Die Hoffnung -- Sie wird mit dem Greis nicht begraben.
Unter den vielen hübsch gelegenen Dörfern, die den Stadtrayon von Berlin nach allen Seiten hin umzirken, steht das Dörfchen Tegel, sowohl seiner reizenden Lage wie seiner historischen Erinne- rungen halber, vielleicht oben an. Jeder kennt es als das Besitz- thum der Familie Humboldt. Das berühmte Brüderpaar, das diesem Fleckchen märkischen Sandes auf Jahrhunderte hin eine Bedeutung leihen und es zur Pilgerstätte für Tausende machen wird, ruht dort gemeinschaftlich zu Füßen einer granitenen Säule, von deren Höhe die Gestalt der "Hoffnung" auf die Gräber beider hernieder blickt.
Tegel liegt anderthalb Meilen nördlich von Berlin. Wer sei- nen Füßen einigermaßen vertrauen kann, thut gut, die ganze Tour zu Fuß zu machen. Die erste Hälfte des Weges führt durch die volkreichste und vielleicht interessanteste der Berliner Vorstädte, durch die sogenannte Oranienburger Vorstadt, die sich, weite Strecken Landes bedeckend, aus Bahnhöfen und Kasernen, aus Kirchhöfen und Eisengießereien zusammensetzt. Diese vier heterogenen Elemente drücken dem ganzen Stadttheil ihren Stempel auf; das Privat- haus ist nur in so weit gelitten, als es jenen vier Machthabern dient. Leichenzüge und Bataillone mit Sang und Klang folgen sich in raschem Wechsel oder begrüßen sich einander; dazwischen
Tegel.
Die Hoffnung — Sie wird mit dem Greis nicht begraben.
Unter den vielen hübſch gelegenen Dörfern, die den Stadtrayon von Berlin nach allen Seiten hin umzirken, ſteht das Dörfchen Tegel, ſowohl ſeiner reizenden Lage wie ſeiner hiſtoriſchen Erinne- rungen halber, vielleicht oben an. Jeder kennt es als das Beſitz- thum der Familie Humboldt. Das berühmte Brüderpaar, das dieſem Fleckchen märkiſchen Sandes auf Jahrhunderte hin eine Bedeutung leihen und es zur Pilgerſtätte für Tauſende machen wird, ruht dort gemeinſchaftlich zu Füßen einer granitenen Säule, von deren Höhe die Geſtalt der „Hoffnung“ auf die Gräber beider hernieder blickt.
Tegel liegt anderthalb Meilen nördlich von Berlin. Wer ſei- nen Füßen einigermaßen vertrauen kann, thut gut, die ganze Tour zu Fuß zu machen. Die erſte Hälfte des Weges führt durch die volkreichſte und vielleicht intereſſanteſte der Berliner Vorſtädte, durch die ſogenannte Oranienburger Vorſtadt, die ſich, weite Strecken Landes bedeckend, aus Bahnhöfen und Kaſernen, aus Kirchhöfen und Eiſengießereien zuſammenſetzt. Dieſe vier heterogenen Elemente drücken dem ganzen Stadttheil ihren Stempel auf; das Privat- haus iſt nur in ſo weit gelitten, als es jenen vier Machthabern dient. Leichenzüge und Bataillone mit Sang und Klang folgen ſich in raſchem Wechſel oder begrüßen ſich einander; dazwiſchen
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Tegel.
Die Hoffnung —
Sie wird mit dem Greis nicht begraben.
Unter den vielen hübſch gelegenen Dörfern, die den Stadtrayon
von Berlin nach allen Seiten hin umzirken, ſteht das Dörfchen
Tegel, ſowohl ſeiner reizenden Lage wie ſeiner hiſtoriſchen Erinne-
rungen halber, vielleicht oben an. Jeder kennt es als das Beſitz-
thum der Familie Humboldt. Das berühmte Brüderpaar, das
dieſem Fleckchen märkiſchen Sandes auf Jahrhunderte hin eine
Bedeutung leihen und es zur Pilgerſtätte für Tauſende machen
wird, ruht dort gemeinſchaftlich zu Füßen einer granitenen Säule,
von deren Höhe die Geſtalt der „Hoffnung“ auf die Gräber beider
hernieder blickt.
Tegel liegt anderthalb Meilen nördlich von Berlin. Wer ſei-
nen Füßen einigermaßen vertrauen kann, thut gut, die ganze Tour
zu Fuß zu machen. Die erſte Hälfte des Weges führt durch die
volkreichſte und vielleicht intereſſanteſte der Berliner Vorſtädte, durch
die ſogenannte Oranienburger Vorſtadt, die ſich, weite Strecken
Landes bedeckend, aus Bahnhöfen und Kaſernen, aus Kirchhöfen
und Eiſengießereien zuſammenſetzt. Dieſe vier heterogenen Elemente
drücken dem ganzen Stadttheil ihren Stempel auf; das Privat-
haus iſt nur in ſo weit gelitten, als es jenen vier Machthabern
dient. Leichenzüge und Bataillone mit Sang und Klang folgen
ſich in raſchem Wechſel oder begrüßen ſich einander; dazwiſchen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. [189]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/207>, abgerufen am 27.11.2024.
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