bekanntlich eine Zierde unseres Berliner Museums; früher hing es im Eßsaal zu Carwe, an derselben Stelle, die sich jetzt mit der bloßen Copie behelfen muß. Interessant ist es, wie das Original in den Besitz der Familie kam. Der Feldmarschall bereiste, un- mittelbar nach dem Kriege, Italien und kam nach Rom. Kurz vor seiner Rückreise wurde ihm von einem Trödler ein Christus- kopf zum Verkauf angeboten, dessen hohe Schönheit auch seinem Laienauge auf der Stelle einleuchtete. Er kaufte das Bild für eine ansehnliche Summe. Kaum war er im Besitz desselben, als sich das Gerücht verbreitete, eins der Italienischen Klöster sei be- raubt worden -- der Correggio'sche Christuskopf auf dem Schweiß- tuch der heiligen Veronica sei fort. Der nächste Tag brachte die amtliche Bestätigung und Belohnungen wurden ausgesetzt für die Wiederbeschaffung und selbst für den Nachweis des berühmten Gemäldes. Der damalige General-Lieutenant begriff die Gefahr und traf seine Vorkehrungen. Das Bild wurde in ein Wagen- kissen eingenäht; der glückliche Besitzer, der bis dahin kaum selbst gewußt haben mochte, was er besaß, nahm auf seinem neuen Schatze Platz und brachte so sein schönes Eigenthum über die Alpen. Ich kann nicht sagen, wie lange das Bild in Carwe blieb; muthmaßlich nur kurze Zeit. Das Haus Knesebeck, das zu Anfang des 18. Jahrhunderts von den Hohenzollern ein halbes Dutzend Familienportraits geschenkt erhalten hatte, nahm zu Anfang des 19. Jahrhunderts Veranlassung, dem Königlichen Hause ein Gegen- geschenk zu machen und warf (in aller Pietät gegen die Hohenzollern sei es gesagt) einen Correggio'schen Christuskopf gegen sechs Pesnesche Kurfürsten siegreich in die Waage. Friedrich Wilhelm III. acceptirte in Gnaden das Geschenk seines General-Lieutenants und willigte gern in Erfüllung des einen Wunsches, den Knesebeck bei Ueber- reichung des Bildes geäußert hatte, daß dasselbe nämlich unwan- delbar in der Königlichen Hauskapelle verbleiben möge. Diese Zu- sage ist aber im Lauf der Jahre entweder vergessen oder aus Hohenzollern'scher Humanität, die nichts Schönes für sich allein haben mag, absichtlich geändert worden. Das Bild gehört nicht
bekanntlich eine Zierde unſeres Berliner Muſeums; früher hing es im Eßſaal zu Carwe, an derſelben Stelle, die ſich jetzt mit der bloßen Copie behelfen muß. Intereſſant iſt es, wie das Original in den Beſitz der Familie kam. Der Feldmarſchall bereiſte, un- mittelbar nach dem Kriege, Italien und kam nach Rom. Kurz vor ſeiner Rückreiſe wurde ihm von einem Trödler ein Chriſtus- kopf zum Verkauf angeboten, deſſen hohe Schönheit auch ſeinem Laienauge auf der Stelle einleuchtete. Er kaufte das Bild für eine anſehnliche Summe. Kaum war er im Beſitz deſſelben, als ſich das Gerücht verbreitete, eins der Italieniſchen Klöſter ſei be- raubt worden — der Correggio’ſche Chriſtuskopf auf dem Schweiß- tuch der heiligen Veronica ſei fort. Der nächſte Tag brachte die amtliche Beſtätigung und Belohnungen wurden ausgeſetzt für die Wiederbeſchaffung und ſelbſt für den Nachweis des berühmten Gemäldes. Der damalige General-Lieutenant begriff die Gefahr und traf ſeine Vorkehrungen. Das Bild wurde in ein Wagen- kiſſen eingenäht; der glückliche Beſitzer, der bis dahin kaum ſelbſt gewußt haben mochte, was er beſaß, nahm auf ſeinem neuen Schatze Platz und brachte ſo ſein ſchönes Eigenthum über die Alpen. Ich kann nicht ſagen, wie lange das Bild in Carwe blieb; muthmaßlich nur kurze Zeit. Das Haus Kneſebeck, das zu Anfang des 18. Jahrhunderts von den Hohenzollern ein halbes Dutzend Familienportraits geſchenkt erhalten hatte, nahm zu Anfang des 19. Jahrhunderts Veranlaſſung, dem Königlichen Hauſe ein Gegen- geſchenk zu machen und warf (in aller Pietät gegen die Hohenzollern ſei es geſagt) einen Correggio’ſchen Chriſtuskopf gegen ſechs Pesneſche Kurfürſten ſiegreich in die Waage. Friedrich Wilhelm III. acceptirte in Gnaden das Geſchenk ſeines General-Lieutenants und willigte gern in Erfüllung des einen Wunſches, den Kneſebeck bei Ueber- reichung des Bildes geäußert hatte, daß daſſelbe nämlich unwan- delbar in der Königlichen Hauskapelle verbleiben möge. Dieſe Zu- ſage iſt aber im Lauf der Jahre entweder vergeſſen oder aus Hohenzollern’ſcher Humanität, die nichts Schönes für ſich allein haben mag, abſichtlich geändert worden. Das Bild gehört nicht
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bekanntlich eine Zierde unſeres Berliner Muſeums; früher hing
es im Eßſaal zu Carwe, an derſelben Stelle, die ſich jetzt mit der
bloßen Copie behelfen muß. Intereſſant iſt es, wie das Original
in den Beſitz der Familie kam. Der Feldmarſchall bereiſte, un-
mittelbar nach dem Kriege, Italien und kam nach Rom. Kurz
vor ſeiner Rückreiſe wurde ihm von einem Trödler ein Chriſtus-
kopf zum Verkauf angeboten, deſſen hohe Schönheit auch ſeinem
Laienauge auf der Stelle einleuchtete. Er kaufte das Bild für
eine anſehnliche Summe. Kaum war er im Beſitz deſſelben, als
ſich das Gerücht verbreitete, eins der Italieniſchen Klöſter ſei be-
raubt worden — der Correggio’ſche Chriſtuskopf auf dem Schweiß-
tuch der heiligen Veronica ſei fort. Der nächſte Tag brachte die
amtliche Beſtätigung und Belohnungen wurden ausgeſetzt für die
Wiederbeſchaffung und ſelbſt für den Nachweis des berühmten
Gemäldes. Der damalige General-Lieutenant begriff die Gefahr
und traf ſeine Vorkehrungen. Das Bild wurde in ein Wagen-
kiſſen eingenäht; der glückliche Beſitzer, der bis dahin kaum ſelbſt
gewußt haben mochte, was er beſaß, nahm auf ſeinem neuen
Schatze Platz und brachte ſo ſein ſchönes Eigenthum über die
Alpen. Ich kann nicht ſagen, wie lange das Bild in Carwe blieb;
muthmaßlich nur kurze Zeit. Das Haus Kneſebeck, das zu Anfang
des 18. Jahrhunderts von den Hohenzollern ein halbes Dutzend
Familienportraits geſchenkt erhalten hatte, nahm zu Anfang des
19. Jahrhunderts Veranlaſſung, dem Königlichen Hauſe ein Gegen-
geſchenk zu machen und warf (in aller Pietät gegen die Hohenzollern
ſei es geſagt) einen Correggio’ſchen Chriſtuskopf gegen ſechs Pesneſche
Kurfürſten ſiegreich in die Waage. Friedrich Wilhelm III. acceptirte
in Gnaden das Geſchenk ſeines General-Lieutenants und willigte
gern in Erfüllung des einen Wunſches, den Kneſebeck bei Ueber-
reichung des Bildes geäußert hatte, daß daſſelbe nämlich unwan-
delbar in der Königlichen Hauskapelle verbleiben möge. Dieſe Zu-
ſage iſt aber im Lauf der Jahre entweder vergeſſen oder aus
Hohenzollern’ſcher Humanität, die nichts Schönes für ſich allein
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/40>, abgerufen am 23.11.2024.
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