"Zu den Rebellen?" -- Niemand wollte davon wissen. Halb mißtrauisch, halb ge- rührt, gab man ihr ein Stückchen Brodt, ein Glas Wasser, hie und da einige Früchte, und lies sie mit Kopfschütteln wieder gehen.
Sechs Tage und sechs Nächte war sie nun umher geirrt. Jhre Füße bluteten, und die schönen Augen, von Thränen ge- schwollen, blickten trostlos in die Ferne. So an einem Baum gelehnt, wollte sie die erschöpfte Natur zu einer neuen Anstren- gung zwingen; als sie unwillkührlich auf den Rasen sank und in wenig Minuten entschlummerte.
Jhr Geliebter, den ein wohlthätiger Traum jetzt vor ihre Phantasie führte, war indessen, mit Ruhm überhäuft, vom Schlacht- felde zurückgekehrt. Aber er hatte den
mir doch, wohin geht der Weg zu den Rebellen?«
»Zu den Rebellen?« — Niemand wollte davon wiſſen. Halb mißtrauiſch, halb ge- ruͤhrt, gab man ihr ein Stuͤckchen Brodt, ein Glas Waſſer, hie und da einige Fruͤchte, und lies ſie mit Kopfſchuͤtteln wieder gehen.
Sechs Tage und ſechs Naͤchte war ſie nun umher geirrt. Jhre Fuͤße bluteten, und die ſchoͤnen Augen, von Thraͤnen ge- ſchwollen, blickten troſtlos in die Ferne. So an einem Baum gelehnt, wollte ſie die erſchoͤpfte Natur zu einer neuen Anſtren- gung zwingen; als ſie unwillkuͤhrlich auf den Raſen ſank und in wenig Minuten entſchlummerte.
Jhr Geliebter, den ein wohlthaͤtiger Traum jetzt vor ihre Phantaſie fuͤhrte, war indeſſen, mit Ruhm uͤberhaͤuft, vom Schlacht- felde zuruͤckgekehrt. Aber er hatte den
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mir doch, wohin geht der Weg zu den
Rebellen?«
»Zu den Rebellen?« — Niemand wollte
davon wiſſen. Halb mißtrauiſch, halb ge-
ruͤhrt, gab man ihr ein Stuͤckchen Brodt,
ein Glas Waſſer, hie und da einige Fruͤchte,
und lies ſie mit Kopfſchuͤtteln wieder gehen.
Sechs Tage und ſechs Naͤchte war ſie
nun umher geirrt. Jhre Fuͤße bluteten,
und die ſchoͤnen Augen, von Thraͤnen ge-
ſchwollen, blickten troſtlos in die Ferne.
So an einem Baum gelehnt, wollte ſie die
erſchoͤpfte Natur zu einer neuen Anſtren-
gung zwingen; als ſie unwillkuͤhrlich auf
den Raſen ſank und in wenig Minuten
entſchlummerte.
Jhr Geliebter, den ein wohlthaͤtiger
Traum jetzt vor ihre Phantaſie fuͤhrte, war
indeſſen, mit Ruhm uͤberhaͤuft, vom Schlacht-
felde zuruͤckgekehrt. Aber er hatte den
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[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/94>, abgerufen am 25.07.2024.
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