Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite
Vielleicht geschieht's, daß freundliches Gefallen
Vom Untergange kleine Anzahl rette,

und nicht die Resignation der zwei folgenden Zeilen erfüllt hat:

Sonst in des Zeitenstromes breitem Bette
Ist ihr natürlich Loos, schnell zu verhallen.

In der Nähe der Fensterwand steht der Schreibtisch, kein
elegantes Tischchen, sondern ein schwerer, massiver Bau von Maha-
goniholz, ersichtlich "ein Krieger für den Werkeltag." Auf dem
Tisch, und zwar in der Mitte desselben, steht eine antike Doppel-
herme, rechts daneben ein Torso, links aber die berühmte, vom
Maler Asmus Carstens herrührende Statuette einer Parze, die
am Sockel die Namensinschrift des Künstlers und die Jahreszahl
1795 trägt. An der gegenüber liegenden Wand, so daß das Auge
des Schreibers, so oft er aufblickte, darauf fallen mußte, befinden
sich die Statuen der kapitolinischen Venus und der Venus von
Milo, zwischen beiden ein Panorama von Rom und die Constan-
tinsschlacht, nach dem berühmten Raphaelischen Bilde. Die Ge-
sammtheit der in diesem Zimmer vorhandenen Kunstschätze auf-
zählen zu wollen, hieße den Leser ermüden; nur einer Kreidezeich-
nung Thorwaldsens, "Bacchus, welcher dem Amor zu trinken gibt,"
sei noch, ihrer besonderen Lieblichkeit und Grazie halber, erwähnt.

Von den Bildern und Statuen hinweg treten wir jetzt an
die Glas- und Bücherschränke heran, die ihrem Inhalte nach,
wenigstens theilweise, der Humboldtschen Zeit angehören und uns
somit Gelegenheit geben, einen Einblick in die privateren Studien,
selbst in die Unterhaltungslectüre des Gelehrten zu thun. Da haben
wir Byrons Life and works in 17 Bänden, und Adam Smiths
"Wealth of Nations" in drei; Loudons Encyclopaedia of
Gardening
und Cooks Reisen um die Welt; Schleiermachers
Predigten in acht und die Schriften der Rahel in drei Bänden;
Voltaire und Rousseau in zusammen 74 Halbfranzbänden friedlich
neben einander; Goethe in einer Ausgabe von 1817; Bulwers Eugen

Vielleicht geſchieht’s, daß freundliches Gefallen
Vom Untergange kleine Anzahl rette,

und nicht die Reſignation der zwei folgenden Zeilen erfüllt hat:

Sonſt in des Zeitenſtromes breitem Bette
Iſt ihr natürlich Loos, ſchnell zu verhallen.

In der Nähe der Fenſterwand ſteht der Schreibtiſch, kein
elegantes Tiſchchen, ſondern ein ſchwerer, maſſiver Bau von Maha-
goniholz, erſichtlich „ein Krieger für den Werkeltag.“ Auf dem
Tiſch, und zwar in der Mitte deſſelben, ſteht eine antike Doppel-
herme, rechts daneben ein Torſo, links aber die berühmte, vom
Maler Asmus Carſtens herrührende Statuette einer Parze, die
am Sockel die Namensinſchrift des Künſtlers und die Jahreszahl
1795 trägt. An der gegenüber liegenden Wand, ſo daß das Auge
des Schreibers, ſo oft er aufblickte, darauf fallen mußte, befinden
ſich die Statuen der kapitoliniſchen Venus und der Venus von
Milo, zwiſchen beiden ein Panorama von Rom und die Conſtan-
tinsſchlacht, nach dem berühmten Raphaeliſchen Bilde. Die Ge-
ſammtheit der in dieſem Zimmer vorhandenen Kunſtſchätze auf-
zählen zu wollen, hieße den Leſer ermüden; nur einer Kreidezeich-
nung Thorwaldſens, „Bacchus, welcher dem Amor zu trinken gibt,“
ſei noch, ihrer beſonderen Lieblichkeit und Grazie halber, erwähnt.

Von den Bildern und Statuen hinweg treten wir jetzt an
die Glas- und Bücherſchränke heran, die ihrem Inhalte nach,
wenigſtens theilweiſe, der Humboldtſchen Zeit angehören und uns
ſomit Gelegenheit geben, einen Einblick in die privateren Studien,
ſelbſt in die Unterhaltungslectüre des Gelehrten zu thun. Da haben
wir Byrons Life and works in 17 Bänden, und Adam Smiths
„Wealth of Nations“ in drei; Loudons Encyclopaedia of
Gardening
und Cooks Reiſen um die Welt; Schleiermachers
Predigten in acht und die Schriften der Rahel in drei Bänden;
Voltaire und Rouſſeau in zuſammen 74 Halbfranzbänden friedlich
neben einander; Goethe in einer Ausgabe von 1817; Bulwers Eugen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0214" n="196"/>
          <lg type="poem">
            <l>Vielleicht ge&#x017F;chieht&#x2019;s, daß freundliches Gefallen</l><lb/>
            <l>Vom Untergange kleine Anzahl rette,</l>
          </lg><lb/>
          <p>und nicht die Re&#x017F;ignation der zwei folgenden Zeilen erfüllt hat:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Son&#x017F;t in des Zeiten&#x017F;tromes breitem Bette</l><lb/>
            <l>I&#x017F;t ihr natürlich Loos, &#x017F;chnell zu verhallen.</l>
          </lg><lb/>
          <p>In der Nähe der Fen&#x017F;terwand &#x017F;teht der Schreibti&#x017F;ch, kein<lb/>
elegantes Ti&#x017F;chchen, &#x017F;ondern ein &#x017F;chwerer, ma&#x017F;&#x017F;iver Bau von Maha-<lb/>
goniholz, er&#x017F;ichtlich &#x201E;ein Krieger für den Werkeltag.&#x201C; Auf dem<lb/>
Ti&#x017F;ch, und zwar in der Mitte de&#x017F;&#x017F;elben, &#x017F;teht eine antike Doppel-<lb/>
herme, rechts daneben ein Tor&#x017F;o, links aber die berühmte, vom<lb/>
Maler Asmus Car&#x017F;tens herrührende Statuette einer Parze, die<lb/>
am Sockel die Namensin&#x017F;chrift des Kün&#x017F;tlers und die Jahreszahl<lb/>
1795 trägt. An der gegenüber liegenden Wand, &#x017F;o daß das Auge<lb/>
des Schreibers, &#x017F;o oft er aufblickte, darauf fallen mußte, befinden<lb/>
&#x017F;ich die Statuen der kapitolini&#x017F;chen Venus und der Venus von<lb/>
Milo, zwi&#x017F;chen beiden ein Panorama von Rom und die Con&#x017F;tan-<lb/>
tins&#x017F;chlacht, nach dem berühmten Raphaeli&#x017F;chen Bilde. Die Ge-<lb/>
&#x017F;ammtheit der in die&#x017F;em Zimmer vorhandenen Kun&#x017F;t&#x017F;chätze auf-<lb/>
zählen zu wollen, hieße den Le&#x017F;er ermüden; nur einer Kreidezeich-<lb/>
nung Thorwald&#x017F;ens, &#x201E;Bacchus, welcher dem Amor zu trinken gibt,&#x201C;<lb/>
&#x017F;ei noch, ihrer be&#x017F;onderen Lieblichkeit und Grazie halber, erwähnt.</p><lb/>
          <p>Von den Bildern und Statuen hinweg treten wir jetzt an<lb/>
die Glas- und Bücher&#x017F;chränke heran, die ihrem Inhalte nach,<lb/>
wenig&#x017F;tens theilwei&#x017F;e, der Humboldt&#x017F;chen Zeit angehören und uns<lb/>
&#x017F;omit Gelegenheit geben, einen Einblick in die privateren Studien,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t in die Unterhaltungslectüre des Gelehrten zu thun. Da haben<lb/>
wir Byrons <hi rendition="#aq">Life and works</hi> in 17 Bänden, und Adam Smiths<lb/><hi rendition="#aq">&#x201E;Wealth of Nations&#x201C;</hi> in drei; Loudons <hi rendition="#aq">Encyclopaedia of<lb/>
Gardening</hi> und Cooks Rei&#x017F;en um die Welt; Schleiermachers<lb/>
Predigten in acht und die Schriften der Rahel in drei Bänden;<lb/>
Voltaire und Rou&#x017F;&#x017F;eau in zu&#x017F;ammen 74 Halbfranzbänden friedlich<lb/>
neben einander; Goethe in einer Ausgabe von 1817; Bulwers Eugen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0214] Vielleicht geſchieht’s, daß freundliches Gefallen Vom Untergange kleine Anzahl rette, und nicht die Reſignation der zwei folgenden Zeilen erfüllt hat: Sonſt in des Zeitenſtromes breitem Bette Iſt ihr natürlich Loos, ſchnell zu verhallen. In der Nähe der Fenſterwand ſteht der Schreibtiſch, kein elegantes Tiſchchen, ſondern ein ſchwerer, maſſiver Bau von Maha- goniholz, erſichtlich „ein Krieger für den Werkeltag.“ Auf dem Tiſch, und zwar in der Mitte deſſelben, ſteht eine antike Doppel- herme, rechts daneben ein Torſo, links aber die berühmte, vom Maler Asmus Carſtens herrührende Statuette einer Parze, die am Sockel die Namensinſchrift des Künſtlers und die Jahreszahl 1795 trägt. An der gegenüber liegenden Wand, ſo daß das Auge des Schreibers, ſo oft er aufblickte, darauf fallen mußte, befinden ſich die Statuen der kapitoliniſchen Venus und der Venus von Milo, zwiſchen beiden ein Panorama von Rom und die Conſtan- tinsſchlacht, nach dem berühmten Raphaeliſchen Bilde. Die Ge- ſammtheit der in dieſem Zimmer vorhandenen Kunſtſchätze auf- zählen zu wollen, hieße den Leſer ermüden; nur einer Kreidezeich- nung Thorwaldſens, „Bacchus, welcher dem Amor zu trinken gibt,“ ſei noch, ihrer beſonderen Lieblichkeit und Grazie halber, erwähnt. Von den Bildern und Statuen hinweg treten wir jetzt an die Glas- und Bücherſchränke heran, die ihrem Inhalte nach, wenigſtens theilweiſe, der Humboldtſchen Zeit angehören und uns ſomit Gelegenheit geben, einen Einblick in die privateren Studien, ſelbſt in die Unterhaltungslectüre des Gelehrten zu thun. Da haben wir Byrons Life and works in 17 Bänden, und Adam Smiths „Wealth of Nations“ in drei; Loudons Encyclopaedia of Gardening und Cooks Reiſen um die Welt; Schleiermachers Predigten in acht und die Schriften der Rahel in drei Bänden; Voltaire und Rouſſeau in zuſammen 74 Halbfranzbänden friedlich neben einander; Goethe in einer Ausgabe von 1817; Bulwers Eugen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/214
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/214>, abgerufen am 17.05.2024.