bewachsenen, niedrigen Damm entlang; so oft wir aber in einen rechts hin abzweigenden Graben einbiegen mußten, ließ er das Boot links auflaufen, sprang hinein, setzte sich als sein eigener Fährmann über und trat dann am anderen Ufer die Weiterreise an. Eine andere Unterbrechung machten die Brücken. Dieselben sind zahlreich im Luch, wie sich bei 71 Meilen Canal-Verbindung denken läßt, und von allereinfachster aber zweckentsprechendster Con- struction. Ein dicker, mächtiger Baumstamm unterhält die Verbin- dung zwischen beiden Ufern und würde wirklich ohne alle weitere Zuthat die ganze Ueberbrückung ausmachen, wenn nicht die vielen mit Mast und Segel des Weges kommenden Torfkähne es nöthig machten, daß man den im Wege liegenden Brückenbalken auch ohne Mühe beseitigen könne. Zu diesem Behuf ruhen die Balken auf einer Art Drehscheibe, und die Kraft zweier Hände reicht völlig aus, den Brückenbaum nach rechts oder links hin aus dem Wege zu schaffen.
Die unzähligen Wasserarme, die das Grün durchschneiden, geben der Landschaft viel von dem Charakter des Spreewaldes und erinnern uns mehr denn einmal an das Netz von Gräben und Canälen, das die fruchtbaren Landstriche zwischen Lehde und Leipe, den beiden Dörfern des Spreewaldes, durchzieht. Aber bei aller Aehnlichkeit haben das Luch und der Spreewald doch ihre Sonderzüge, die beide Sumpfgegenden wieder wesentlich von ein- ander scheiden. Der Spreewald ist bunter, reicher, schöner; in sei- ner Grundanlage dem Luch allerdings verwandt, hat das Leben doch überall Besitz von ihm genommen und hat seine heiteren Bilder in den einfach grünen Teppich eingewoben. Dörfer tauchen auf, bunte Kähne gleiten den Fluß entlang, Blumen ranken sich um Haus und Hütte, und weidende Heerden und singende Menschen unterbrechen die Stille, die auf der Landschaft liegt. Nicht so im Luch. Der einfach grüne Grund des Teppichs ist noch ganz er selbst geblieben; das Leben ist nur ein Gast hier, und der Mensch, ein paar Torfhütten und ihre Bewohner abgerechnet, stieg in die- sen Moorgrund nur hinab, um ihn auszunutzen, nicht um auf ihm zu leben. Einsamkeit ist der Charakter des Luch's. Nur vom
bewachſenen, niedrigen Damm entlang; ſo oft wir aber in einen rechts hin abzweigenden Graben einbiegen mußten, ließ er das Boot links auflaufen, ſprang hinein, ſetzte ſich als ſein eigener Fährmann über und trat dann am anderen Ufer die Weiterreiſe an. Eine andere Unterbrechung machten die Brücken. Dieſelben ſind zahlreich im Luch, wie ſich bei 71 Meilen Canal-Verbindung denken läßt, und von allereinfachſter aber zweckentſprechendſter Con- ſtruction. Ein dicker, mächtiger Baumſtamm unterhält die Verbin- dung zwiſchen beiden Ufern und würde wirklich ohne alle weitere Zuthat die ganze Ueberbrückung ausmachen, wenn nicht die vielen mit Maſt und Segel des Weges kommenden Torfkähne es nöthig machten, daß man den im Wege liegenden Brückenbalken auch ohne Mühe beſeitigen könne. Zu dieſem Behuf ruhen die Balken auf einer Art Drehſcheibe, und die Kraft zweier Hände reicht völlig aus, den Brückenbaum nach rechts oder links hin aus dem Wege zu ſchaffen.
Die unzähligen Waſſerarme, die das Grün durchſchneiden, geben der Landſchaft viel von dem Charakter des Spreewaldes und erinnern uns mehr denn einmal an das Netz von Gräben und Canälen, das die fruchtbaren Landſtriche zwiſchen Lehde und Leipe, den beiden Dörfern des Spreewaldes, durchzieht. Aber bei aller Aehnlichkeit haben das Luch und der Spreewald doch ihre Sonderzüge, die beide Sumpfgegenden wieder weſentlich von ein- ander ſcheiden. Der Spreewald iſt bunter, reicher, ſchöner; in ſei- ner Grundanlage dem Luch allerdings verwandt, hat das Leben doch überall Beſitz von ihm genommen und hat ſeine heiteren Bilder in den einfach grünen Teppich eingewoben. Dörfer tauchen auf, bunte Kähne gleiten den Fluß entlang, Blumen ranken ſich um Haus und Hütte, und weidende Heerden und ſingende Menſchen unterbrechen die Stille, die auf der Landſchaft liegt. Nicht ſo im Luch. Der einfach grüne Grund des Teppichs iſt noch ganz er ſelbſt geblieben; das Leben iſt nur ein Gaſt hier, und der Menſch, ein paar Torfhütten und ihre Bewohner abgerechnet, ſtieg in die- ſen Moorgrund nur hinab, um ihn auszunutzen, nicht um auf ihm zu leben. Einſamkeit iſt der Charakter des Luch’s. Nur vom
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0201"n="183"/>
bewachſenen, niedrigen Damm entlang; ſo oft wir aber in einen<lb/>
rechts hin abzweigenden Graben einbiegen mußten, ließ er das<lb/>
Boot links auflaufen, ſprang hinein, ſetzte ſich als ſein eigener<lb/>
Fährmann über und trat dann am anderen Ufer die Weiterreiſe<lb/>
an. Eine andere Unterbrechung machten die Brücken. Dieſelben<lb/>ſind zahlreich im Luch, wie ſich bei 71 Meilen Canal-Verbindung<lb/>
denken läßt, und von allereinfachſter aber zweckentſprechendſter Con-<lb/>ſtruction. Ein dicker, mächtiger Baumſtamm unterhält die Verbin-<lb/>
dung zwiſchen beiden Ufern und würde wirklich ohne alle weitere<lb/>
Zuthat die ganze Ueberbrückung ausmachen, wenn nicht die vielen<lb/>
mit Maſt und Segel des Weges kommenden Torfkähne es nöthig<lb/>
machten, daß man den im Wege liegenden Brückenbalken auch ohne<lb/>
Mühe beſeitigen könne. Zu dieſem Behuf ruhen die Balken auf<lb/>
einer Art Drehſcheibe, und die Kraft zweier Hände reicht völlig<lb/>
aus, den Brückenbaum nach rechts oder links hin aus dem Wege<lb/>
zu ſchaffen.</p><lb/><p>Die unzähligen Waſſerarme, die das Grün durchſchneiden,<lb/>
geben der Landſchaft viel von dem Charakter des Spreewaldes<lb/>
und erinnern uns mehr denn einmal an das Netz von Gräben<lb/>
und Canälen, das die fruchtbaren Landſtriche zwiſchen Lehde und<lb/>
Leipe, den beiden Dörfern des Spreewaldes, durchzieht. Aber bei<lb/>
aller Aehnlichkeit haben das Luch und der Spreewald doch ihre<lb/>
Sonderzüge, die beide Sumpfgegenden wieder weſentlich von ein-<lb/>
ander ſcheiden. Der Spreewald iſt bunter, reicher, ſchöner; in ſei-<lb/>
ner Grundanlage dem Luch allerdings verwandt, hat das Leben doch<lb/>
überall Beſitz von ihm genommen und hat ſeine heiteren Bilder<lb/>
in den einfach grünen Teppich eingewoben. Dörfer tauchen auf,<lb/>
bunte Kähne gleiten den Fluß entlang, Blumen ranken ſich um<lb/>
Haus und Hütte, und weidende Heerden und ſingende Menſchen<lb/>
unterbrechen die Stille, die auf der Landſchaft liegt. Nicht ſo im<lb/>
Luch. Der einfach grüne Grund des Teppichs iſt noch ganz er<lb/>ſelbſt geblieben; das Leben iſt nur ein Gaſt hier, und der Menſch,<lb/>
ein paar Torfhütten und ihre Bewohner abgerechnet, ſtieg in die-<lb/>ſen Moorgrund nur hinab, um ihn auszunutzen, nicht um auf<lb/>
ihm zu leben. Einſamkeit iſt der Charakter des Luch’s. Nur vom<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[183/0201]
bewachſenen, niedrigen Damm entlang; ſo oft wir aber in einen
rechts hin abzweigenden Graben einbiegen mußten, ließ er das
Boot links auflaufen, ſprang hinein, ſetzte ſich als ſein eigener
Fährmann über und trat dann am anderen Ufer die Weiterreiſe
an. Eine andere Unterbrechung machten die Brücken. Dieſelben
ſind zahlreich im Luch, wie ſich bei 71 Meilen Canal-Verbindung
denken läßt, und von allereinfachſter aber zweckentſprechendſter Con-
ſtruction. Ein dicker, mächtiger Baumſtamm unterhält die Verbin-
dung zwiſchen beiden Ufern und würde wirklich ohne alle weitere
Zuthat die ganze Ueberbrückung ausmachen, wenn nicht die vielen
mit Maſt und Segel des Weges kommenden Torfkähne es nöthig
machten, daß man den im Wege liegenden Brückenbalken auch ohne
Mühe beſeitigen könne. Zu dieſem Behuf ruhen die Balken auf
einer Art Drehſcheibe, und die Kraft zweier Hände reicht völlig
aus, den Brückenbaum nach rechts oder links hin aus dem Wege
zu ſchaffen.
Die unzähligen Waſſerarme, die das Grün durchſchneiden,
geben der Landſchaft viel von dem Charakter des Spreewaldes
und erinnern uns mehr denn einmal an das Netz von Gräben
und Canälen, das die fruchtbaren Landſtriche zwiſchen Lehde und
Leipe, den beiden Dörfern des Spreewaldes, durchzieht. Aber bei
aller Aehnlichkeit haben das Luch und der Spreewald doch ihre
Sonderzüge, die beide Sumpfgegenden wieder weſentlich von ein-
ander ſcheiden. Der Spreewald iſt bunter, reicher, ſchöner; in ſei-
ner Grundanlage dem Luch allerdings verwandt, hat das Leben doch
überall Beſitz von ihm genommen und hat ſeine heiteren Bilder
in den einfach grünen Teppich eingewoben. Dörfer tauchen auf,
bunte Kähne gleiten den Fluß entlang, Blumen ranken ſich um
Haus und Hütte, und weidende Heerden und ſingende Menſchen
unterbrechen die Stille, die auf der Landſchaft liegt. Nicht ſo im
Luch. Der einfach grüne Grund des Teppichs iſt noch ganz er
ſelbſt geblieben; das Leben iſt nur ein Gaſt hier, und der Menſch,
ein paar Torfhütten und ihre Bewohner abgerechnet, ſtieg in die-
ſen Moorgrund nur hinab, um ihn auszunutzen, nicht um auf
ihm zu leben. Einſamkeit iſt der Charakter des Luch’s. Nur vom
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/201>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.