Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

zwischen Giebel und Grundmauer lag, war hinter Bäumen ver-
steckt. Der "Styx" existirte nicht mehr; halb zugeschüttet war aus
dem Graben ein breiter Streifen Wiesenland geworden; die blü-
henden Kräuter würzten die Luft, und im Rücken des Schlosses
(die Notte fließt dicht daran vorüber) hört' ich, wie ein Wasser
still, breit, melodisch über ein Wehr fiel.

Ich kehrte um und setzte mich unter die Linden des Gast-
hauses. Das war keine "Hölle," die ich gesehen hatte, oder --
die Beleuchtung hatte Wunder gethan.

Der Wirth setzte sich zu mir, und angesichts des Schlosses,
dessen Thurmdach uns argwöhnisch zu belauschen schien, plauderten
wir vom Schloß Wusterhausen.

In alten wendischen Zeiten stand hier ein Dorf Namens
"Wustrow", d. h. "umflossener Ort." Die Bezeichnung findet sich
vielfach in der Mark bis diesen Tag, z. B. das Zieten'sche Wu-
strau. Als die Deutschen in's Land kamen, gründeten sie ein Nach-
bardorf, das noch existirende Deutsch-Wustrow, zum Unterschied
von Wendisch-Wustrow, schließlich aber wurden beide Worte
(durch ein angehängtes "hausen") germanisirt, und Deutsch- und
Wendisch-Wusterhausen waren fertig.

Wendisch-Wusterhausen -- nur mit diesem haben wir es zu
thun -- wurde eine markgräfliche Burg. Sie vertheidigte, wie
"Schloß Mittenwalde," von dem wir in einem der nächsten Kapitel
sprechen werden, den Notte-Uebergang, d. h. sie war Grenzburg
zwischen der Mark und der Lausitz.

Wendisch-Wusterhausen blieb markgräfliche Burg bis gegen
1370. Es ist sehr wahrscheinlich, daß der alte Thurm (der "Diebs-
winkel") bis in diese markgräfliche Zeit zurückdatirt. Etwa 1375
kamen die Schliebens in Besitz der Burg, eine Familie, die
damals in der Umgegend reich begütert war. Sie besaßen es ein
Jahrhundert lang, also namentlich auch während der Quitzow-
Zeit, ohne daß besondere Räuberthaten der Burg Wendisch-Wuster-
hausen, bekannt geworden wären. 1475 kauften es die Schenken
von Landsberg, die damaligen Besitzer der Herrschaft Teupitz,

zwiſchen Giebel und Grundmauer lag, war hinter Bäumen ver-
ſteckt. Der „Styx“ exiſtirte nicht mehr; halb zugeſchüttet war aus
dem Graben ein breiter Streifen Wieſenland geworden; die blü-
henden Kräuter würzten die Luft, und im Rücken des Schloſſes
(die Notte fließt dicht daran vorüber) hört’ ich, wie ein Waſſer
ſtill, breit, melodiſch über ein Wehr fiel.

Ich kehrte um und ſetzte mich unter die Linden des Gaſt-
hauſes. Das war keine „Hölle,“ die ich geſehen hatte, oder —
die Beleuchtung hatte Wunder gethan.

Der Wirth ſetzte ſich zu mir, und angeſichts des Schloſſes,
deſſen Thurmdach uns argwöhniſch zu belauſchen ſchien, plauderten
wir vom Schloß Wuſterhauſen.

In alten wendiſchen Zeiten ſtand hier ein Dorf Namens
„Wuſtrow“, d. h. „umfloſſener Ort.“ Die Bezeichnung findet ſich
vielfach in der Mark bis dieſen Tag, z. B. das Zieten’ſche Wu-
ſtrau. Als die Deutſchen in’s Land kamen, gründeten ſie ein Nach-
bardorf, das noch exiſtirende Deutſch-Wuſtrow, zum Unterſchied
von Wendiſch-Wuſtrow, ſchließlich aber wurden beide Worte
(durch ein angehängtes „hauſen“) germaniſirt, und Deutſch- und
Wendiſch-Wuſterhauſen waren fertig.

Wendiſch-Wuſterhauſen — nur mit dieſem haben wir es zu
thun — wurde eine markgräfliche Burg. Sie vertheidigte, wie
„Schloß Mittenwalde,“ von dem wir in einem der nächſten Kapitel
ſprechen werden, den Notte-Uebergang, d. h. ſie war Grenzburg
zwiſchen der Mark und der Lauſitz.

Wendiſch-Wuſterhauſen blieb markgräfliche Burg bis gegen
1370. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß der alte Thurm (der „Diebs-
winkel“) bis in dieſe markgräfliche Zeit zurückdatirt. Etwa 1375
kamen die Schliebens in Beſitz der Burg, eine Familie, die
damals in der Umgegend reich begütert war. Sie beſaßen es ein
Jahrhundert lang, alſo namentlich auch während der Quitzow-
Zeit, ohne daß beſondere Räuberthaten der Burg Wendiſch-Wuſter-
hauſen, bekannt geworden wären. 1475 kauften es die Schenken
von Landsberg, die damaligen Beſitzer der Herrſchaft Teupitz,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0134" n="122"/>
zwi&#x017F;chen Giebel und Grundmauer lag, war hinter Bäumen ver-<lb/>
&#x017F;teckt. Der &#x201E;Styx&#x201C; exi&#x017F;tirte nicht mehr; halb zuge&#x017F;chüttet war aus<lb/>
dem Graben ein breiter Streifen Wie&#x017F;enland geworden; die blü-<lb/>
henden Kräuter würzten die Luft, und im Rücken des Schlo&#x017F;&#x017F;es<lb/>
(die Notte fließt dicht daran vorüber) hört&#x2019; ich, wie ein Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;till, breit, melodi&#x017F;ch über ein Wehr fiel.</p><lb/>
        <p>Ich kehrte um und &#x017F;etzte mich unter die Linden des Ga&#x017F;t-<lb/>
hau&#x017F;es. Das war keine &#x201E;Hölle,&#x201C; die ich ge&#x017F;ehen hatte, oder &#x2014;<lb/>
die <hi rendition="#g">Beleuchtung</hi> hatte Wunder gethan.</p><lb/>
        <p>Der Wirth &#x017F;etzte &#x017F;ich zu mir, und ange&#x017F;ichts des Schlo&#x017F;&#x017F;es,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Thurmdach uns argwöhni&#x017F;ch zu belau&#x017F;chen &#x017F;chien, plauderten<lb/>
wir vom <hi rendition="#g">Schloß Wu&#x017F;terhau&#x017F;en</hi>.</p><lb/>
        <p>In alten wendi&#x017F;chen Zeiten &#x017F;tand hier ein Dorf Namens<lb/>
&#x201E;Wu&#x017F;trow&#x201C;, d. h. &#x201E;umflo&#x017F;&#x017F;ener Ort.&#x201C; Die Bezeichnung findet &#x017F;ich<lb/>
vielfach in der Mark bis die&#x017F;en Tag, z. B. das Zieten&#x2019;&#x017F;che Wu-<lb/>
&#x017F;trau. Als die Deut&#x017F;chen in&#x2019;s Land kamen, gründeten &#x017F;ie ein Nach-<lb/>
bardorf, das noch exi&#x017F;tirende <hi rendition="#g">Deut&#x017F;ch</hi>-Wu&#x017F;trow, zum Unter&#x017F;chied<lb/>
von <hi rendition="#g">Wendi&#x017F;ch</hi>-Wu&#x017F;trow, &#x017F;chließlich aber wurden beide Worte<lb/>
(durch ein angehängtes &#x201E;hau&#x017F;en&#x201C;) germani&#x017F;irt, und Deut&#x017F;ch- und<lb/>
Wendi&#x017F;ch-Wu&#x017F;terhau&#x017F;en waren fertig.</p><lb/>
        <p>Wendi&#x017F;ch-Wu&#x017F;terhau&#x017F;en &#x2014; nur mit die&#x017F;em haben wir es zu<lb/>
thun &#x2014; wurde eine markgräfliche Burg. Sie vertheidigte, wie<lb/>
&#x201E;Schloß Mittenwalde,&#x201C; von dem wir in einem der näch&#x017F;ten Kapitel<lb/>
&#x017F;prechen werden, den Notte-Uebergang, d. h. &#x017F;ie war Grenzburg<lb/>
zwi&#x017F;chen der Mark und der Lau&#x017F;itz.</p><lb/>
        <p>Wendi&#x017F;ch-Wu&#x017F;terhau&#x017F;en blieb markgräfliche Burg bis gegen<lb/>
1370. Es i&#x017F;t &#x017F;ehr wahr&#x017F;cheinlich, daß der alte Thurm (der &#x201E;Diebs-<lb/>
winkel&#x201C;) bis in die&#x017F;e markgräfliche Zeit zurückdatirt. Etwa 1375<lb/>
kamen die <hi rendition="#g">Schliebens</hi> in Be&#x017F;itz der Burg, eine Familie, die<lb/>
damals in der Umgegend reich begütert war. Sie be&#x017F;aßen es ein<lb/>
Jahrhundert lang, al&#x017F;o namentlich auch während der <hi rendition="#g">Quitzow</hi>-<lb/>
Zeit, ohne daß be&#x017F;ondere Räuberthaten der Burg Wendi&#x017F;ch-Wu&#x017F;ter-<lb/>
hau&#x017F;en, bekannt geworden wären. 1475 kauften es die Schenken<lb/>
von <hi rendition="#g">Landsberg</hi>, die damaligen Be&#x017F;itzer der Herr&#x017F;chaft Teupitz,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0134] zwiſchen Giebel und Grundmauer lag, war hinter Bäumen ver- ſteckt. Der „Styx“ exiſtirte nicht mehr; halb zugeſchüttet war aus dem Graben ein breiter Streifen Wieſenland geworden; die blü- henden Kräuter würzten die Luft, und im Rücken des Schloſſes (die Notte fließt dicht daran vorüber) hört’ ich, wie ein Waſſer ſtill, breit, melodiſch über ein Wehr fiel. Ich kehrte um und ſetzte mich unter die Linden des Gaſt- hauſes. Das war keine „Hölle,“ die ich geſehen hatte, oder — die Beleuchtung hatte Wunder gethan. Der Wirth ſetzte ſich zu mir, und angeſichts des Schloſſes, deſſen Thurmdach uns argwöhniſch zu belauſchen ſchien, plauderten wir vom Schloß Wuſterhauſen. In alten wendiſchen Zeiten ſtand hier ein Dorf Namens „Wuſtrow“, d. h. „umfloſſener Ort.“ Die Bezeichnung findet ſich vielfach in der Mark bis dieſen Tag, z. B. das Zieten’ſche Wu- ſtrau. Als die Deutſchen in’s Land kamen, gründeten ſie ein Nach- bardorf, das noch exiſtirende Deutſch-Wuſtrow, zum Unterſchied von Wendiſch-Wuſtrow, ſchließlich aber wurden beide Worte (durch ein angehängtes „hauſen“) germaniſirt, und Deutſch- und Wendiſch-Wuſterhauſen waren fertig. Wendiſch-Wuſterhauſen — nur mit dieſem haben wir es zu thun — wurde eine markgräfliche Burg. Sie vertheidigte, wie „Schloß Mittenwalde,“ von dem wir in einem der nächſten Kapitel ſprechen werden, den Notte-Uebergang, d. h. ſie war Grenzburg zwiſchen der Mark und der Lauſitz. Wendiſch-Wuſterhauſen blieb markgräfliche Burg bis gegen 1370. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß der alte Thurm (der „Diebs- winkel“) bis in dieſe markgräfliche Zeit zurückdatirt. Etwa 1375 kamen die Schliebens in Beſitz der Burg, eine Familie, die damals in der Umgegend reich begütert war. Sie beſaßen es ein Jahrhundert lang, alſo namentlich auch während der Quitzow- Zeit, ohne daß beſondere Räuberthaten der Burg Wendiſch-Wuſter- hauſen, bekannt geworden wären. 1475 kauften es die Schenken von Landsberg, die damaligen Beſitzer der Herrſchaft Teupitz,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/134
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/134>, abgerufen am 05.05.2024.