, auf dem wir ſtehen.

Das Panorama iſt ſchön, ſchöner aber wird das Bild, wenn
wir auf den Rundblick verzichten und uns damit begnügen, in die
öſtlich gelegene Hälfte der Landſchaft hineinzublicken. Es iſt dies
die Hälfte, wo Teupitz und ſein See gelegen ſind. Der Wind
weht ſcharf vom Waſſer her, aber eine Hecke von wildem Pflaum-
baum giebt uns Schutz, während Einſchnitte, wie Schießſcharten,
uns einen Blick in die Näh und Ferne geſtatten. Ein Kornfeld
läuft vor uns am Abhang nieder, am Fuß des Hügels zieht ſich
ein Feldweg hin, dahinter dehnen ſich Gärten und Wieſen, hinter
den Wieſen ſteigt die Stadt auf und hinter der Stadt der See
mit ſeinen Inſeln und ſeinen Hügeln am andern Ufer. Aber auch
Leben hat das Bild. Wie losgelöſte Ackerſchollen treiben die In-
ſeln den See entlang (oder ſcheinen doch zu treiben), ein ſatter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0152" n="140"/>
auch einzelne hi&#x017F;tori&#x017F;che Daten angegeben waren. Die&#x017F;e Täfelchen<lb/>
(&#x017F;o erzählt der alte Kü&#x017F;ter) kamen in die Pfarre, wo &#x017F;ie bei Um-<lb/>
zug und Neubauten läng&#x017F;t verloren gegangen &#x017F;ind. Der gegen-<lb/>
wärtige Gei&#x017F;tliche, der einen Sinn für die hi&#x017F;tori&#x017F;chen Ueberliefe-<lb/>
rungen &#x017F;einer Stadt und Kirche hat, hat mit Mühe eine kleine<lb/>
Glasmalerei gerettet, die einen Hergang aus katholi&#x017F;cher Zeit (ein<lb/><hi rendition="#g">Mönch</hi> &#x017F;teht predigend auf der Kanzel) dar&#x017F;tellt. Son&#x017F;t i&#x017F;t der<lb/>
Kirche aus der &#x201E;Schenken-Zeit&#x201C; nichts geblieben, als ein einziger<lb/>
Back&#x017F;tein am Hintergiebel, der die eingebrannte In&#x017F;chrift trägt:<lb/><hi rendition="#aq">nobil. v. Otto Schenk v. Landsb. (nobilis vir Otto Schenk<lb/>
von Landsberg.)</hi> Wahr&#x017F;cheinlich war er es, unter dem eine frü-<lb/>
here Re&#x017F;taurirung der Kirche (1566) &#x017F;tattfand.</p><lb/>
        <p>Wir haben den See befahren, das Schloß und die Kirche<lb/>
be&#x017F;ucht, es bleibt uns noch eins in Teupitz übrig &#x2014; der <hi rendition="#g">Jee&#x017F;en-<lb/>
berg</hi>, ein Hügel am Südrande der Stadt gelegen, von de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Höhe aus man das Schenkenländchen panoramati&#x017F;ch überblickt.<lb/>
Wir erreichen die Höhe und haben nach allen Seiten hin, in weit-<lb/>
ge&#x017F;panntem Bogen, eine Ke&#x017F;&#x017F;elland&#x017F;chaft vor und unter uns. Wo-<lb/>
hin wir blicken, vom Horizont zu uns her, die&#x017F;elbe Reihenfolge<lb/>
von Hügel, See und Haide, und in der Mitte des Bildes wir<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t und der Berg, auf dem wir &#x017F;tehen.</p><lb/>
        <p>Das Panorama i&#x017F;t &#x017F;chön, &#x017F;chöner aber wird das Bild, wenn<lb/>
wir auf den Rundblick verzichten und uns damit begnügen, in die<lb/>
ö&#x017F;tlich gelegene Hälfte der Land&#x017F;chaft hineinzublicken. Es i&#x017F;t dies<lb/>
die Hälfte, wo Teupitz und &#x017F;ein See gelegen &#x017F;ind. Der Wind<lb/>
weht &#x017F;charf vom Wa&#x017F;&#x017F;er her, aber eine Hecke von wildem Pflaum-<lb/>
baum giebt uns Schutz, während Ein&#x017F;chnitte, wie Schieß&#x017F;charten,<lb/>
uns einen Blick in die Näh und Ferne ge&#x017F;tatten. Ein Kornfeld<lb/>
läuft vor uns am Abhang nieder, am Fuß des Hügels zieht &#x017F;ich<lb/>
ein Feldweg hin, dahinter dehnen &#x017F;ich Gärten und Wie&#x017F;en, hinter<lb/>
den Wie&#x017F;en &#x017F;teigt die Stadt auf und hinter der Stadt der See<lb/>
mit &#x017F;einen In&#x017F;eln und &#x017F;einen Hügeln am andern Ufer. Aber auch<lb/>
Leben hat das Bild. Wie losgelö&#x017F;te Acker&#x017F;chollen treiben die In-<lb/>
&#x017F;eln den See entlang (oder &#x017F;cheinen doch zu treiben), ein &#x017F;atter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0152] auch einzelne hiſtoriſche Daten angegeben waren. Dieſe Täfelchen (ſo erzählt der alte Küſter) kamen in die Pfarre, wo ſie bei Um- zug und Neubauten längſt verloren gegangen ſind. Der gegen- wärtige Geiſtliche, der einen Sinn für die hiſtoriſchen Ueberliefe- rungen ſeiner Stadt und Kirche hat, hat mit Mühe eine kleine Glasmalerei gerettet, die einen Hergang aus katholiſcher Zeit (ein Mönch ſteht predigend auf der Kanzel) darſtellt. Sonſt iſt der Kirche aus der „Schenken-Zeit“ nichts geblieben, als ein einziger Backſtein am Hintergiebel, der die eingebrannte Inſchrift trägt: nobil. v. Otto Schenk v. Landsb. (nobilis vir Otto Schenk von Landsberg.) Wahrſcheinlich war er es, unter dem eine frü- here Reſtaurirung der Kirche (1566) ſtattfand. Wir haben den See befahren, das Schloß und die Kirche beſucht, es bleibt uns noch eins in Teupitz übrig — der Jeeſen- berg, ein Hügel am Südrande der Stadt gelegen, von deſſen Höhe aus man das Schenkenländchen panoramatiſch überblickt. Wir erreichen die Höhe und haben nach allen Seiten hin, in weit- geſpanntem Bogen, eine Keſſellandſchaft vor und unter uns. Wo- hin wir blicken, vom Horizont zu uns her, dieſelbe Reihenfolge von Hügel, See und Haide, und in der Mitte des Bildes wir ſelbſt und der Berg, auf dem wir ſtehen. Das Panorama iſt ſchön, ſchöner aber wird das Bild, wenn wir auf den Rundblick verzichten und uns damit begnügen, in die öſtlich gelegene Hälfte der Landſchaft hineinzublicken. Es iſt dies die Hälfte, wo Teupitz und ſein See gelegen ſind. Der Wind weht ſcharf vom Waſſer her, aber eine Hecke von wildem Pflaum- baum giebt uns Schutz, während Einſchnitte, wie Schießſcharten, uns einen Blick in die Näh und Ferne geſtatten. Ein Kornfeld läuft vor uns am Abhang nieder, am Fuß des Hügels zieht ſich ein Feldweg hin, dahinter dehnen ſich Gärten und Wieſen, hinter den Wieſen ſteigt die Stadt auf und hinter der Stadt der See mit ſeinen Inſeln und ſeinen Hügeln am andern Ufer. Aber auch Leben hat das Bild. Wie losgelöſte Ackerſchollen treiben die In- ſeln den See entlang (oder ſcheinen doch zu treiben), ein ſatter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/152
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/152>, abgerufen am 05.05.2024.