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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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was Duft und Farbe hat, ist hier versammelt. Die Treibhäuser
haben ihre Blumentöpfe bis auf den letzten Mann in's Feld ge-
stellt und selbst der Landsturm der Astern ist aufgeboten worden.
Terrassenförmig stehen sie da, auf Stufen und Treppen, und
blicken einander über die Köpfe fort, als wären sie nicht nur da,
um gesehen zu werden, sondern auch -- um selber zu sehen.

Die trotzigen Tage von Burg Beuthen liegen weit zurück.
Wo Goswin v. Brederlow den Einzug wehren wollte, da haben
die Goertzke's Blumenpforten gebaut, um diesen Einzug zu feiern
-- König und Königin sind zu Gast in Groß-Beuthen. Die
vollen Blätterschirme der Kastanien halten die Sonne ab, aber ein
Sonnenschein liegt dennoch über der Tafel; Blumen und Mädchen-
gesichter üben ihre alte Macht, und das Singen der Vögel klingt
so laut, als wollten sie denen draußen im Felde erzählen von
dem Fest, das hier gefeiert wird. Das Auge der Königin hängt
lächelnd an dem reizenden Bilde; der König aber, der den Zauber
mehr fühlt, als sieht, strömt über von jener geist- und gemüth-
gebornen Heiterkeit, die so viele Herzen erobert hat, -- auch ab-
geneigtere, als die Herzen derer sind, die hier unterm Kastaniendach
zusammensitzen.

Das Mahl ist vorüber. Unterm Blätterwerk der Bäume wird
es schwül, der offene, luftige Garten liegt da, und seine breiten
Steige und Gänge laden zu einem Spaziergang ein. Die Obst-
baum-Allee hinauf, die Weißdornhecke entlang, an der Akazien-
laube vorbei und das Weinspalier zurück, so schreitet der König
in raschem Gespräche auf und ab, nur dann und wann sich unter-
brechend, wenn, 'mal lauter, 'mal leiser, die Glocken herüberklingen,
die den Abend einläuten.

Die Dämmerstunde kommt und der Thee wird auf der
Gartentreppe servirt. Die Luft ist wie ein leiser Wellenschlag,
langsam und ruhig, ohne Schwanken und Zittern. Zwei alte Pla-
tanen, die das Haus schützen und selbst im Schutz des Hauses
stehn, breiten ihre Zweige über der Treppe aus und bewegen kaum
hörbar ihre Blätter. Abenddunkle Bäume am äußersten Rand des

was Duft und Farbe hat, iſt hier verſammelt. Die Treibhäuſer
haben ihre Blumentöpfe bis auf den letzten Mann in’s Feld ge-
ſtellt und ſelbſt der Landſturm der Aſtern iſt aufgeboten worden.
Terraſſenförmig ſtehen ſie da, auf Stufen und Treppen, und
blicken einander über die Köpfe fort, als wären ſie nicht nur da,
um geſehen zu werden, ſondern auch — um ſelber zu ſehen.

Die trotzigen Tage von Burg Beuthen liegen weit zurück.
Wo Goswin v. Brederlow den Einzug wehren wollte, da haben
die Goertzke’s Blumenpforten gebaut, um dieſen Einzug zu feiern
— König und Königin ſind zu Gaſt in Groß-Beuthen. Die
vollen Blätterſchirme der Kaſtanien halten die Sonne ab, aber ein
Sonnenſchein liegt dennoch über der Tafel; Blumen und Mädchen-
geſichter üben ihre alte Macht, und das Singen der Vögel klingt
ſo laut, als wollten ſie denen draußen im Felde erzählen von
dem Feſt, das hier gefeiert wird. Das Auge der Königin hängt
lächelnd an dem reizenden Bilde; der König aber, der den Zauber
mehr fühlt, als ſieht, ſtrömt über von jener geiſt- und gemüth-
gebornen Heiterkeit, die ſo viele Herzen erobert hat, — auch ab-
geneigtere, als die Herzen derer ſind, die hier unterm Kaſtaniendach
zuſammenſitzen.

Das Mahl iſt vorüber. Unterm Blätterwerk der Bäume wird
es ſchwül, der offene, luftige Garten liegt da, und ſeine breiten
Steige und Gänge laden zu einem Spaziergang ein. Die Obſt-
baum-Allee hinauf, die Weißdornhecke entlang, an der Akazien-
laube vorbei und das Weinſpalier zurück, ſo ſchreitet der König
in raſchem Geſpräche auf und ab, nur dann und wann ſich unter-
brechend, wenn, ’mal lauter, ’mal leiſer, die Glocken herüberklingen,
die den Abend einläuten.

Die Dämmerſtunde kommt und der Thee wird auf der
Gartentreppe ſervirt. Die Luft iſt wie ein leiſer Wellenſchlag,
langſam und ruhig, ohne Schwanken und Zittern. Zwei alte Pla-
tanen, die das Haus ſchützen und ſelbſt im Schutz des Hauſes
ſtehn, breiten ihre Zweige über der Treppe aus und bewegen kaum
hörbar ihre Blätter. Abenddunkle Bäume am äußerſten Rand des

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[418/0436] was Duft und Farbe hat, iſt hier verſammelt. Die Treibhäuſer haben ihre Blumentöpfe bis auf den letzten Mann in’s Feld ge- ſtellt und ſelbſt der Landſturm der Aſtern iſt aufgeboten worden. Terraſſenförmig ſtehen ſie da, auf Stufen und Treppen, und blicken einander über die Köpfe fort, als wären ſie nicht nur da, um geſehen zu werden, ſondern auch — um ſelber zu ſehen. Die trotzigen Tage von Burg Beuthen liegen weit zurück. Wo Goswin v. Brederlow den Einzug wehren wollte, da haben die Goertzke’s Blumenpforten gebaut, um dieſen Einzug zu feiern — König und Königin ſind zu Gaſt in Groß-Beuthen. Die vollen Blätterſchirme der Kaſtanien halten die Sonne ab, aber ein Sonnenſchein liegt dennoch über der Tafel; Blumen und Mädchen- geſichter üben ihre alte Macht, und das Singen der Vögel klingt ſo laut, als wollten ſie denen draußen im Felde erzählen von dem Feſt, das hier gefeiert wird. Das Auge der Königin hängt lächelnd an dem reizenden Bilde; der König aber, der den Zauber mehr fühlt, als ſieht, ſtrömt über von jener geiſt- und gemüth- gebornen Heiterkeit, die ſo viele Herzen erobert hat, — auch ab- geneigtere, als die Herzen derer ſind, die hier unterm Kaſtaniendach zuſammenſitzen. Das Mahl iſt vorüber. Unterm Blätterwerk der Bäume wird es ſchwül, der offene, luftige Garten liegt da, und ſeine breiten Steige und Gänge laden zu einem Spaziergang ein. Die Obſt- baum-Allee hinauf, die Weißdornhecke entlang, an der Akazien- laube vorbei und das Weinſpalier zurück, ſo ſchreitet der König in raſchem Geſpräche auf und ab, nur dann und wann ſich unter- brechend, wenn, ’mal lauter, ’mal leiſer, die Glocken herüberklingen, die den Abend einläuten. Die Dämmerſtunde kommt und der Thee wird auf der Gartentreppe ſervirt. Die Luft iſt wie ein leiſer Wellenſchlag, langſam und ruhig, ohne Schwanken und Zittern. Zwei alte Pla- tanen, die das Haus ſchützen und ſelbſt im Schutz des Hauſes ſtehn, breiten ihre Zweige über der Treppe aus und bewegen kaum hörbar ihre Blätter. Abenddunkle Bäume am äußerſten Rand des

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/436>, abgerufen am 01.06.2024.