Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.Von denen wilden Thieren. [Spaltenumbruch]
jährliche Frischlinge genennet; So sieverfolget werden, fliehen sie zu denen Grossen, bleibet aber die Bache gelde, welches ihnen sehr dienlich ist zu ihrem Wachsthumb, halten sie sich bey ihrer Mutter auff und suchen Schutz und Hülf- fe bey derselben. Sie nehren sich eben- falls mit der Alten in denen Sommer- Feldern von Hiersche, Heydekorn und anderm Geträyde: Des Herbsts aber vom Feld-Obst und andern Mastungen: Derer Hamster und Feld-Mäuse Be- hältnisse und Löcher, worinnen sie un- terschiedlich Geträyde finden, werden auch von ihnen zum öfftern visitiret. Jm andern Jahre sind sie zur Brunfft noch nicht tüchtig, und wann die Satz-Zeit kömmt, werden sie zweyjährigte Frisch- linge genennet: Jm dritten Jahre, nach- dem ihre Natur und Nahrung gewesen, und nicht viel Hunger des Winters aus- stehen müssen, oder in der Jugend ver- buttet sind, da ihnen denn nichts gefeh- let, werden sie im Herbst und November vollkommen angesprochen und in ihrer Brunfft das Schwein ein Käuler, die Sau aber eine Bache genannt: Dann werden sie sehr hochmüthig, und erschrecken nicht leichtlich. Jhre Ge- wehr oder Fänge stehen ihnen insge- mein eines guten Daumen breits scharff und spitzig neben aus und sind in sol- chen Jahren die ärgsten Hunde-Schlä- ger. Jm vierdten Jahre aber wer- den sie angehende Schweine genennet: Solche sind schon stärcker, am Gewehr zwey Finger breit, reissen nicht leicht aus. Die Spohren am Gefährd sind breiter, sie sind auch sehr geschwind, a- ber noch behertzter als die Käuler, und können die Hunde vorsichtig machen. Und weiln sie sich nun starck befinden, sehr trotzig und verwegen sind, reisen sie des Sommers und Herbsts durch Fel- der und Wälder nach ihrer Nahrung Tag und Nacht auf zehen Meilen in ei- nem Trab fort; Ob sie auch schon Nah- rung und Behältnisse vor sich antreffen, bleiben sie dennoch nicht über zwey oder drey Tage lang, sondern brechen auf und machen sich weiter fort. Jm fünfften Jahre werden sie hauende Schweine ge- nennet. Jhre Brunfft geschicht mei- stentheils im Christ-Monath, nachdem die Kälte und Fröste kommen und sie gu- te Mast gehabt, oder feiste worden sind, woraus sie geil werden: Die grossen las- sen ebenfalls die jungen Käuler nicht [Spaltenumbruch] darzu, werden hitzig, schäumen und we- tzen mit ihrem Gewehr, suhlen sich in Mo- rast und Pfützen und reiben sich hernach an die Bäume, woraus man ihre Höhe, wie auch die Grösse an der Suhle erken- nen kan. Die hauende Schweine sind nun am allerkühnsten, absonderlich in jagen und hetzen, wann sie erhitzet wer- den. Jhr Gewehr ist drey Finger breit lang heraus stehend, sehr scharff und spitzig; Was sie nur sehen, darauf gehen sie loß, und schonen nichts, es seyen Men- schen, Pferde oder Hunde. Sie haben grosse Stärcke, werden sie ja mit grosser Mühe endlich zur Flucht gebracht und sehen einen Brudel, Dickigt oder Mo- rast, setzen sie sich hinein, fahren heraus, und schlagen alles, was sie antreffen, lahm und zu Schanden, oder gar todt. Solche Schweine, wo sie sich aufhalten, sonderlich in der Brunfft, geben einen starcken süßlichen Geruch von sich. Das Lager, so insgemein in grossen Behält- nissen, Bruch und Löchern, oder grossen Dickigten ist, können sie gar weich ma- chen von Mooß, so sie im Rüßel herzu tragen: So jemand zum Lager kömmt, oder hinein tritt, kömmt es sobalde nicht wieder und machet sich ein anders, biß es mercket, daß lange Zeit daselbst Nie- mand gewesen, oder hinkommen. Jhre Brunfft-Zeit währet ungefehr vier Wo- chen, nachdem viel Obst und Mastung daselbst verhanden, und brunfften die al- ten zeitlicher, als die jungen, dahero können sie nicht zu einer Zeit setzen, und gehet eine Bache wie bereits oben gedacht, achtzehen biß zwantzig Wochen nach der Brunfft, ehe sie setzet, also nicht so lange, als das rothe Wild; die Ursache ist, weil die Bachen von hitzigerer Natur sind, als das Roth-Wild. Die hauende Schwei- ne, so sich einander gewachsen sind, kämpf- fen auch, doch auff eine andere Art, als die Hirsche, dann sie fahren zusammen, lehnen sich mit dem Rücken hart an, schla- gen einander auff die Vorder-Blätter mit dem Gewehr, hauen sich viele Ritzen und tieffe Schläge ein, daß wohl öffters manche im Kämpffen und solchem Streit lahm, beschädiget, oder wohl gar todt geschlagen werden, so es aber dennoch wohl abgehet, schwellen sie auff ihren Schultern und wann wiederum neue Schläge darzu kommen, reiben sie sich an das Hartz und heylen sich mit der Zeit wieder aus, davon sie eine dicke Haut kriegen, welche als ein Pantzer feste ver- wächset. N 2
Von denen wilden Thieren. [Spaltenumbruch]
jaͤhrliche Friſchlinge genennet; So ſieverfolget werden, fliehen ſie zu denen Groſſen, bleibet aber die Bache gelde, welches ihnen ſehr dienlich iſt zu ihrem Wachsthumb, halten ſie ſich bey ihrer Mutter auff und ſuchen Schutz und Huͤlf- fe bey derſelben. Sie nehren ſich eben- falls mit der Alten in denen Sommer- Feldern von Hierſche, Heydekorn und anderm Getraͤyde: Des Herbſts aber vom Feld-Obſt und andern Maſtungen: Derer Hamſter und Feld-Maͤuſe Be- haͤltniſſe und Loͤcher, worinnen ſie un- terſchiedlich Getraͤyde finden, werden auch von ihnen zum oͤfftern viſitiret. Jm andern Jahre ſind ſie zur Brunfft noch nicht tuͤchtig, und wann die Satz-Zeit koͤmmt, werden ſie zweyjaͤhrigte Friſch- linge genennet: Jm dritten Jahre, nach- dem ihre Natur und Nahrung geweſen, und nicht viel Hunger des Winters aus- ſtehen muͤſſen, oder in der Jugend ver- buttet ſind, da ihnen denn nichts gefeh- let, werden ſie im Herbſt und November vollkommen angeſprochen und in ihrer Brunfft das Schwein ein Kaͤuler, die Sau aber eine Bache genannt: Dann werden ſie ſehr hochmuͤthig, und erſchrecken nicht leichtlich. Jhre Ge- wehr oder Faͤnge ſtehen ihnen insge- mein eines guten Daumen breits ſcharff und ſpitzig neben aus und ſind in ſol- chen Jahren die aͤrgſten Hunde-Schlaͤ- ger. Jm vierdten Jahre aber wer- den ſie angehende Schweine genennet: Solche ſind ſchon ſtaͤrcker, am Gewehr zwey Finger breit, reiſſen nicht leicht aus. Die Spohren am Gefaͤhrd ſind breiter, ſie ſind auch ſehr geſchwind, a- ber noch behertzter als die Kaͤuler, und koͤnnen die Hunde vorſichtig machen. Und weiln ſie ſich nun ſtarck befinden, ſehr trotzig und verwegen ſind, reiſen ſie des Sommers und Herbſts durch Fel- der und Waͤlder nach ihrer Nahrung Tag und Nacht auf zehen Meilen in ei- nem Trab fort; Ob ſie auch ſchon Nah- rung und Behaͤltniſſe vor ſich antreffen, bleiben ſie dennoch nicht uͤber zwey oder drey Tage lang, ſondern brechen auf und machen ſich weiter fort. Jm fuͤnfften Jahre werden ſie hauende Schweine ge- nennet. Jhre Brunfft geſchicht mei- ſtentheils im Chriſt-Monath, nachdem die Kaͤlte und Froͤſte kommen und ſie gu- te Maſt gehabt, oder feiſte worden ſind, woraus ſie geil werden: Die groſſen laſ- ſen ebenfalls die jungen Kaͤuler nicht [Spaltenumbruch] darzu, werden hitzig, ſchaͤumen und we- tzen mit ihrem Gewehr, ſuhlen ſich in Mo- raſt und Pfuͤtzen und reiben ſich hernach an die Baͤume, woraus man ihre Hoͤhe, wie auch die Groͤſſe an der Suhle erken- nen kan. Die hauende Schweine ſind nun am allerkuͤhnſten, abſonderlich in jagen und hetzen, wann ſie erhitzet wer- den. Jhr Gewehr iſt drey Finger breit lang heraus ſtehend, ſehr ſcharff und ſpitzig; Was ſie nur ſehen, darauf gehen ſie loß, und ſchonen nichts, es ſeyen Men- ſchen, Pferde oder Hunde. Sie haben groſſe Staͤrcke, werden ſie ja mit groſſer Muͤhe endlich zur Flucht gebracht und ſehen einen Brudel, Dickigt oder Mo- raſt, ſetzen ſie ſich hinein, fahren heraus, und ſchlagen alles, was ſie antreffen, lahm und zu Schanden, oder gar todt. Solche Schweine, wo ſie ſich aufhalten, ſonderlich in der Brunfft, geben einen ſtarcken ſuͤßlichen Geruch von ſich. Das Lager, ſo insgemein in groſſen Behaͤlt- niſſen, Bruch und Loͤchern, oder groſſen Dickigten iſt, koͤnnen ſie gar weich ma- chen von Mooß, ſo ſie im Ruͤßel herzu tragen: So jemand zum Lager koͤmmt, oder hinein tritt, koͤmmt es ſobalde nicht wieder und machet ſich ein anders, biß es mercket, daß lange Zeit daſelbſt Nie- mand geweſen, oder hinkommen. Jhre Brunfft-Zeit waͤhret ungefehr vier Wo- chen, nachdem viel Obſt und Maſtung daſelbſt verhanden, und brunfften die al- ten zeitlicher, als die jungen, dahero koͤnnen ſie nicht zu einer Zeit ſetzen, und gehet eine Bache wie bereits oben gedacht, achtzehen biß zwantzig Wochen nach der Brunfft, ehe ſie ſetzet, alſo nicht ſo lange, als das rothe Wild; die Urſache iſt, weil die Bachen von hitzigerer Natur ſind, als das Roth-Wild. Die hauende Schwei- ne, ſo ſich einander gewachſen ſind, kaͤmpf- fen auch, doch auff eine andere Art, als die Hirſche, dann ſie fahren zuſammen, lehnen ſich mit dem Ruͤcken hart an, ſchla- gen einander auff die Vorder-Blaͤtter mit dem Gewehr, hauen ſich viele Ritzen und tieffe Schlaͤge ein, daß wohl oͤffters manche im Kaͤmpffen und ſolchem Streit lahm, beſchaͤdiget, oder wohl gar todt geſchlagen werden, ſo es aber dennoch wohl abgehet, ſchwellen ſie auff ihren Schultern und wann wiederum neue Schlaͤge darzu kommen, reiben ſie ſich an das Hartz und heylen ſich mit der Zeit wieder aus, davon ſie eine dicke Haut kriegen, welche als ein Pantzer feſte ver- waͤchſet. N 2
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Von denen wilden Thieren.
jaͤhrliche Friſchlinge genennet; So ſie
verfolget werden, fliehen ſie zu denen
Groſſen, bleibet aber die Bache gelde,
welches ihnen ſehr dienlich iſt zu ihrem
Wachsthumb, halten ſie ſich bey ihrer
Mutter auff und ſuchen Schutz und Huͤlf-
fe bey derſelben. Sie nehren ſich eben-
falls mit der Alten in denen Sommer-
Feldern von Hierſche, Heydekorn und
anderm Getraͤyde: Des Herbſts aber
vom Feld-Obſt und andern Maſtungen:
Derer Hamſter und Feld-Maͤuſe Be-
haͤltniſſe und Loͤcher, worinnen ſie un-
terſchiedlich Getraͤyde finden, werden auch
von ihnen zum oͤfftern viſitiret. Jm
andern Jahre ſind ſie zur Brunfft noch
nicht tuͤchtig, und wann die Satz-Zeit
koͤmmt, werden ſie zweyjaͤhrigte Friſch-
linge genennet: Jm dritten Jahre, nach-
dem ihre Natur und Nahrung geweſen,
und nicht viel Hunger des Winters aus-
ſtehen muͤſſen, oder in der Jugend ver-
buttet ſind, da ihnen denn nichts gefeh-
let, werden ſie im Herbſt und November
vollkommen angeſprochen und in ihrer
Brunfft das Schwein ein Kaͤuler, die
Sau aber eine Bache genannt: Dann
werden ſie ſehr hochmuͤthig, und
erſchrecken nicht leichtlich. Jhre Ge-
wehr oder Faͤnge ſtehen ihnen insge-
mein eines guten Daumen breits ſcharff
und ſpitzig neben aus und ſind in ſol-
chen Jahren die aͤrgſten Hunde-Schlaͤ-
ger. Jm vierdten Jahre aber wer-
den ſie angehende Schweine genennet:
Solche ſind ſchon ſtaͤrcker, am Gewehr
zwey Finger breit, reiſſen nicht leicht
aus. Die Spohren am Gefaͤhrd ſind
breiter, ſie ſind auch ſehr geſchwind, a-
ber noch behertzter als die Kaͤuler, und
koͤnnen die Hunde vorſichtig machen.
Und weiln ſie ſich nun ſtarck befinden,
ſehr trotzig und verwegen ſind, reiſen ſie
des Sommers und Herbſts durch Fel-
der und Waͤlder nach ihrer Nahrung
Tag und Nacht auf zehen Meilen in ei-
nem Trab fort; Ob ſie auch ſchon Nah-
rung und Behaͤltniſſe vor ſich antreffen,
bleiben ſie dennoch nicht uͤber zwey oder
drey Tage lang, ſondern brechen auf und
machen ſich weiter fort. Jm fuͤnfften
Jahre werden ſie hauende Schweine ge-
nennet. Jhre Brunfft geſchicht mei-
ſtentheils im Chriſt-Monath, nachdem
die Kaͤlte und Froͤſte kommen und ſie gu-
te Maſt gehabt, oder feiſte worden ſind,
woraus ſie geil werden: Die groſſen laſ-
ſen ebenfalls die jungen Kaͤuler nicht
darzu, werden hitzig, ſchaͤumen und we-
tzen mit ihrem Gewehr, ſuhlen ſich in Mo-
raſt und Pfuͤtzen und reiben ſich hernach
an die Baͤume, woraus man ihre Hoͤhe,
wie auch die Groͤſſe an der Suhle erken-
nen kan. Die hauende Schweine ſind
nun am allerkuͤhnſten, abſonderlich in
jagen und hetzen, wann ſie erhitzet wer-
den. Jhr Gewehr iſt drey Finger breit
lang heraus ſtehend, ſehr ſcharff und
ſpitzig; Was ſie nur ſehen, darauf gehen
ſie loß, und ſchonen nichts, es ſeyen Men-
ſchen, Pferde oder Hunde. Sie haben
groſſe Staͤrcke, werden ſie ja mit groſſer
Muͤhe endlich zur Flucht gebracht und
ſehen einen Brudel, Dickigt oder Mo-
raſt, ſetzen ſie ſich hinein, fahren heraus,
und ſchlagen alles, was ſie antreffen,
lahm und zu Schanden, oder gar todt.
Solche Schweine, wo ſie ſich aufhalten,
ſonderlich in der Brunfft, geben einen
ſtarcken ſuͤßlichen Geruch von ſich. Das
Lager, ſo insgemein in groſſen Behaͤlt-
niſſen, Bruch und Loͤchern, oder groſſen
Dickigten iſt, koͤnnen ſie gar weich ma-
chen von Mooß, ſo ſie im Ruͤßel herzu
tragen: So jemand zum Lager koͤmmt,
oder hinein tritt, koͤmmt es ſobalde nicht
wieder und machet ſich ein anders, biß
es mercket, daß lange Zeit daſelbſt Nie-
mand geweſen, oder hinkommen. Jhre
Brunfft-Zeit waͤhret ungefehr vier Wo-
chen, nachdem viel Obſt und Maſtung
daſelbſt verhanden, und brunfften die al-
ten zeitlicher, als die jungen, dahero
koͤnnen ſie nicht zu einer Zeit ſetzen, und
gehet eine Bache wie bereits oben gedacht,
achtzehen biß zwantzig Wochen nach der
Brunfft, ehe ſie ſetzet, alſo nicht ſo lange,
als das rothe Wild; die Urſache iſt, weil
die Bachen von hitzigerer Natur ſind, als
das Roth-Wild. Die hauende Schwei-
ne, ſo ſich einander gewachſen ſind, kaͤmpf-
fen auch, doch auff eine andere Art, als
die Hirſche, dann ſie fahren zuſammen,
lehnen ſich mit dem Ruͤcken hart an, ſchla-
gen einander auff die Vorder-Blaͤtter
mit dem Gewehr, hauen ſich viele Ritzen
und tieffe Schlaͤge ein, daß wohl oͤffters
manche im Kaͤmpffen und ſolchem Streit
lahm, beſchaͤdiget, oder wohl gar todt
geſchlagen werden, ſo es aber dennoch
wohl abgehet, ſchwellen ſie auff ihren
Schultern und wann wiederum neue
Schlaͤge darzu kommen, reiben ſie ſich
an das Hartz und heylen ſich mit der Zeit
wieder aus, davon ſie eine dicke Haut
kriegen, welche als ein Pantzer feſte ver-
waͤchſet.
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