gesucht, seinem alten Namen "v. Beeren" den Namen "Geist" hinzufügen zu dürfen. Die Erlaubniß war ihm ertheilt worden. Seitdem hieß er "Geist v. Beeren" oder kürzer "der tolle Geist." Er war ein kleiner, schmächtiger, lebhafter Mann: witzig, sarkastisch, hämisch. Zwietracht anstiften, zanken und streiten, opponiren und processiren war seine Lust. Von seinen unzähligen Schnurren, Injurien und Processen lebt noch Einzelnes in der Erinnerung des Volkes. Ich zähle auf, was ich habe erfahren können. Die meisten dieser Geist'schen Schnurren setzen sich aus Albernheit, Uebermuth und hämischem Wesen zusammen, manches aber ist doch wirklich gut und treffend und alles entsprach jedenfalls dem nicht sehr verfeinerten Bedürfniß seiner Zeit und seiner Umgebung.
Zwei Gruppen von Personen waren es besonders, mit denen der streitlustige Geist eine unausgesetzte Fehde unterhielt: seine Gutsnachbarn und die Regierungsbeamten. Unter den Ersteren hatte er sich besonders den Herrn v. Hake auf Genshagen zum Gegenstand nicht enden wollender Angriffe und Verhöhnungen ausersehen.
Die Correspondenz, die er mit diesem seinem Nachbar in einem Zeitraum von 25 Jahren geführt hat, soll ein wahrer Anekdoten- schatz und für die Freunde des Hake'schen Hauses eine unerschöpf- liche Quelle der Erheiterung gewesen sein. Leider ist diese Corres- pondenz verbrannt. Zwei Geschichten indeß aus der langen Reihe dieser gutsnachbarlichen Rancünen und Streitigkeiten existiren noch. Geist, im Uebrigen kein Freund der Jagd, ließ sich eine Jagd- und Schießhütte bauen, wenig Schritte von dem Punkte entfernt, wo seine eigene Feldmark mit der Genshagener Forst zusammen- stieß. Die Front der Hütte ging auf feindliches Gebiet hinaus, und die Absicht lag klar zu Tage. Hier saß er halbe Nächte lang und schoß von seinem Territorium aus dem Herrn v. Hake die Rehe todt -- ein Wilddieb aus purer Malice. Als Hake Be- schwerde führte und auf Abbrechen der Hütte antrug, antwortete Geist: Die Hütte habe keinen offensiven Charakter; er (Geist) habe von Jugend auf immer rückwärts geschossen und müsse es ab-
geſucht, ſeinem alten Namen „v. Beeren“ den Namen „Geiſt“ hinzufügen zu dürfen. Die Erlaubniß war ihm ertheilt worden. Seitdem hieß er „Geiſt v. Beeren“ oder kürzer „der tolle Geiſt.“ Er war ein kleiner, ſchmächtiger, lebhafter Mann: witzig, ſarkaſtiſch, hämiſch. Zwietracht anſtiften, zanken und ſtreiten, opponiren und proceſſiren war ſeine Luſt. Von ſeinen unzähligen Schnurren, Injurien und Proceſſen lebt noch Einzelnes in der Erinnerung des Volkes. Ich zähle auf, was ich habe erfahren können. Die meiſten dieſer Geiſt’ſchen Schnurren ſetzen ſich aus Albernheit, Uebermuth und hämiſchem Weſen zuſammen, manches aber iſt doch wirklich gut und treffend und alles entſprach jedenfalls dem nicht ſehr verfeinerten Bedürfniß ſeiner Zeit und ſeiner Umgebung.
Zwei Gruppen von Perſonen waren es beſonders, mit denen der ſtreitluſtige Geiſt eine unausgeſetzte Fehde unterhielt: ſeine Gutsnachbarn und die Regierungsbeamten. Unter den Erſteren hatte er ſich beſonders den Herrn v. Hake auf Genshagen zum Gegenſtand nicht enden wollender Angriffe und Verhöhnungen auserſehen.
Die Correſpondenz, die er mit dieſem ſeinem Nachbar in einem Zeitraum von 25 Jahren geführt hat, ſoll ein wahrer Anekdoten- ſchatz und für die Freunde des Hake’ſchen Hauſes eine unerſchöpf- liche Quelle der Erheiterung geweſen ſein. Leider iſt dieſe Corres- pondenz verbrannt. Zwei Geſchichten indeß aus der langen Reihe dieſer gutsnachbarlichen Rancünen und Streitigkeiten exiſtiren noch. Geiſt, im Uebrigen kein Freund der Jagd, ließ ſich eine Jagd- und Schießhütte bauen, wenig Schritte von dem Punkte entfernt, wo ſeine eigene Feldmark mit der Genshagener Forſt zuſammen- ſtieß. Die Front der Hütte ging auf feindliches Gebiet hinaus, und die Abſicht lag klar zu Tage. Hier ſaß er halbe Nächte lang und ſchoß von ſeinem Territorium aus dem Herrn v. Hake die Rehe todt — ein Wilddieb aus purer Malice. Als Hake Be- ſchwerde führte und auf Abbrechen der Hütte antrug, antwortete Geiſt: Die Hütte habe keinen offenſiven Charakter; er (Geiſt) habe von Jugend auf immer rückwärts geſchoſſen und müſſe es ab-
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geſucht, ſeinem alten Namen „v. Beeren“ den Namen „Geiſt“
hinzufügen zu dürfen. Die Erlaubniß war ihm ertheilt worden.
Seitdem hieß er „Geiſt v. Beeren“ oder kürzer „der tolle Geiſt.“
Er war ein kleiner, ſchmächtiger, lebhafter Mann: witzig, ſarkaſtiſch,
hämiſch. Zwietracht anſtiften, zanken und ſtreiten, opponiren und
proceſſiren war ſeine Luſt. Von ſeinen unzähligen Schnurren,
Injurien und Proceſſen lebt noch Einzelnes in der Erinnerung
des Volkes. Ich zähle auf, was ich habe erfahren können. Die
meiſten dieſer Geiſt’ſchen Schnurren ſetzen ſich aus Albernheit,
Uebermuth und hämiſchem Weſen zuſammen, manches aber iſt doch
wirklich gut und treffend und alles entſprach jedenfalls dem nicht
ſehr verfeinerten Bedürfniß ſeiner Zeit und ſeiner Umgebung.
Zwei Gruppen von Perſonen waren es beſonders, mit denen
der ſtreitluſtige Geiſt eine unausgeſetzte Fehde unterhielt: ſeine
Gutsnachbarn und die Regierungsbeamten. Unter den Erſteren
hatte er ſich beſonders den Herrn v. Hake auf Genshagen zum
Gegenſtand nicht enden wollender Angriffe und Verhöhnungen
auserſehen.
Die Correſpondenz, die er mit dieſem ſeinem Nachbar in einem
Zeitraum von 25 Jahren geführt hat, ſoll ein wahrer Anekdoten-
ſchatz und für die Freunde des Hake’ſchen Hauſes eine unerſchöpf-
liche Quelle der Erheiterung geweſen ſein. Leider iſt dieſe Corres-
pondenz verbrannt. Zwei Geſchichten indeß aus der langen Reihe
dieſer gutsnachbarlichen Rancünen und Streitigkeiten exiſtiren noch.
Geiſt, im Uebrigen kein Freund der Jagd, ließ ſich eine Jagd-
und Schießhütte bauen, wenig Schritte von dem Punkte entfernt,
wo ſeine eigene Feldmark mit der Genshagener Forſt zuſammen-
ſtieß. Die Front der Hütte ging auf feindliches Gebiet hinaus,
und die Abſicht lag klar zu Tage. Hier ſaß er halbe Nächte lang
und ſchoß von ſeinem Territorium aus dem Herrn v. Hake die
Rehe todt — ein Wilddieb aus purer Malice. Als Hake Be-
ſchwerde führte und auf Abbrechen der Hütte antrug, antwortete
Geiſt: Die Hütte habe keinen offenſiven Charakter; er (Geiſt) habe
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/413>, abgerufen am 23.11.2024.
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