nämlich das rothe Dach als Schutz gegen die Sonne, den Griff aber gleichzeitig als Krückstock benutzt, um die beiden Jungen in Ordnung zu halten, die des engzugemessenen Raumes halber in beständiger Fehde sind und, aller Controle ungeachtet, einen stillen erbitterten Kampf mit den Ellenbogen führen. Zwischen der Sitz- bank und dem schrägen Hintertheil des Wagenkorbes ist noch ein leerer Raum, und unsere Kenntniß ähnlicher Fuhrwerke läßt uns sofort errathen, daß hier ein Häcksel- oder Futtersack verborgen sein muß, der nichts dagegen haben würde, wenn wir etwa entschlossen sein sollten, die letzte Viertelmeile auf seinem Polster zurückzulegen. Wir sind in der That gewillt, den Rest des Weges als blinde Passagiere mitzumachen, schwingen uns von hinten her in den Wagen hinein, und unsere Tarnkappe hervorziehend, die uns unsichtbar macht und selbstverständlich zu unseren unerläßlichsten Reise-Necessaires zählt, sitzen wir jetzt unbemerkt auf dem Häckselsack hinten im Wagen, während wir zu glücklichen Zeugen all der kleinen Erziehungs- und Unterhaltungs-Scenen werden, die sich mehr und mehr zu einer gemüthlichen Familien-Komödie abrunden.
Unmittelbar vor uns, auf dem schmalen Plätzchen, das für unsere Füße frei geblieben, liegt ein Kinder-Spielzeug, jenes mit Glöckchen und Schellen behängte Blech-Instrument, das unter dem Namen "die Janitschar" oder der "halbe Mond" das Entzücken aller Kinderherzen bildet. Der Raum ist so eng, daß wir's trotz äußerster Vorsicht nicht vermeiden können, die Glöckchen gelegent- lich zu berühren, und jedesmal, wenn es klingelt und tingelt, drehen sich alle fünf Köpfe nach der Hinterseite des Wagens um, als hätten sie eine leise Ahnung davon, daß auf dem Häckselsack nicht alles richtig sei. Diese Kopfwendungen, die der starken Frau mit dem Regenschirm jedesmal äußerst schwer werden, geben uns eine erwünschte Gelegenheit, unsere nunmehrige Reisegesellschaft auch en face kennen zu lernen und uns über den Ausdruck des Behagens, als charakteristischen Familienzugs, zu vergewissern. Die beiden Jungen auf der Kutscherbank scheinen Zwillinge zu sein, wenigstens sehen sie einander so ähnlich, wie die beiden schon genannten
nämlich das rothe Dach als Schutz gegen die Sonne, den Griff aber gleichzeitig als Krückſtock benutzt, um die beiden Jungen in Ordnung zu halten, die des engzugemeſſenen Raumes halber in beſtändiger Fehde ſind und, aller Controle ungeachtet, einen ſtillen erbitterten Kampf mit den Ellenbogen führen. Zwiſchen der Sitz- bank und dem ſchrägen Hintertheil des Wagenkorbes iſt noch ein leerer Raum, und unſere Kenntniß ähnlicher Fuhrwerke läßt uns ſofort errathen, daß hier ein Häckſel- oder Futterſack verborgen ſein muß, der nichts dagegen haben würde, wenn wir etwa entſchloſſen ſein ſollten, die letzte Viertelmeile auf ſeinem Polſter zurückzulegen. Wir ſind in der That gewillt, den Reſt des Weges als blinde Paſſagiere mitzumachen, ſchwingen uns von hinten her in den Wagen hinein, und unſere Tarnkappe hervorziehend, die uns unſichtbar macht und ſelbſtverſtändlich zu unſeren unerläßlichſten Reiſe-Neceſſaires zählt, ſitzen wir jetzt unbemerkt auf dem Häckſelſack hinten im Wagen, während wir zu glücklichen Zeugen all der kleinen Erziehungs- und Unterhaltungs-Scenen werden, die ſich mehr und mehr zu einer gemüthlichen Familien-Komödie abrunden.
Unmittelbar vor uns, auf dem ſchmalen Plätzchen, das für unſere Füße frei geblieben, liegt ein Kinder-Spielzeug, jenes mit Glöckchen und Schellen behängte Blech-Inſtrument, das unter dem Namen „die Janitſchar“ oder der „halbe Mond“ das Entzücken aller Kinderherzen bildet. Der Raum iſt ſo eng, daß wir’s trotz äußerſter Vorſicht nicht vermeiden können, die Glöckchen gelegent- lich zu berühren, und jedesmal, wenn es klingelt und tingelt, drehen ſich alle fünf Köpfe nach der Hinterſeite des Wagens um, als hätten ſie eine leiſe Ahnung davon, daß auf dem Häckſelſack nicht alles richtig ſei. Dieſe Kopfwendungen, die der ſtarken Frau mit dem Regenſchirm jedesmal äußerſt ſchwer werden, geben uns eine erwünſchte Gelegenheit, unſere nunmehrige Reiſegeſellſchaft auch en face kennen zu lernen und uns über den Ausdruck des Behagens, als charakteriſtiſchen Familienzugs, zu vergewiſſern. Die beiden Jungen auf der Kutſcherbank ſcheinen Zwillinge zu ſein, wenigſtens ſehen ſie einander ſo ähnlich, wie die beiden ſchon genannten
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nämlich das rothe Dach als Schutz gegen die Sonne, den Griff
aber gleichzeitig als Krückſtock benutzt, um die beiden Jungen in
Ordnung zu halten, die des engzugemeſſenen Raumes halber in
beſtändiger Fehde ſind und, aller Controle ungeachtet, einen ſtillen
erbitterten Kampf mit den Ellenbogen führen. Zwiſchen der Sitz-
bank und dem ſchrägen Hintertheil des Wagenkorbes iſt noch ein
leerer Raum, und unſere Kenntniß ähnlicher Fuhrwerke läßt uns
ſofort errathen, daß hier ein Häckſel- oder Futterſack verborgen ſein
muß, der nichts dagegen haben würde, wenn wir etwa entſchloſſen
ſein ſollten, die letzte Viertelmeile auf ſeinem Polſter zurückzulegen.
Wir ſind in der That gewillt, den Reſt des Weges als blinde
Paſſagiere mitzumachen, ſchwingen uns von hinten her in den
Wagen hinein, und unſere Tarnkappe hervorziehend, die uns unſichtbar
macht und ſelbſtverſtändlich zu unſeren unerläßlichſten Reiſe-Neceſſaires
zählt, ſitzen wir jetzt unbemerkt auf dem Häckſelſack hinten im Wagen,
während wir zu glücklichen Zeugen all der kleinen Erziehungs-
und Unterhaltungs-Scenen werden, die ſich mehr und mehr zu
einer gemüthlichen Familien-Komödie abrunden.
Unmittelbar vor uns, auf dem ſchmalen Plätzchen, das für
unſere Füße frei geblieben, liegt ein Kinder-Spielzeug, jenes mit
Glöckchen und Schellen behängte Blech-Inſtrument, das unter dem
Namen „die Janitſchar“ oder der „halbe Mond“ das Entzücken
aller Kinderherzen bildet. Der Raum iſt ſo eng, daß wir’s trotz
äußerſter Vorſicht nicht vermeiden können, die Glöckchen gelegent-
lich zu berühren, und jedesmal, wenn es klingelt und tingelt, drehen
ſich alle fünf Köpfe nach der Hinterſeite des Wagens um, als
hätten ſie eine leiſe Ahnung davon, daß auf dem Häckſelſack nicht
alles richtig ſei. Dieſe Kopfwendungen, die der ſtarken Frau mit
dem Regenſchirm jedesmal äußerſt ſchwer werden, geben uns eine
erwünſchte Gelegenheit, unſere nunmehrige Reiſegeſellſchaft auch en
face kennen zu lernen und uns über den Ausdruck des Behagens,
als charakteriſtiſchen Familienzugs, zu vergewiſſern. Die beiden
Jungen auf der Kutſcherbank ſcheinen Zwillinge zu ſein, wenigſtens
ſehen ſie einander ſo ähnlich, wie die beiden ſchon genannten
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/295>, abgerufen am 24.11.2024.
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