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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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bewachsenen, niedrigen Damm entlang; so oft wir aber in einen
rechts hin abzweigenden Graben einbiegen mußten, ließ er das
Boot links auflaufen, sprang hinein, setzte sich als sein eigener
Fährmann über und trat dann am anderen Ufer die Weiterreise
an. Eine andere Unterbrechung machten die Brücken. Dieselben
sind zahlreich im Luch, wie sich bei 71 Meilen Canal-Verbindung
denken läßt, und von allereinfachster aber zweckentsprechendster Con-
struction. Ein dicker, mächtiger Baumstamm unterhält die Verbin-
dung zwischen beiden Ufern und würde wirklich ohne alle weitere
Zuthat die ganze Ueberbrückung ausmachen, wenn nicht die vielen
mit Mast und Segel des Weges kommenden Torfkähne es nöthig
machten, daß man den im Wege liegenden Brückenbalken auch ohne
Mühe beseitigen könne. Zu diesem Behuf ruhen die Balken auf
einer Art Drehscheibe, und die Kraft zweier Hände reicht völlig
aus, den Brückenbaum nach rechts oder links hin aus dem Wege
zu schaffen.

Die unzähligen Wasserarme, die das Grün durchschneiden,
geben der Landschaft viel von dem Charakter des Spreewaldes
und erinnern uns mehr denn einmal an das Netz von Gräben
und Canälen, das die fruchtbaren Landstriche zwischen Lehde und
Leipe, den beiden Dörfern des Spreewaldes, durchzieht. Aber bei
aller Aehnlichkeit haben das Luch und der Spreewald doch ihre
Sonderzüge, die beide Sumpfgegenden wieder wesentlich von ein-
ander scheiden. Der Spreewald ist bunter, reicher, schöner; in sei-
ner Grundanlage dem Luch allerdings verwandt, hat das Leben doch
überall Besitz von ihm genommen und hat seine heiteren Bilder
in den einfach grünen Teppich eingewoben. Dörfer tauchen auf,
bunte Kähne gleiten den Fluß entlang, Blumen ranken sich um
Haus und Hütte, und weidende Heerden und singende Menschen
unterbrechen die Stille, die auf der Landschaft liegt. Nicht so im
Luch. Der einfach grüne Grund des Teppichs ist noch ganz er
selbst geblieben; das Leben ist nur ein Gast hier, und der Mensch,
ein paar Torfhütten und ihre Bewohner abgerechnet, stieg in die-
sen Moorgrund nur hinab, um ihn auszunutzen, nicht um auf
ihm zu leben. Einsamkeit ist der Charakter des Luch's. Nur vom

bewachſenen, niedrigen Damm entlang; ſo oft wir aber in einen
rechts hin abzweigenden Graben einbiegen mußten, ließ er das
Boot links auflaufen, ſprang hinein, ſetzte ſich als ſein eigener
Fährmann über und trat dann am anderen Ufer die Weiterreiſe
an. Eine andere Unterbrechung machten die Brücken. Dieſelben
ſind zahlreich im Luch, wie ſich bei 71 Meilen Canal-Verbindung
denken läßt, und von allereinfachſter aber zweckentſprechendſter Con-
ſtruction. Ein dicker, mächtiger Baumſtamm unterhält die Verbin-
dung zwiſchen beiden Ufern und würde wirklich ohne alle weitere
Zuthat die ganze Ueberbrückung ausmachen, wenn nicht die vielen
mit Maſt und Segel des Weges kommenden Torfkähne es nöthig
machten, daß man den im Wege liegenden Brückenbalken auch ohne
Mühe beſeitigen könne. Zu dieſem Behuf ruhen die Balken auf
einer Art Drehſcheibe, und die Kraft zweier Hände reicht völlig
aus, den Brückenbaum nach rechts oder links hin aus dem Wege
zu ſchaffen.

Die unzähligen Waſſerarme, die das Grün durchſchneiden,
geben der Landſchaft viel von dem Charakter des Spreewaldes
und erinnern uns mehr denn einmal an das Netz von Gräben
und Canälen, das die fruchtbaren Landſtriche zwiſchen Lehde und
Leipe, den beiden Dörfern des Spreewaldes, durchzieht. Aber bei
aller Aehnlichkeit haben das Luch und der Spreewald doch ihre
Sonderzüge, die beide Sumpfgegenden wieder weſentlich von ein-
ander ſcheiden. Der Spreewald iſt bunter, reicher, ſchöner; in ſei-
ner Grundanlage dem Luch allerdings verwandt, hat das Leben doch
überall Beſitz von ihm genommen und hat ſeine heiteren Bilder
in den einfach grünen Teppich eingewoben. Dörfer tauchen auf,
bunte Kähne gleiten den Fluß entlang, Blumen ranken ſich um
Haus und Hütte, und weidende Heerden und ſingende Menſchen
unterbrechen die Stille, die auf der Landſchaft liegt. Nicht ſo im
Luch. Der einfach grüne Grund des Teppichs iſt noch ganz er
ſelbſt geblieben; das Leben iſt nur ein Gaſt hier, und der Menſch,
ein paar Torfhütten und ihre Bewohner abgerechnet, ſtieg in die-
ſen Moorgrund nur hinab, um ihn auszunutzen, nicht um auf
ihm zu leben. Einſamkeit iſt der Charakter des Luch’s. Nur vom

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[183/0201] bewachſenen, niedrigen Damm entlang; ſo oft wir aber in einen rechts hin abzweigenden Graben einbiegen mußten, ließ er das Boot links auflaufen, ſprang hinein, ſetzte ſich als ſein eigener Fährmann über und trat dann am anderen Ufer die Weiterreiſe an. Eine andere Unterbrechung machten die Brücken. Dieſelben ſind zahlreich im Luch, wie ſich bei 71 Meilen Canal-Verbindung denken läßt, und von allereinfachſter aber zweckentſprechendſter Con- ſtruction. Ein dicker, mächtiger Baumſtamm unterhält die Verbin- dung zwiſchen beiden Ufern und würde wirklich ohne alle weitere Zuthat die ganze Ueberbrückung ausmachen, wenn nicht die vielen mit Maſt und Segel des Weges kommenden Torfkähne es nöthig machten, daß man den im Wege liegenden Brückenbalken auch ohne Mühe beſeitigen könne. Zu dieſem Behuf ruhen die Balken auf einer Art Drehſcheibe, und die Kraft zweier Hände reicht völlig aus, den Brückenbaum nach rechts oder links hin aus dem Wege zu ſchaffen. Die unzähligen Waſſerarme, die das Grün durchſchneiden, geben der Landſchaft viel von dem Charakter des Spreewaldes und erinnern uns mehr denn einmal an das Netz von Gräben und Canälen, das die fruchtbaren Landſtriche zwiſchen Lehde und Leipe, den beiden Dörfern des Spreewaldes, durchzieht. Aber bei aller Aehnlichkeit haben das Luch und der Spreewald doch ihre Sonderzüge, die beide Sumpfgegenden wieder weſentlich von ein- ander ſcheiden. Der Spreewald iſt bunter, reicher, ſchöner; in ſei- ner Grundanlage dem Luch allerdings verwandt, hat das Leben doch überall Beſitz von ihm genommen und hat ſeine heiteren Bilder in den einfach grünen Teppich eingewoben. Dörfer tauchen auf, bunte Kähne gleiten den Fluß entlang, Blumen ranken ſich um Haus und Hütte, und weidende Heerden und ſingende Menſchen unterbrechen die Stille, die auf der Landſchaft liegt. Nicht ſo im Luch. Der einfach grüne Grund des Teppichs iſt noch ganz er ſelbſt geblieben; das Leben iſt nur ein Gaſt hier, und der Menſch, ein paar Torfhütten und ihre Bewohner abgerechnet, ſtieg in die- ſen Moorgrund nur hinab, um ihn auszunutzen, nicht um auf ihm zu leben. Einſamkeit iſt der Charakter des Luch’s. Nur vom

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/201>, abgerufen am 27.11.2024.