Dieses Thier ist allhier zu Lande nicht so häuffig, als in der Schweitz, da sie gar viel und offt in Wäldern anzutreffen, sondern sie werden nur entweder in Stadt-Gräben oder grosser Herren Thier-Gärthen eingesperret gehalten, zur Rarität auffgehoben, und vor den Wölffen daselbst beschützet, weiln sie mit dem Lauffen nicht wohl fortkommen kön- nen, also nothwendig denen Räubern zu Theil werden und Haar lassen müsten. Diese Dänn-Hirsche sind mittelmäßiger Grösse, kleiner als die vorgemeldete gros- sen rothen Hirsche, aber doch grösser als die Rehe. Haben unterschiedene Far- ben, man findet gantz weisse, auch zu- weilen gantz schwartze, ingleichen etliche, welche rothgelb, mit weissen Flecken, als ein Hirsch-Kalb gezieret sind, wie auch weiß und braunfleckigte. Das Geweyhe oder Gehörn, wovon die untersten vier Augensprossen, die übrigen Enden aber, so gleich als ob sie mit Spinnweben bezo- gen aussehen, Schauffeln genennet wer- den. Sonst ist die Eigenschafft dieses Dänn-Hirsches, was das innerliche be- trifft, denen grossen Hirschen in vielen gleich: Maassen sie ebenfalls keine Galle, aber einen längern Bürtzel oder Schweiff wie die grossen haben. Das Thier setzet zu Ende des Mäy-Monats seine Jun- gen, meistens zwey, wie die Rehe. Seine Brunfft geschiehet fast 14. Tage später; Den Anfang machen ebenfalls die alten Hirsche eher, als die jungen. Die Stimme aber ist gleichsam als in der Gurgel verschluckend und lange nicht so starck als derer rothen Hirsche. Seine Fährd ist ebenfalls der Art nach zu spü- ren, wie der grossen Hirsche, lässet auch unterschiedliche Lohsung fallen, nachdem er Weyde oder Graß gehabt. Er wird viel leichter von Hunden gefangen, weil er nicht eine so schnell lauffende, aber viel angenehmere und süssere Gefährd hat: Er wird in Franckreich eben auch mit denen Chiens courans par Force gejagt, weiln sie daselbst, wie in der Schweitz, häuffiger in denen Wäldern, als bey uns, anzutreffen. Sie halten sich ger- ne in trockenen Heyden im Unter-Holtz und jungen Gehäu auff, gehen auch nicht so zu Felde wie Roth-Wildpräth, son- dern nehren sich im Holtze von Graß, Kräutern, Knospen und Laub von Bäu- [Spaltenumbruch]
men: Gehen im übrigen Troupp-weise beysammen, ausser vom Ende des Mäy an biß zu Ende des Augusti. Wegen der Sommer-Hitze, aus Furcht für denen Brehmen, Fliegen und Mücken, lassen sie sich gerne in solchen Ländern finden, wo es kleine Gebürge und Thäler giebt, wenigstens suchen sie ihre Zuflucht im di- cken Gebüsch. Jn der Brunfft folget der Hirsch dem Wildpräth nicht nach, sondern machet sich gewisse Stände, scharret mit den Läufften eine Grube umb sich, und schreyet, welch Wild nun Lust hat, das gehet zu ihm, welches er so- fort beschläget und alsdann wieder in sei- nen Stand sich begiebet; Das Wild aber kommt wieder zur vorigen Gesellschafft: Dahero diese Hirsche in denen Wäldern gar selten kämpffen, ausser wenn einer dem andern in seinen Stand gehen wol- te. Jn Thier-Gärten aber, da sie na- he beysammen, geschiehet es öffters. Die- ses Wildpräth ist nicht so wild, als an- deres; Hat sichs nieder gethan, und ver- nimmt etwas, so drücket es sich mit dem Kopff vollends auff die Erden und war- tet ziemlich nahe, alsdann fähret es im Dickigte fort und lauret wieder; Es lässet sich nicht so zusammen treiben, we- gen seiner Zahmheit, wie das andere. Das Gehörn wirfft es eben jährlich gleich andern Hirschen ab, und setzet sol- ches wieder auff. Die Hündin ist klei- ner, träget eins, bißweilen zwey und führet sie, wenn sie lauffen können, zu ih- res gleichen; Die Hirsche sondern sich auch nicht darvon, breiten sich im Geäß von einander und thun sich des Tages beysammen nieder. Es ist eine recht wundersame Antipathie zwischen denen grossen rothen Hirschen und diesen Dänn- Hirschen dergestalt in der Natur einge- wurtzelt, daß, wo sich Dänn-Hirsche auff- halten, daselbst die andern grossen ro- then Hirsche weit davon abweichen, gar wegziehen, und ferner solche Gelegen- heiten meiden. Wo aber beyderseits Gattungen in einen Thier-Garten ein- gesperret, sich zusammen ernehren müs- sen, nehmen die grossen rothen Hirsche mit gantzer Gewalt an allen Kräfften ab und fallen endlich gar dahin, ohne daß man hiervon die eigentliche Ursache gründlich begreiffen kan, wie ich solches augenscheinlich selbst erfahren, weswe-
gen
N
Von denen wilden Thieren.
Von dem Daͤnn-Hirſch.
[Spaltenumbruch]
Dieſes Thier iſt allhier zu Lande nicht ſo haͤuffig, als in der Schweitz, da ſie gar viel und offt in Waͤldern anzutreffen, ſondern ſie werden nur entweder in Stadt-Graͤben oder groſſer Herren Thier-Gaͤrthen eingeſperret gehalten, zur Raritaͤt auffgehoben, und vor den Woͤlffen daſelbſt beſchuͤtzet, weiln ſie mit dem Lauffen nicht wohl fortkommen koͤn- nen, alſo nothwendig denen Raͤubern zu Theil werden und Haar laſſen muͤſten. Dieſe Daͤnn-Hirſche ſind mittelmaͤßiger Groͤſſe, kleiner als die vorgemeldete groſ- ſen rothen Hirſche, aber doch groͤſſer als die Rehe. Haben unterſchiedene Far- ben, man findet gantz weiſſe, auch zu- weilen gantz ſchwartze, ingleichen etliche, welche rothgelb, mit weiſſen Flecken, als ein Hirſch-Kalb gezieret ſind, wie auch weiß und braunfleckigte. Das Geweyhe oder Gehoͤrn, wovon die unterſten vier Augenſproſſen, die uͤbrigen Enden aber, ſo gleich als ob ſie mit Spinnweben bezo- gen ausſehen, Schauffeln genennet wer- den. Sonſt iſt die Eigenſchafft dieſes Daͤnn-Hirſches, was das innerliche be- trifft, denen groſſen Hirſchen in vielen gleich: Maaſſen ſie ebenfalls keine Galle, aber einen laͤngern Buͤrtzel oder Schweiff wie die groſſen haben. Das Thier ſetzet zu Ende des Maͤy-Monats ſeine Jun- gen, meiſtens zwey, wie die Rehe. Seine Brunfft geſchiehet faſt 14. Tage ſpaͤter; Den Anfang machen ebenfalls die alten Hirſche eher, als die jungen. Die Stimme aber iſt gleichſam als in der Gurgel verſchluckend und lange nicht ſo ſtarck als derer rothen Hirſche. Seine Faͤhrd iſt ebenfalls der Art nach zu ſpuͤ- ren, wie der groſſen Hirſche, laͤſſet auch unterſchiedliche Lohſung fallen, nachdem er Weyde oder Graß gehabt. Er wird viel leichter von Hunden gefangen, weil er nicht eine ſo ſchnell lauffende, aber viel angenehmere und ſuͤſſere Gefaͤhrd hat: Er wird in Franckreich eben auch mit denen Chiens courans par Force gejagt, weiln ſie daſelbſt, wie in der Schweitz, haͤuffiger in denen Waͤldern, als bey uns, anzutreffen. Sie halten ſich ger- ne in trockenen Heyden im Unter-Holtz und jungen Gehaͤu auff, gehen auch nicht ſo zu Felde wie Roth-Wildpraͤth, ſon- dern nehren ſich im Holtze von Graß, Kraͤutern, Knoſpen und Laub von Baͤu- [Spaltenumbruch]
men: Gehen im uͤbrigen Troupp-weiſe beyſammen, auſſer vom Ende des Maͤy an biß zu Ende des Auguſti. Wegen der Sommer-Hitze, aus Furcht fuͤr denen Brehmen, Fliegen und Muͤcken, laſſen ſie ſich gerne in ſolchen Laͤndern finden, wo es kleine Gebuͤrge und Thaͤler giebt, wenigſtens ſuchen ſie ihre Zuflucht im di- cken Gebuͤſch. Jn der Brunfft folget der Hirſch dem Wildpraͤth nicht nach, ſondern machet ſich gewiſſe Staͤnde, ſcharret mit den Laͤufften eine Grube umb ſich, und ſchreyet, welch Wild nun Luſt hat, das gehet zu ihm, welches er ſo- fort beſchlaͤget und alsdann wieder in ſei- nen Stand ſich begiebet; Das Wild aber kommt wieder zur vorigen Geſellſchafft: Dahero dieſe Hirſche in denen Waͤldern gar ſelten kaͤmpffen, auſſer wenn einer dem andern in ſeinen Stand gehen wol- te. Jn Thier-Gaͤrten aber, da ſie na- he beyſammen, geſchiehet es oͤffters. Die- ſes Wildpraͤth iſt nicht ſo wild, als an- deres; Hat ſichs nieder gethan, und ver- nimmt etwas, ſo druͤcket es ſich mit dem Kopff vollends auff die Erden und war- tet ziemlich nahe, alsdann faͤhret es im Dickigte fort und lauret wieder; Es laͤſſet ſich nicht ſo zuſammen treiben, we- gen ſeiner Zahmheit, wie das andere. Das Gehoͤrn wirfft es eben jaͤhrlich gleich andern Hirſchen ab, und ſetzet ſol- ches wieder auff. Die Huͤndin iſt klei- ner, traͤget eins, bißweilen zwey und fuͤhret ſie, wenn ſie lauffen koͤnnen, zu ih- res gleichen; Die Hirſche ſondern ſich auch nicht darvon, breiten ſich im Geaͤß von einander und thun ſich des Tages beyſammen nieder. Es iſt eine recht wunderſame Antipathie zwiſchen denen groſſen rothen Hirſchen und dieſen Daͤñ- Hirſchen dergeſtalt in der Natur einge- wurtzelt, daß, wo ſich Daͤnn-Hirſche auff- halten, daſelbſt die andern groſſen ro- then Hirſche weit davon abweichen, gar wegziehen, und ferner ſolche Gelegen- heiten meiden. Wo aber beyderſeits Gattungen in einen Thier-Garten ein- geſperret, ſich zuſammen ernehren muͤſ- ſen, nehmen die groſſen rothen Hirſche mit gantzer Gewalt an allen Kraͤfften ab und fallen endlich gar dahin, ohne daß man hiervon die eigentliche Urſache gruͤndlich begreiffen kan, wie ich ſolches augenſcheinlich ſelbſt erfahren, weswe-
gen
N
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0191"n="97"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von denen wilden Thieren.</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Von dem Daͤnn-Hirſch.</hi></head><lb/><cb/><p>Dieſes Thier iſt allhier zu Lande nicht<lb/>ſo haͤuffig, als in der Schweitz, da ſie gar<lb/>
viel und offt in Waͤldern anzutreffen,<lb/>ſondern ſie werden nur entweder in<lb/>
Stadt-Graͤben oder groſſer Herren<lb/>
Thier-Gaͤrthen eingeſperret gehalten,<lb/>
zur Raritaͤt auffgehoben, und vor den<lb/>
Woͤlffen daſelbſt beſchuͤtzet, weiln ſie mit<lb/>
dem Lauffen nicht wohl fortkommen koͤn-<lb/>
nen, alſo nothwendig denen Raͤubern<lb/>
zu Theil werden und Haar laſſen muͤſten.<lb/>
Dieſe Daͤnn-Hirſche ſind mittelmaͤßiger<lb/>
Groͤſſe, kleiner als die vorgemeldete groſ-<lb/>ſen rothen Hirſche, aber doch groͤſſer als<lb/>
die Rehe. Haben unterſchiedene Far-<lb/>
ben, man findet gantz weiſſe, auch zu-<lb/>
weilen gantz ſchwartze, ingleichen etliche,<lb/>
welche rothgelb, mit weiſſen Flecken, als<lb/>
ein Hirſch-Kalb gezieret ſind, wie auch<lb/>
weiß und braunfleckigte. Das Geweyhe<lb/>
oder Gehoͤrn, wovon die unterſten vier<lb/>
Augenſproſſen, die uͤbrigen Enden aber,<lb/>ſo gleich als ob ſie mit Spinnweben bezo-<lb/>
gen ausſehen, Schauffeln genennet wer-<lb/>
den. Sonſt iſt die Eigenſchafft dieſes<lb/>
Daͤnn-Hirſches, was das innerliche be-<lb/>
trifft, denen groſſen Hirſchen in vielen<lb/>
gleich: Maaſſen ſie ebenfalls keine Galle,<lb/>
aber einen laͤngern Buͤrtzel oder Schweiff<lb/>
wie die groſſen haben. Das Thier ſetzet<lb/>
zu Ende des Maͤy-Monats ſeine Jun-<lb/>
gen, meiſtens zwey, wie die Rehe. Seine<lb/>
Brunfft geſchiehet faſt 14. Tage ſpaͤter;<lb/>
Den Anfang machen ebenfalls die alten<lb/>
Hirſche eher, als die jungen. Die<lb/>
Stimme aber iſt gleichſam als in der<lb/>
Gurgel verſchluckend und lange nicht ſo<lb/>ſtarck als derer rothen Hirſche. Seine<lb/>
Faͤhrd iſt ebenfalls der Art nach zu ſpuͤ-<lb/>
ren, wie der groſſen Hirſche, laͤſſet auch<lb/>
unterſchiedliche Lohſung fallen, nachdem<lb/>
er Weyde oder Graß gehabt. Er wird<lb/>
viel leichter von Hunden gefangen, weil<lb/>
er nicht eine ſo ſchnell lauffende, aber viel<lb/>
angenehmere und ſuͤſſere Gefaͤhrd hat:<lb/>
Er wird in Franckreich eben auch mit<lb/>
denen <hirendition="#aq">Chiens courans par Force</hi> gejagt,<lb/>
weiln ſie daſelbſt, wie in der Schweitz,<lb/>
haͤuffiger in denen Waͤldern, als bey<lb/>
uns, anzutreffen. Sie halten ſich ger-<lb/>
ne in trockenen Heyden im Unter-Holtz<lb/>
und jungen Gehaͤu auff, gehen auch nicht<lb/>ſo zu Felde wie Roth-Wildpraͤth, ſon-<lb/>
dern nehren ſich im Holtze von Graß,<lb/>
Kraͤutern, Knoſpen und Laub von Baͤu-<lb/><cb/>
men: Gehen im uͤbrigen Troupp-weiſe<lb/>
beyſammen, auſſer vom Ende des Maͤy<lb/>
an biß zu Ende des Auguſti. Wegen der<lb/>
Sommer-Hitze, aus Furcht fuͤr denen<lb/>
Brehmen, Fliegen und Muͤcken, laſſen<lb/>ſie ſich gerne in ſolchen Laͤndern finden,<lb/>
wo es kleine Gebuͤrge und Thaͤler giebt,<lb/>
wenigſtens ſuchen ſie ihre Zuflucht im di-<lb/>
cken Gebuͤſch. Jn der Brunfft folget<lb/>
der Hirſch dem Wildpraͤth nicht nach,<lb/>ſondern machet ſich gewiſſe Staͤnde,<lb/>ſcharret mit den Laͤufften eine Grube<lb/>
umb ſich, und ſchreyet, welch Wild nun<lb/>
Luſt hat, das gehet zu ihm, welches er ſo-<lb/>
fort beſchlaͤget und alsdann wieder in ſei-<lb/>
nen Stand ſich begiebet; Das Wild aber<lb/>
kommt wieder zur vorigen Geſellſchafft:<lb/>
Dahero dieſe Hirſche in denen Waͤldern<lb/>
gar ſelten kaͤmpffen, auſſer wenn einer<lb/>
dem andern in ſeinen Stand gehen wol-<lb/>
te. Jn Thier-Gaͤrten aber, da ſie na-<lb/>
he beyſammen, geſchiehet es oͤffters. Die-<lb/>ſes Wildpraͤth iſt nicht ſo wild, als an-<lb/>
deres; Hat ſichs nieder gethan, und ver-<lb/>
nimmt etwas, ſo druͤcket es ſich mit dem<lb/>
Kopff vollends auff die Erden und war-<lb/>
tet ziemlich nahe, alsdann faͤhret es<lb/>
im Dickigte fort und lauret wieder; Es<lb/>
laͤſſet ſich nicht ſo zuſammen treiben, we-<lb/>
gen ſeiner Zahmheit, wie das andere.<lb/>
Das Gehoͤrn wirfft es eben jaͤhrlich<lb/>
gleich andern Hirſchen ab, und ſetzet ſol-<lb/>
ches wieder auff. Die Huͤndin iſt klei-<lb/>
ner, traͤget eins, bißweilen zwey und<lb/>
fuͤhret ſie, wenn ſie lauffen koͤnnen, zu ih-<lb/>
res gleichen; Die Hirſche ſondern ſich<lb/>
auch nicht darvon, breiten ſich im Geaͤß<lb/>
von einander und thun ſich des Tages<lb/>
beyſammen nieder. Es iſt eine recht<lb/>
wunderſame <hirendition="#aq">Antipathie</hi> zwiſchen denen<lb/>
groſſen rothen Hirſchen und dieſen Daͤñ-<lb/>
Hirſchen dergeſtalt in der Natur einge-<lb/>
wurtzelt, daß, wo ſich Daͤnn-Hirſche auff-<lb/>
halten, daſelbſt die andern groſſen ro-<lb/>
then Hirſche weit davon abweichen, gar<lb/>
wegziehen, und ferner ſolche Gelegen-<lb/>
heiten meiden. Wo aber beyderſeits<lb/>
Gattungen in einen Thier-Garten ein-<lb/>
geſperret, ſich zuſammen ernehren muͤſ-<lb/>ſen, nehmen die groſſen rothen Hirſche<lb/>
mit gantzer Gewalt an allen Kraͤfften<lb/>
ab und fallen endlich gar dahin, ohne<lb/>
daß man hiervon die eigentliche Urſache<lb/>
gruͤndlich begreiffen kan, wie ich ſolches<lb/>
augenſcheinlich ſelbſt erfahren, weswe-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">N</fw><fwplace="bottom"type="catch">gen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[97/0191]
Von denen wilden Thieren.
Von dem Daͤnn-Hirſch.
Dieſes Thier iſt allhier zu Lande nicht
ſo haͤuffig, als in der Schweitz, da ſie gar
viel und offt in Waͤldern anzutreffen,
ſondern ſie werden nur entweder in
Stadt-Graͤben oder groſſer Herren
Thier-Gaͤrthen eingeſperret gehalten,
zur Raritaͤt auffgehoben, und vor den
Woͤlffen daſelbſt beſchuͤtzet, weiln ſie mit
dem Lauffen nicht wohl fortkommen koͤn-
nen, alſo nothwendig denen Raͤubern
zu Theil werden und Haar laſſen muͤſten.
Dieſe Daͤnn-Hirſche ſind mittelmaͤßiger
Groͤſſe, kleiner als die vorgemeldete groſ-
ſen rothen Hirſche, aber doch groͤſſer als
die Rehe. Haben unterſchiedene Far-
ben, man findet gantz weiſſe, auch zu-
weilen gantz ſchwartze, ingleichen etliche,
welche rothgelb, mit weiſſen Flecken, als
ein Hirſch-Kalb gezieret ſind, wie auch
weiß und braunfleckigte. Das Geweyhe
oder Gehoͤrn, wovon die unterſten vier
Augenſproſſen, die uͤbrigen Enden aber,
ſo gleich als ob ſie mit Spinnweben bezo-
gen ausſehen, Schauffeln genennet wer-
den. Sonſt iſt die Eigenſchafft dieſes
Daͤnn-Hirſches, was das innerliche be-
trifft, denen groſſen Hirſchen in vielen
gleich: Maaſſen ſie ebenfalls keine Galle,
aber einen laͤngern Buͤrtzel oder Schweiff
wie die groſſen haben. Das Thier ſetzet
zu Ende des Maͤy-Monats ſeine Jun-
gen, meiſtens zwey, wie die Rehe. Seine
Brunfft geſchiehet faſt 14. Tage ſpaͤter;
Den Anfang machen ebenfalls die alten
Hirſche eher, als die jungen. Die
Stimme aber iſt gleichſam als in der
Gurgel verſchluckend und lange nicht ſo
ſtarck als derer rothen Hirſche. Seine
Faͤhrd iſt ebenfalls der Art nach zu ſpuͤ-
ren, wie der groſſen Hirſche, laͤſſet auch
unterſchiedliche Lohſung fallen, nachdem
er Weyde oder Graß gehabt. Er wird
viel leichter von Hunden gefangen, weil
er nicht eine ſo ſchnell lauffende, aber viel
angenehmere und ſuͤſſere Gefaͤhrd hat:
Er wird in Franckreich eben auch mit
denen Chiens courans par Force gejagt,
weiln ſie daſelbſt, wie in der Schweitz,
haͤuffiger in denen Waͤldern, als bey
uns, anzutreffen. Sie halten ſich ger-
ne in trockenen Heyden im Unter-Holtz
und jungen Gehaͤu auff, gehen auch nicht
ſo zu Felde wie Roth-Wildpraͤth, ſon-
dern nehren ſich im Holtze von Graß,
Kraͤutern, Knoſpen und Laub von Baͤu-
men: Gehen im uͤbrigen Troupp-weiſe
beyſammen, auſſer vom Ende des Maͤy
an biß zu Ende des Auguſti. Wegen der
Sommer-Hitze, aus Furcht fuͤr denen
Brehmen, Fliegen und Muͤcken, laſſen
ſie ſich gerne in ſolchen Laͤndern finden,
wo es kleine Gebuͤrge und Thaͤler giebt,
wenigſtens ſuchen ſie ihre Zuflucht im di-
cken Gebuͤſch. Jn der Brunfft folget
der Hirſch dem Wildpraͤth nicht nach,
ſondern machet ſich gewiſſe Staͤnde,
ſcharret mit den Laͤufften eine Grube
umb ſich, und ſchreyet, welch Wild nun
Luſt hat, das gehet zu ihm, welches er ſo-
fort beſchlaͤget und alsdann wieder in ſei-
nen Stand ſich begiebet; Das Wild aber
kommt wieder zur vorigen Geſellſchafft:
Dahero dieſe Hirſche in denen Waͤldern
gar ſelten kaͤmpffen, auſſer wenn einer
dem andern in ſeinen Stand gehen wol-
te. Jn Thier-Gaͤrten aber, da ſie na-
he beyſammen, geſchiehet es oͤffters. Die-
ſes Wildpraͤth iſt nicht ſo wild, als an-
deres; Hat ſichs nieder gethan, und ver-
nimmt etwas, ſo druͤcket es ſich mit dem
Kopff vollends auff die Erden und war-
tet ziemlich nahe, alsdann faͤhret es
im Dickigte fort und lauret wieder; Es
laͤſſet ſich nicht ſo zuſammen treiben, we-
gen ſeiner Zahmheit, wie das andere.
Das Gehoͤrn wirfft es eben jaͤhrlich
gleich andern Hirſchen ab, und ſetzet ſol-
ches wieder auff. Die Huͤndin iſt klei-
ner, traͤget eins, bißweilen zwey und
fuͤhret ſie, wenn ſie lauffen koͤnnen, zu ih-
res gleichen; Die Hirſche ſondern ſich
auch nicht darvon, breiten ſich im Geaͤß
von einander und thun ſich des Tages
beyſammen nieder. Es iſt eine recht
wunderſame Antipathie zwiſchen denen
groſſen rothen Hirſchen und dieſen Daͤñ-
Hirſchen dergeſtalt in der Natur einge-
wurtzelt, daß, wo ſich Daͤnn-Hirſche auff-
halten, daſelbſt die andern groſſen ro-
then Hirſche weit davon abweichen, gar
wegziehen, und ferner ſolche Gelegen-
heiten meiden. Wo aber beyderſeits
Gattungen in einen Thier-Garten ein-
geſperret, ſich zuſammen ernehren muͤſ-
ſen, nehmen die groſſen rothen Hirſche
mit gantzer Gewalt an allen Kraͤfften
ab und fallen endlich gar dahin, ohne
daß man hiervon die eigentliche Urſache
gruͤndlich begreiffen kan, wie ich ſolches
augenſcheinlich ſelbſt erfahren, weswe-
gen
N
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/191>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.