geworden ist. In das Erdreich, das der Regen im Lauf der Jahr- hunderte hier niedergeschlagen hat, haben theils die hohen Bäume die rundum stehen, ihre Keime niederfallen lassen, theils haben die Wirbelwinde aus dem zu Füßen gelegenen Garten die Samen- körner bis zur Höhe des Thurmes emporgetragen. Ein Ebreschen- baum stand in der Mitte, und zwischen den Rosensträuchern neig- ten sich gelbe Büschel jenes Unkrauts über das Mauerwerk, das den legendenhaft klingenden Namen führt: "Unserer lieben Frauen Bettstroh." Das alte Schloß, so erzählen einige, habe früher auf einer völligen Insel gestanden, und erst die Anschwemmungen hät- ten im Lauf der Zeit die Insel zu einer Halbinsel gemacht. Es ist möglich, aber nicht wahrscheinlich. Man sieht nirgends eine Terrain-Eigenthümlichkeit (wie etwa Schmalheit der Landzunge, abweichende Bodenbeschaffenheit, oder niedriger gelegenes Erdreich), und alles läßt annehmen, daß es stets eine Halbinsel war, die freilich früher, durch einen Graben, der die Landenge durchstach, zu einer Insel gemacht wurde.
Nichts ist an dieser Stelle, außer Thurm und Fundament mehr vorhanden, was an die alten Schenken von Teupitz erin- nerte; noch weniger fast bietet die alte Kirche, die zwischen dem Schloß und der Stadt am Nordrande der letzteren gelegen ist.
Vor zwanzig oder dreißig Jahren hätte die Forschung noch manches hier gefunden; jetzt aber nach Restaurirung der Kirche ist alles hin, oder doch so gut wie Alles. Die Grundform der Kirche hat zwar wenig unter diesen Neuerungen gelitten, und die eigen- thümliche Art, wie der Thurm aus Dach und Giebelwand auf- wächst, wird auch jetzt noch den Fachmann interessiren; aber die Details im Innern der Kirche sind hin, alle jene Ornamente, Bilder und Gedächtnißtafeln, die in ihrer Gesammtheit vielleicht der ziemlich grau in grau gemalten Geschichte der Schenken von Teupitz etwas Licht und Farbe hätten verleihen können. Bei Oeff- nung der jetzt zugeschütteten Gruft (unter der Sakristei der Kirche) fand man eine bedeutende Anzahl Särge, viele mit Messingtäfel- chen, auf denen neben den üblichen Namen- und Zahlen-Angaben
geworden iſt. In das Erdreich, das der Regen im Lauf der Jahr- hunderte hier niedergeſchlagen hat, haben theils die hohen Bäume die rundum ſtehen, ihre Keime niederfallen laſſen, theils haben die Wirbelwinde aus dem zu Füßen gelegenen Garten die Samen- körner bis zur Höhe des Thurmes emporgetragen. Ein Ebreſchen- baum ſtand in der Mitte, und zwiſchen den Roſenſträuchern neig- ten ſich gelbe Büſchel jenes Unkrauts über das Mauerwerk, das den legendenhaft klingenden Namen führt: „Unſerer lieben Frauen Bettſtroh.“ Das alte Schloß, ſo erzählen einige, habe früher auf einer völligen Inſel geſtanden, und erſt die Anſchwemmungen hät- ten im Lauf der Zeit die Inſel zu einer Halbinſel gemacht. Es iſt möglich, aber nicht wahrſcheinlich. Man ſieht nirgends eine Terrain-Eigenthümlichkeit (wie etwa Schmalheit der Landzunge, abweichende Bodenbeſchaffenheit, oder niedriger gelegenes Erdreich), und alles läßt annehmen, daß es ſtets eine Halbinſel war, die freilich früher, durch einen Graben, der die Landenge durchſtach, zu einer Inſel gemacht wurde.
Nichts iſt an dieſer Stelle, außer Thurm und Fundament mehr vorhanden, was an die alten Schenken von Teupitz erin- nerte; noch weniger faſt bietet die alte Kirche, die zwiſchen dem Schloß und der Stadt am Nordrande der letzteren gelegen iſt.
Vor zwanzig oder dreißig Jahren hätte die Forſchung noch manches hier gefunden; jetzt aber nach Reſtaurirung der Kirche iſt alles hin, oder doch ſo gut wie Alles. Die Grundform der Kirche hat zwar wenig unter dieſen Neuerungen gelitten, und die eigen- thümliche Art, wie der Thurm aus Dach und Giebelwand auf- wächſt, wird auch jetzt noch den Fachmann intereſſiren; aber die Details im Innern der Kirche ſind hin, alle jene Ornamente, Bilder und Gedächtnißtafeln, die in ihrer Geſammtheit vielleicht der ziemlich grau in grau gemalten Geſchichte der Schenken von Teupitz etwas Licht und Farbe hätten verleihen können. Bei Oeff- nung der jetzt zugeſchütteten Gruft (unter der Sakriſtei der Kirche) fand man eine bedeutende Anzahl Särge, viele mit Meſſingtäfel- chen, auf denen neben den üblichen Namen- und Zahlen-Angaben
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geworden iſt. In das Erdreich, das der Regen im Lauf der Jahr-
hunderte hier niedergeſchlagen hat, haben theils die hohen Bäume
die rundum ſtehen, ihre Keime niederfallen laſſen, theils haben die
Wirbelwinde aus dem zu Füßen gelegenen Garten die Samen-
körner bis zur Höhe des Thurmes emporgetragen. Ein Ebreſchen-
baum ſtand in der Mitte, und zwiſchen den Roſenſträuchern neig-
ten ſich gelbe Büſchel jenes Unkrauts über das Mauerwerk, das
den legendenhaft klingenden Namen führt: „Unſerer lieben Frauen
Bettſtroh.“ Das alte Schloß, ſo erzählen einige, habe früher auf
einer völligen Inſel geſtanden, und erſt die Anſchwemmungen hät-
ten im Lauf der Zeit die Inſel zu einer Halbinſel gemacht. Es
iſt möglich, aber nicht wahrſcheinlich. Man ſieht nirgends eine
Terrain-Eigenthümlichkeit (wie etwa Schmalheit der Landzunge,
abweichende Bodenbeſchaffenheit, oder niedriger gelegenes Erdreich),
und alles läßt annehmen, daß es ſtets eine Halbinſel war, die
freilich früher, durch einen Graben, der die Landenge durchſtach,
zu einer Inſel gemacht wurde.
Nichts iſt an dieſer Stelle, außer Thurm und Fundament
mehr vorhanden, was an die alten Schenken von Teupitz erin-
nerte; noch weniger faſt bietet die alte Kirche, die zwiſchen dem
Schloß und der Stadt am Nordrande der letzteren gelegen iſt.
Vor zwanzig oder dreißig Jahren hätte die Forſchung noch
manches hier gefunden; jetzt aber nach Reſtaurirung der Kirche iſt
alles hin, oder doch ſo gut wie Alles. Die Grundform der Kirche
hat zwar wenig unter dieſen Neuerungen gelitten, und die eigen-
thümliche Art, wie der Thurm aus Dach und Giebelwand auf-
wächſt, wird auch jetzt noch den Fachmann intereſſiren; aber die
Details im Innern der Kirche ſind hin, alle jene Ornamente,
Bilder und Gedächtnißtafeln, die in ihrer Geſammtheit vielleicht
der ziemlich grau in grau gemalten Geſchichte der Schenken von
Teupitz etwas Licht und Farbe hätten verleihen können. Bei Oeff-
nung der jetzt zugeſchütteten Gruft (unter der Sakriſtei der Kirche)
fand man eine bedeutende Anzahl Särge, viele mit Meſſingtäfel-
chen, auf denen neben den üblichen Namen- und Zahlen-Angaben
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/151>, abgerufen am 23.11.2024.
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