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Fleming, Paul: Teütsche Poemata. Lübeck, [1642].

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Anderes Buch.
Nehmt hin den Mutter Brief/ den ich/ wo seine Wellen
mit sturme wirffet aus mein deutscher Ozean/
So weit von eurer Stadt/ inn tieffsten unglücks-fällen/
aus zwange meiner Noht und Harms/ an euch getahn.
Da seht mein Elend ab. Jch wolt' und solte schreiben/
doch hatt' ich gleichwohl nicht/ was Dint' und Feeder ist.
Jch must ein schwartzes Klooß inn meine Trähnen reiben.
Die Feeder war ein Rohr. Diß ist mein Schreib-gerüst'.
Jch kunte kümmerlich von einer Büche scheelen
die zache Rinde weg. Und diß ist mein Pappier.
Jch satzte mich alßbald zu einer liechten Hölen.
Mein Schreib-pult war das Knie. Solch arm seyn
ist bey mier.
Hier muß ich arme Frau von meinen schönen Sitzen/
Von meinem groossen Reich' und Völkern außgejaagt/
Zu euserst meines Lands/ bey kaltem Winde schwitzen.
Hier muß ich klagen selbst/ so ich will seyn beklaagt.
Jch habe mier gebaut von außgedorrtem Schilffe
Ein ach wie schlechtes Hauß/ inn dem ich wohnend binn.
Diß muß mier armen seyn für Reegen eine Hülffe.
Kömt denn ein schwacher Wind/ der bläst es gar dahinn.
Jch leeb' inn steter Furcht. Hier schläget mich das schrecken/
Dort ängstet mich ein Wild. Jch muß alleine seyn
Von Zofen unbedient. Jch kann mich nehrlich decken
Mit dem geflickten Rock'. Hinn ist mein erster Schein.
Der Wald der muß mich itzt mit rohen Wurtzeln nehren/
Mier ist der nasse Mooß an statt Zitronen Safft.
Jch schöpffe mit der Hand/ dem durste nur zu wehren/
das trübe Wasser auff. Diß sol mier gäben Krafft.
Die Glieder werden welk/ das Fleisch ist abgeschwunden.
Die Sorge macht mich alt/ eh' es noch zeit ist doch.
Es ekkelt mier für mier/ der Runtzeln-schlaffe Wunden
Verstellen meine Haut. Die Schwindsucht frißt mich
noch.
Die Stirne schrumpelt aus. Die tieffen Schläffe grauen.
Die Augen fallen ein. Die Zähne stehen looß'.
Ach!
H
Anderes Buch.
Nehmt hin den Mutter Brief/ den ich/ wo ſeine Wellen
mit ſturme wirffet aus mein deutſcher Ozean/
So weit von eurer Stadt/ inn tieffſten ungluͤcks-faͤllen/
aus zwange meiner Noht und Harms/ an euch getahn.
Da ſeht mein Elend ab. Jch wolt’ und ſolte ſchreiben/
doch hatt’ ich gleichwohl nicht/ was Dint’ und Feeder iſt.
Jch muſt ein ſchwartzes Klooß inn meine Traͤhnen reiben.
Die Feeder war ein Rohr. Diß iſt mein Schreib-geruͤſt’.
Jch kunte kuͤmmerlich von einer Buͤche ſcheelen
die zache Rinde weg. Und diß iſt mein Pappier.
Jch ſatzte mich alßbald zu einer liechten Hoͤlen.
Mein Schreib-pult war das Knie. Solch arm ſeyn
iſt bey mier.
Hier muß ich arme Frau von meinen ſchoͤnen Sitzen/
Von meinem grooſſen Reich’ und Voͤlkern außgejaagt/
Zu euſerſt meines Lands/ bey kaltem Winde ſchwitzen.
Hier muß ich klagen ſelbſt/ ſo ich will ſeyn beklaagt.
Jch habe mier gebaut von außgedorꝛtem Schilffe
Ein ach wie ſchlechtes Hauß/ inn dem ich wohnend binn.
Diß muß mier armen ſeyn fuͤr Reegen eine Huͤlffe.
Koͤmt denn ein ſchwacher Wind/ der blaͤſt es gar dahinn.
Jch leeb’ inn ſteter Furcht. Hier ſchlaͤget mich das ſchrecken/
Dort aͤngſtet mich ein Wild. Jch muß alleine ſeyn
Von Zofen unbedient. Jch kann mich nehrlich decken
Mit dem geflickten Rock’. Hinn iſt mein erſter Schein.
Der Wald der muß mich itzt mit rohen Wurtzeln nehren/
Mier iſt der naſſe Mooß an ſtatt Zitronen Safft.
Jch ſchoͤpffe mit der Hand/ dem durſte nur zu wehren/
das truͤbe Waſſer auff. Diß ſol mier gaͤben Krafft.
Die Glieder werden welk/ das Fleiſch iſt abgeſchwunden.
Die Sorge macht mich alt/ eh’ es noch zeit iſt doch.
Es ekkelt mier fuͤr mier/ der Runtzeln-ſchlaffe Wunden
Verſtellen meine Haut. Die Schwindſucht frißt mich
noch.
Die Stirne ſchrumpelt aus. Die tieffen Schlaͤffe grauen.
Die Augen fallen ein. Die Zaͤhne ſtehen looß’.
Ach!
H
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[113/0133] Anderes Buch. Nehmt hin den Mutter Brief/ den ich/ wo ſeine Wellen mit ſturme wirffet aus mein deutſcher Ozean/ So weit von eurer Stadt/ inn tieffſten ungluͤcks-faͤllen/ aus zwange meiner Noht und Harms/ an euch getahn. Da ſeht mein Elend ab. Jch wolt’ und ſolte ſchreiben/ doch hatt’ ich gleichwohl nicht/ was Dint’ und Feeder iſt. Jch muſt ein ſchwartzes Klooß inn meine Traͤhnen reiben. Die Feeder war ein Rohr. Diß iſt mein Schreib-geruͤſt’. Jch kunte kuͤmmerlich von einer Buͤche ſcheelen die zache Rinde weg. Und diß iſt mein Pappier. Jch ſatzte mich alßbald zu einer liechten Hoͤlen. Mein Schreib-pult war das Knie. Solch arm ſeyn iſt bey mier. Hier muß ich arme Frau von meinen ſchoͤnen Sitzen/ Von meinem grooſſen Reich’ und Voͤlkern außgejaagt/ Zu euſerſt meines Lands/ bey kaltem Winde ſchwitzen. Hier muß ich klagen ſelbſt/ ſo ich will ſeyn beklaagt. Jch habe mier gebaut von außgedorꝛtem Schilffe Ein ach wie ſchlechtes Hauß/ inn dem ich wohnend binn. Diß muß mier armen ſeyn fuͤr Reegen eine Huͤlffe. Koͤmt denn ein ſchwacher Wind/ der blaͤſt es gar dahinn. Jch leeb’ inn ſteter Furcht. Hier ſchlaͤget mich das ſchrecken/ Dort aͤngſtet mich ein Wild. Jch muß alleine ſeyn Von Zofen unbedient. Jch kann mich nehrlich decken Mit dem geflickten Rock’. Hinn iſt mein erſter Schein. Der Wald der muß mich itzt mit rohen Wurtzeln nehren/ Mier iſt der naſſe Mooß an ſtatt Zitronen Safft. Jch ſchoͤpffe mit der Hand/ dem durſte nur zu wehren/ das truͤbe Waſſer auff. Diß ſol mier gaͤben Krafft. Die Glieder werden welk/ das Fleiſch iſt abgeſchwunden. Die Sorge macht mich alt/ eh’ es noch zeit iſt doch. Es ekkelt mier fuͤr mier/ der Runtzeln-ſchlaffe Wunden Verſtellen meine Haut. Die Schwindſucht frißt mich noch. Die Stirne ſchrumpelt aus. Die tieffen Schlaͤffe grauen. Die Augen fallen ein. Die Zaͤhne ſtehen looß’. Ach! H

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Zitationshilfe: Fleming, Paul: Teütsche Poemata. Lübeck, [1642], S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_poemata_1642/133>, abgerufen am 24.11.2024.