stellt durch diese wenigen Worte, das Bild einer schönen Blondine vor uns hin, jung, heiter, blendend, von gefälligen Formen. Aber die Briefe des Kronprinzen geben uns mehr: sie beleben, sie durch- geistigen die schöne Gestalt. Frau v. Wreech scheint sich Ausgangs November 1731, während der Vermählungstage der Prinzessin Wilhelmine in Berlin, mit bei Hofe befunden zu haben, und wäh- rend dieser Tage ist es, daß der Kronprinz sich niedersetzt, um an Frau v. Schöning, die Mutter der Frau v. Wreech, zu schreiben. "Madame, so heißt es in diesem Briefe, ich habe das Vergnügen gehabt Ihre Frau Tochter in Berlin zu sehen. Ich sah sie, aber so flüchtig, daß ich kaum Gelegenheit fand, ihr guten Tag und guten Weg zu wünschen. Dennoch, so kurze Zeit ich sie sah, konnte mir es nicht entgehen, wie sehr sie sich vor allen anderen Damen des Hofes auszeichnete, und obschon ein ganzer Haufe von Prinzessinnen (une foule de princesses) zugegen war, die an Glanz sie übertrafen, so verdunkelte Ihre Frau Tochter doch alle durch Schönheit und majestätische Miene, durch Haltung und feine Sitte. Ich war wirklich in einer Tantalus-Lage, immer versucht zu einer so göttlichen Person (a une si divine personne) zu sprechen, und nichts desto weniger zum Schweigen verpflichtet. Ihre Schönheit feierte schließlich einen völligen Triumph und al- les am Hofe kam überein, daß Frau v. Wreich den Preis der Schönheit und feinen Sitte davontrage. Diese Worte müssen Ih- nen wohlthun, da Sie dieser liebenswürdigsten aller Frauen so nahe stehen. Aber seien Sie versichert, Madame, daß Ihre Theil- nahme an diesem Allem nicht lebhafter sein kann, als meine eigene, der ich Alles liebe, was dieser liebenswürdigen Familie zugehört, und immer bin und sein werde Ihr ergebenster Freund, Neffe und Diener Friedrich."
Wenn uns dieser Brief von der Feinheit und Grazie der schönen Frau erzählt, so erzählt uns ein anderer Brief von dem Respect, den ihre Gegenwart einzuflößen verstand. Der Kron- prinz schreibt unterm 5. September 1731 an Frau v. Wreech selber:
ſtellt durch dieſe wenigen Worte, das Bild einer ſchönen Blondine vor uns hin, jung, heiter, blendend, von gefälligen Formen. Aber die Briefe des Kronprinzen geben uns mehr: ſie beleben, ſie durch- geiſtigen die ſchöne Geſtalt. Frau v. Wreech ſcheint ſich Ausgangs November 1731, während der Vermählungstage der Prinzeſſin Wilhelmine in Berlin, mit bei Hofe befunden zu haben, und wäh- rend dieſer Tage iſt es, daß der Kronprinz ſich niederſetzt, um an Frau v. Schöning, die Mutter der Frau v. Wreech, zu ſchreiben. „Madame, ſo heißt es in dieſem Briefe, ich habe das Vergnügen gehabt Ihre Frau Tochter in Berlin zu ſehen. Ich ſah ſie, aber ſo flüchtig, daß ich kaum Gelegenheit fand, ihr guten Tag und guten Weg zu wünſchen. Dennoch, ſo kurze Zeit ich ſie ſah, konnte mir es nicht entgehen, wie ſehr ſie ſich vor allen anderen Damen des Hofes auszeichnete, und obſchon ein ganzer Haufe von Prinzeſſinnen (une foule de princesses) zugegen war, die an Glanz ſie übertrafen, ſo verdunkelte Ihre Frau Tochter doch alle durch Schönheit und majeſtätiſche Miene, durch Haltung und feine Sitte. Ich war wirklich in einer Tantalus-Lage, immer verſucht zu einer ſo göttlichen Perſon (à une si divine personne) zu ſprechen, und nichts deſto weniger zum Schweigen verpflichtet. Ihre Schönheit feierte ſchließlich einen völligen Triumph und al- les am Hofe kam überein, daß Frau v. Wreich den Preis der Schönheit und feinen Sitte davontrage. Dieſe Worte müſſen Ih- nen wohlthun, da Sie dieſer liebenswürdigſten aller Frauen ſo nahe ſtehen. Aber ſeien Sie verſichert, Madame, daß Ihre Theil- nahme an dieſem Allem nicht lebhafter ſein kann, als meine eigene, der ich Alles liebe, was dieſer liebenswürdigen Familie zugehört, und immer bin und ſein werde Ihr ergebenſter Freund, Neffe und Diener Friedrich.“
Wenn uns dieſer Brief von der Feinheit und Grazie der ſchönen Frau erzählt, ſo erzählt uns ein anderer Brief von dem Reſpect, den ihre Gegenwart einzuflößen verſtand. Der Kron- prinz ſchreibt unterm 5. September 1731 an Frau v. Wreech ſelber:
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ſtellt durch dieſe wenigen Worte, das Bild einer ſchönen Blondine
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die Briefe des Kronprinzen geben uns mehr: ſie beleben, ſie durch-
geiſtigen die ſchöne Geſtalt. Frau v. Wreech ſcheint ſich Ausgangs
November 1731, während der Vermählungstage der Prinzeſſin
Wilhelmine in Berlin, mit bei Hofe befunden zu haben, und wäh-
rend dieſer Tage iſt es, daß der Kronprinz ſich niederſetzt, um an
Frau v. Schöning, die Mutter der Frau v. Wreech, zu ſchreiben.
„Madame, ſo heißt es in dieſem Briefe, ich habe das Vergnügen
gehabt Ihre Frau Tochter in Berlin zu ſehen. Ich ſah ſie, aber
ſo flüchtig, daß ich kaum Gelegenheit fand, ihr guten Tag und
guten Weg zu wünſchen. Dennoch, ſo kurze Zeit ich ſie ſah,
konnte mir es nicht entgehen, wie ſehr ſie ſich vor allen anderen
Damen des Hofes auszeichnete, und obſchon ein ganzer Haufe von
Prinzeſſinnen (une foule de princesses) zugegen war, die an
Glanz ſie übertrafen, ſo verdunkelte Ihre Frau Tochter doch alle
durch Schönheit und majeſtätiſche Miene, durch Haltung und feine
Sitte. Ich war wirklich in einer Tantalus-Lage, immer verſucht
zu einer ſo göttlichen Perſon (à une si divine personne) zu
ſprechen, und nichts deſto weniger zum Schweigen verpflichtet.
Ihre Schönheit feierte ſchließlich einen völligen Triumph und al-
les am Hofe kam überein, daß Frau v. Wreich den Preis der
Schönheit und feinen Sitte davontrage. Dieſe Worte müſſen Ih-
nen wohlthun, da Sie dieſer liebenswürdigſten aller Frauen ſo
nahe ſtehen. Aber ſeien Sie verſichert, Madame, daß Ihre Theil-
nahme an dieſem Allem nicht lebhafter ſein kann, als meine eigene,
der ich Alles liebe, was dieſer liebenswürdigen Familie zugehört,
und immer bin und ſein werde Ihr ergebenſter Freund, Neffe und
Diener Friedrich.“
Wenn uns dieſer Brief von der Feinheit und Grazie der
ſchönen Frau erzählt, ſo erzählt uns ein anderer Brief von dem
Reſpect, den ihre Gegenwart einzuflößen verſtand. Der Kron-
prinz ſchreibt unterm 5. September 1731 an Frau v. Wreech
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/58>, abgerufen am 28.11.2024.
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