uns sprach, werden wir, Angesichts dieser blaurothen Soldateska, irre an allem, was uns bis dahin die Aufgabe einer neuen Zeit, als Ziel einer neuen Richtung gegolten hat, und verlegen treten wir seitwärts, um des Anblicks von Dreimaster und Bortenrock nach Möglichkeit überhoben zu sein. Mit Unrecht; nicht die Rich- tung ist es, die uns verdrießt, nur das niedrige Kunstmaß inner- halb derselben. Ein Modell der Rauch'schen Friedrichsstatue, eine Menzel'sche Hochkirchschlacht würden uns auch vielleicht frappirt, aber noch im Augenblicke der Ueberraschung, durch den Eindruck auf unser Gemüth, uns ihre Ebenbürtigkeit bewiesen haben.
Wir verlassen nun das Haus und seine bildgeschmückten Zimmerreihen, um der vielleicht eigenthümlichsten und fesselndsten Stätte dieser an Besonderem und Abweichendem so reichen Besitzung zuzuschreiten -- der Begräbnißstätte. Der Geschmack der Hum- boldtschen Familie (vielleicht auch ein Höheres noch als das) hat es verschmäht, in langen Reihen eichener Särge den Tod gleichsam überdauern und die Asche der Erde vorenthalten zu wollen. Des Fortlebens im Geiste sicher, durfte ihr Wahlspruch sein "Erde zu Erde." Kein Mausoleum, keine Kirchenkrypta nimmt hier die irdi- schen Ueberreste auf; ein Hain von Edeltannen friedigt die Be- gräbnißstätte ein und in märkisch-tegelschem Sande ruhen die Mit- glieder einer Familie, die, wie kaum eine zweite, diesen Sand zu Ruhm und Ansehen gebracht.
Zwei Wege führen vom Schloß aus zu diesem inmitten eines Hügelabhangs gelegenen Friedhof hin. Wir wählen die Lindenallee, die geradlienig durch den Park läuft und zuletzt in leiser Biegung zum Tannenwäldchen hinansteigt. Unmerklich haben uns die Bäume des Weges bergan geführt, und ehe uns noch die Frage gekommen, ob und wo wir den Friedhof finden werden, stehen wir bereits inmitten seiner Einfriedigung, von dicht und wandartig sich erhebenden Tannen nach allen vier Seiten hin überragt. Das Ganze berührt uns mit jenem stillen Zauber, den
uns ſprach, werden wir, Angeſichts dieſer blaurothen Soldateska, irre an allem, was uns bis dahin die Aufgabe einer neuen Zeit, als Ziel einer neuen Richtung gegolten hat, und verlegen treten wir ſeitwärts, um des Anblicks von Dreimaſter und Bortenrock nach Möglichkeit überhoben zu ſein. Mit Unrecht; nicht die Rich- tung iſt es, die uns verdrießt, nur das niedrige Kunſtmaß inner- halb derſelben. Ein Modell der Rauch’ſchen Friedrichsſtatue, eine Menzel’ſche Hochkirchſchlacht würden uns auch vielleicht frappirt, aber noch im Augenblicke der Ueberraſchung, durch den Eindruck auf unſer Gemüth, uns ihre Ebenbürtigkeit bewieſen haben.
Wir verlaſſen nun das Haus und ſeine bildgeſchmückten Zimmerreihen, um der vielleicht eigenthümlichſten und feſſelndſten Stätte dieſer an Beſonderem und Abweichendem ſo reichen Beſitzung zuzuſchreiten — der Begräbnißſtätte. Der Geſchmack der Hum- boldtſchen Familie (vielleicht auch ein Höheres noch als das) hat es verſchmäht, in langen Reihen eichener Särge den Tod gleichſam überdauern und die Aſche der Erde vorenthalten zu wollen. Des Fortlebens im Geiſte ſicher, durfte ihr Wahlſpruch ſein „Erde zu Erde.“ Kein Mauſoleum, keine Kirchenkrypta nimmt hier die irdi- ſchen Ueberreſte auf; ein Hain von Edeltannen friedigt die Be- gräbnißſtätte ein und in märkiſch-tegelſchem Sande ruhen die Mit- glieder einer Familie, die, wie kaum eine zweite, dieſen Sand zu Ruhm und Anſehen gebracht.
Zwei Wege führen vom Schloß aus zu dieſem inmitten eines Hügelabhangs gelegenen Friedhof hin. Wir wählen die Lindenallee, die geradlienig durch den Park läuft und zuletzt in leiſer Biegung zum Tannenwäldchen hinanſteigt. Unmerklich haben uns die Bäume des Weges bergan geführt, und ehe uns noch die Frage gekommen, ob und wo wir den Friedhof finden werden, ſtehen wir bereits inmitten ſeiner Einfriedigung, von dicht und wandartig ſich erhebenden Tannen nach allen vier Seiten hin überragt. Das Ganze berührt uns mit jenem ſtillen Zauber, den
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uns ſprach, werden wir, Angeſichts dieſer blaurothen Soldateska,
irre an allem, was uns bis dahin die Aufgabe einer neuen Zeit,
als Ziel einer neuen Richtung gegolten hat, und verlegen treten
wir ſeitwärts, um des Anblicks von Dreimaſter und Bortenrock
nach Möglichkeit überhoben zu ſein. Mit Unrecht; nicht die Rich-
tung iſt es, die uns verdrießt, nur das niedrige Kunſtmaß inner-
halb derſelben. Ein Modell der Rauch’ſchen Friedrichsſtatue, eine
Menzel’ſche Hochkirchſchlacht würden uns auch vielleicht frappirt,
aber noch im Augenblicke der Ueberraſchung, durch den Eindruck
auf unſer Gemüth, uns ihre Ebenbürtigkeit bewieſen haben.
Wir verlaſſen nun das Haus und ſeine bildgeſchmückten
Zimmerreihen, um der vielleicht eigenthümlichſten und feſſelndſten
Stätte dieſer an Beſonderem und Abweichendem ſo reichen Beſitzung
zuzuſchreiten — der Begräbnißſtätte. Der Geſchmack der Hum-
boldtſchen Familie (vielleicht auch ein Höheres noch als das) hat
es verſchmäht, in langen Reihen eichener Särge den Tod gleichſam
überdauern und die Aſche der Erde vorenthalten zu wollen. Des
Fortlebens im Geiſte ſicher, durfte ihr Wahlſpruch ſein „Erde zu
Erde.“ Kein Mauſoleum, keine Kirchenkrypta nimmt hier die irdi-
ſchen Ueberreſte auf; ein Hain von Edeltannen friedigt die Be-
gräbnißſtätte ein und in märkiſch-tegelſchem Sande ruhen die Mit-
glieder einer Familie, die, wie kaum eine zweite, dieſen Sand zu
Ruhm und Anſehen gebracht.
Zwei Wege führen vom Schloß aus zu dieſem inmitten
eines Hügelabhangs gelegenen Friedhof hin. Wir wählen die
Lindenallee, die geradlienig durch den Park läuft und zuletzt in
leiſer Biegung zum Tannenwäldchen hinanſteigt. Unmerklich haben
uns die Bäume des Weges bergan geführt, und ehe uns noch
die Frage gekommen, ob und wo wir den Friedhof finden werden,
ſtehen wir bereits inmitten ſeiner Einfriedigung, von dicht und
wandartig ſich erhebenden Tannen nach allen vier Seiten hin
überragt. Das Ganze berührt uns mit jenem ſtillen Zauber, den
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/221>, abgerufen am 26.11.2024.
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